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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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die Seide an eine Frau in Capri verkaufen, die
Bänder macht, und das Garn an eine andre.

Hast du's selbst gesponnen?

Ja, Herr.

Wenn ich mich recht erinnere, hast du auch ge¬
lernt Bänder machen.

Ja Herr. Aber es geht wieder schlimmer mit der
Mutter, daß ich nicht aus dem Hause kann, und einen
eignen Webstuhl können wir nicht bezahlen.

Geht schlimmer! Oh, oh! Da ich um Ostern
bei euch war, saß sie doch auf.

Der Frühling ist immer die böseste Zeit für sie.
Seit wir die großen Stürme hatten und die Erd¬
stöße, hat sie immer liegen müssen vor Schmerzen.

Laß nicht nach mit Beten und Bitten, mein
Kind, daß die heilige Jungfrau Fürbitte thut. Und
sei brav und fleißig, damit dein Gebet erhört werde.

Nach einer Pause: Wie du da zum Strand her¬
unterkamst, riefen sie dir zu: Guten Tag, la Rab¬
biata! Warum heißen sie dich so? Es ist kein schö¬
ner Name für eine Christin, die sanft sein soll und
demüthig.

Das Mädchen glühte über das ganze braune Ge¬
sicht und ihre Augen funkelten.

Sie haben ihren Spott mit mir, weil ich nicht
tanze und singe und viel Redens mache, wie Andere.
Sie sollten mich gehen lassen; ich thu' ihnen ja nichts.

die Seide an eine Frau in Capri verkaufen, die
Bänder macht, und das Garn an eine andre.

Haſt du's ſelbſt geſponnen?

Ja, Herr.

Wenn ich mich recht erinnere, haſt du auch ge¬
lernt Bänder machen.

Ja Herr. Aber es geht wieder ſchlimmer mit der
Mutter, daß ich nicht aus dem Hauſe kann, und einen
eignen Webſtuhl können wir nicht bezahlen.

Geht ſchlimmer! Oh, oh! Da ich um Oſtern
bei euch war, ſaß ſie doch auf.

Der Frühling iſt immer die böſeſte Zeit für ſie.
Seit wir die großen Stürme hatten und die Erd¬
ſtöße, hat ſie immer liegen müſſen vor Schmerzen.

Laß nicht nach mit Beten und Bitten, mein
Kind, daß die heilige Jungfrau Fürbitte thut. Und
ſei brav und fleißig, damit dein Gebet erhört werde.

Nach einer Pauſe: Wie du da zum Strand her¬
unterkamſt, riefen ſie dir zu: Guten Tag, la Rab¬
biata! Warum heißen ſie dich ſo? Es iſt kein ſchö¬
ner Name für eine Chriſtin, die ſanft ſein ſoll und
demüthig.

Das Mädchen glühte über das ganze braune Ge¬
ſicht und ihre Augen funkelten.

Sie haben ihren Spott mit mir, weil ich nicht
tanze und ſinge und viel Redens mache, wie Andere.
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[96/0108] die Seide an eine Frau in Capri verkaufen, die Bänder macht, und das Garn an eine andre. Haſt du's ſelbſt geſponnen? Ja, Herr. Wenn ich mich recht erinnere, haſt du auch ge¬ lernt Bänder machen. Ja Herr. Aber es geht wieder ſchlimmer mit der Mutter, daß ich nicht aus dem Hauſe kann, und einen eignen Webſtuhl können wir nicht bezahlen. Geht ſchlimmer! Oh, oh! Da ich um Oſtern bei euch war, ſaß ſie doch auf. Der Frühling iſt immer die böſeſte Zeit für ſie. Seit wir die großen Stürme hatten und die Erd¬ ſtöße, hat ſie immer liegen müſſen vor Schmerzen. Laß nicht nach mit Beten und Bitten, mein Kind, daß die heilige Jungfrau Fürbitte thut. Und ſei brav und fleißig, damit dein Gebet erhört werde. Nach einer Pauſe: Wie du da zum Strand her¬ unterkamſt, riefen ſie dir zu: Guten Tag, la Rab¬ biata! Warum heißen ſie dich ſo? Es iſt kein ſchö¬ ner Name für eine Chriſtin, die ſanft ſein ſoll und demüthig. Das Mädchen glühte über das ganze braune Ge¬ ſicht und ihre Augen funkelten. Sie haben ihren Spott mit mir, weil ich nicht tanze und ſinge und viel Redens mache, wie Andere. Sie ſollten mich gehen laſſen; ich thu' ihnen ja nichts.

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/108>, abgerufen am 23.04.2024.