Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht, eine Forderung der Gerechtigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung sozialer Notwendigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung der Kultur! München, 1907.

Bild:
<< vorherige Seite
Gattinnen, Mütter fordert das Stimmrecht!

Was hat die Frauenbewegung aller Richtungen in jahr-
zehntelangem, schwerem Ringen und Kämpfen für
die politische und rechtliche Gleichberechtigung der Frauen
erreicht? Moralisch sehr viel, materiell wenig oder nichts.

Moralisch sehr viel!- Sie hat die Männer und
Frauen aufgerüttelt aus ihrer Lethargie, sie hat eine erfolg-
reiche Propaganda entfaltet und erreicht, dass ein gewisses
Verständnis für das Schmachvolle der Hörigkeit der Frauen
in alle, selbst die rückständigsten Kreise gedrungen ist,
aber dabei ist es in der Hauptsache geblieben.

Materiell wenig oder nichts! - Wohl sind hin
und wieder dem beständigen Bitten, Drängen und Fordern
der Frauen kleine Abschlagszahlungen von seiten der
Männer geleistet worden.

Bildungsstätten, Universitäten sind dem weiblichen
Geschlecht geöffnet worden; Berufe, die früher ausschliess-
lich dem männlichen Geschlecht offen standen, sind den
Frauen freigegeben. Das neue bürgerliche Gesetzbuch hat
die grassesten Ungeheuerlichkeiten barbarischer Sklaverei
ausgemerzt. Die Frauen sind dem Manne nicht mehr unter
allen Umständen zum Gehorsam zur ehelichen Pflicht ver-
pflichtet. Die Frau kann, soweit es sich um ihre Ange-
legenheiten handelt, über sich entscheiden, kommen diese
aber nach irgend einer Richtung hin mit den Ansprüchen
auf Bequemlichkeit, mit den Herrschergelüsten des Mannes
in Konflikt, so steht die Entscheidung beim Manne. Er
ist nach wie vor ihr Herr und Gebieter, sie verbleibt in
seiner Hörigkeit, denn er hat als Pfand die Verfügung
über ihre Kinder und ihr Vermögen in Händen. Auf
solcher Basis kann sich die Ehe niemals auf eine freie
und reine Höhe erheben; es ist ein unwürdiger Zustand,
Frauen gesetzlich unter den Willen des Mannes zu zwingen.
Hier schafft der Männerstaat, wie die Erfahrung lehrt,
niemals Wandel; Frauen selbst müssen mit dem Wahl-
zettel in der Hand um ihre Rechte kämpfen, damit die
Grundlage zu einer Ehe geschaffen wird, von der Nietzsche

Gattinnen, Mütter fordert das Stimmrecht!

Was hat die Frauenbewegung aller Richtungen in jahr-
zehntelangem, schwerem Ringen und Kämpfen für
die politische und rechtliche Gleichberechtigung der Frauen
erreicht? Moralisch sehr viel, materiell wenig oder nichts.

Moralisch sehr viel!– Sie hat die Männer und
Frauen aufgerüttelt aus ihrer Lethargie, sie hat eine erfolg-
reiche Propaganda entfaltet und erreicht, dass ein gewisses
Verständnis für das Schmachvolle der Hörigkeit der Frauen
in alle, selbst die rückständigsten Kreise gedrungen ist,
aber dabei ist es in der Hauptsache geblieben.

Materiell wenig oder nichts! – Wohl sind hin
und wieder dem beständigen Bitten, Drängen und Fordern
der Frauen kleine Abschlagszahlungen von seiten der
Männer geleistet worden.

