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Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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dich und mich rettungslos zu verderben, wenn dein Vorwitz es wagen sollte, ihm in den Weg zu treten.

Diese Worte spannten die Einbildungskraft zu hoch, erregten zu sehr die Neugier, als daß sie hätten zur Warnung gereichen können. -- Wehe, daß der wankenden Psyche niemals die neidischen, Böses rathenden Schwestern fehlen! Betty schloß ihr von allerhand Vermuthungen und Ahnungen getheiltes Innere zweien Freundinnen auf, an deren Treue die unerfahrene junge Frau nicht zweifelte, ob sie gleich, durch Neid angefeuert, Betty's Ruhe und Glück längst sich zur Beute erlesen und unter falschen Vorspiegelungen zärtlicher Sorgfalt denselben nachspürten mit lachender Begierde. -- Die beiden Uebelwollenden beklagten erst die junge Frau von Herzen, vergossen Ströme von Thränen und gaben ihr auf listige Weise den Argwohn, als verdecke Williams' Heimlichkeit eine Kette schauderhafter Verbrechen. Eine wollte diese, die andere jene gegründete Vermuthung über Williams' eigentliche Verhältnisse gehört haben, und alle waren schwarz und trostlos wie die Nacht. Ein Herr aus der Gegend, der kürzlich zwischen Bristol und London durch einen Highwayman war beraubt worden, wollte