Bildungsstätten, Universitäten sind dem weiblichen
Geschlecht geöffnet worden; Berufe, die früher ausschliess-
lich dem männlichen Geschlecht offen standen, sind den
Frauen freigegeben. Das neue bürgerliche Gesetzbuch hat
die grassesten Ungeheuerlichkeiten barbarischer Sklaverei
ausgemerzt. Die Frauen sind dem Manne nicht mehr unter
allen Umständen zum Gehorsam zur ehelichen Pflicht ver-
pflichtet. Die Frau kann, soweit es sich um ihre Ange-
legenheiten handelt, über sich entscheiden, kommen diese
aber nach irgend einer Richtung hin mit den Ansprüchen
auf Bequemlichkeit, mit den Herrschergelüsten des Mannes
in Konflikt, so steht die Entscheidung beim Manne. Er
ist nach wie vor ihr Herr und Gebieter, sie verbleibt in
seiner Hörigkeit, denn er hat als Pfand die Verfügung
über ihre Kinder und ihr Vermögen in Händen. Auf
solcher Basis kann sich die Ehe niemals auf eine freie
und reine Höhe erheben; es ist ein unwürdiger Zustand,
Frauen gesetzlich unter den Willen des Mannes zu zwingen.
Hier schafft der Männerstaat, wie die Erfahrung lehrt,
niemals Wandel; Frauen selbst müssen mit dem Wahl-
zettel in der Hand um ihre Rechte kämpfen, damit die
Grundlage zu einer Ehe geschaffen wird, von der Nietzsche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0009" n="[9]"/>
      <div n="1">
        <head>Gattinnen, Mütter fordert das Stimmrecht!</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>as hat die Frauenbewegung aller Richtungen in jahr-<lb/>
zehntelangem, schwerem Ringen und Kämpfen für<lb/>
die politische und rechtliche Gleichberechtigung der Frauen<lb/>
erreicht? Moralisch sehr viel, materiell wenig oder nichts.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Moralisch sehr viel!</hi></hi>&#x2013; Sie hat die Männer und<lb/>
Frauen aufgerüttelt aus ihrer Lethargie, sie hat eine erfolg-<lb/>
reiche Propaganda entfaltet und erreicht, dass ein gewisses<lb/>
Verständnis für das Schmachvolle der Hörigkeit der Frauen<lb/>
in alle, selbst die rückständigsten Kreise gedrungen ist,<lb/>
aber dabei ist es in der Hauptsache geblieben.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Materiell wenig oder nichts!</hi></hi> &#x2013; Wohl sind hin<lb/>
und wieder dem beständigen Bitten, Drängen und Fordern<lb/>
der Frauen kleine Abschlagszahlungen von seiten der<lb/>
Männer geleistet worden.</p><lb/>
        <p>Bildungsstätten, Universitäten sind dem weiblichen<lb/>
Geschlecht geöffnet worden; Berufe, die früher ausschliess-<lb/>
lich dem männlichen Geschlecht offen standen, sind den<lb/>
Frauen freigegeben. Das neue bürgerliche Gesetzbuch hat<lb/>
die grassesten Ungeheuerlichkeiten barbarischer Sklaverei<lb/>
ausgemerzt. Die Frauen sind dem Manne nicht mehr unter<lb/>
allen Umständen zum Gehorsam zur ehelichen Pflicht ver-<lb/>
pflichtet. Die Frau kann, soweit es sich um ihre Ange-<lb/>
legenheiten handelt, über sich entscheiden, kommen diese<lb/>
aber nach irgend einer Richtung hin mit den Ansprüchen<lb/>
auf Bequemlichkeit, mit den Herrschergelüsten des Mannes<lb/>
in Konflikt, so steht die Entscheidung beim Manne. Er<lb/>
ist nach wie vor ihr Herr und Gebieter, sie verbleibt in<lb/>
seiner Hörigkeit, denn er hat als Pfand die Verfügung<lb/>
über ihre Kinder und ihr Vermögen in Händen. Auf<lb/>
solcher Basis kann sich die Ehe niemals auf eine freie<lb/>
und reine Höhe erheben; es ist ein unwürdiger Zustand,<lb/>
Frauen gesetzlich unter den Willen des Mannes zu zwingen.<lb/>
Hier schafft der Männerstaat, wie die Erfahrung lehrt,<lb/>
niemals Wandel; Frauen selbst müssen mit dem Wahl-<lb/>
zettel in der Hand um ihre Rechte kämpfen, damit die<lb/>
Grundlage zu einer Ehe geschaffen wird, von der Nietzsche<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[9]/0009] Gattinnen, Mütter fordert das Stimmrecht! Was hat die Frauenbewegung aller Richtungen in jahr- zehntelangem, schwerem Ringen und Kämpfen für die politische und rechtliche Gleichberechtigung der Frauen erreicht? Moralisch sehr viel, materiell wenig oder nichts. Moralisch sehr viel!– Sie hat die Männer und Frauen aufgerüttelt aus ihrer Lethargie, sie hat eine erfolg- reiche Propaganda entfaltet und erreicht, dass ein gewisses Verständnis für das Schmachvolle der Hörigkeit der Frauen in alle, selbst die rückständigsten Kreise gedrungen ist, aber dabei ist es in der Hauptsache geblieben. Materiell wenig oder nichts! – Wohl sind hin und wieder dem beständigen Bitten, Drängen und Fordern der Frauen kleine Abschlagszahlungen von seiten der Männer geleistet worden. Bildungsstätten, Universitäten sind dem weiblichen Geschlecht geöffnet worden; Berufe, die früher ausschliess- lich dem männlichen Geschlecht offen standen, sind den Frauen freigegeben. Das neue bürgerliche Gesetzbuch hat die grassesten Ungeheuerlichkeiten barbarischer Sklaverei ausgemerzt. Die Frauen sind dem Manne nicht mehr unter allen Umständen zum Gehorsam zur ehelichen Pflicht ver- pflichtet. Die Frau kann, soweit es sich um ihre Ange- legenheiten handelt, über sich entscheiden, kommen diese aber nach irgend einer Richtung hin mit den Ansprüchen auf Bequemlichkeit, mit den Herrschergelüsten des Mannes in Konflikt, so steht die Entscheidung beim Manne. Er ist nach wie vor ihr Herr und Gebieter, sie verbleibt in seiner Hörigkeit, denn er hat als Pfand die Verfügung über ihre Kinder und ihr Vermögen in Händen. Auf solcher Basis kann sich die Ehe niemals auf eine freie und reine Höhe erheben; es ist ein unwürdiger Zustand, Frauen gesetzlich unter den Willen des Mannes zu zwingen. Hier schafft der Männerstaat, wie die Erfahrung lehrt, niemals Wandel; Frauen selbst müssen mit dem Wahl- zettel in der Hand um ihre Rechte kämpfen, damit die Grundlage zu einer Ehe geschaffen wird, von der Nietzsche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-12-08T13:55:37Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-12-08T13:55:37Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja; /p>




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_frauenstimmrecht_1907
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_frauenstimmrecht_1907/9
Zitationshilfe: Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht, eine Forderung der Gerechtigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung sozialer Notwendigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung der Kultur! München, 1907, S. [9]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_frauenstimmrecht_1907/9>, abgerufen am 19.04.2024.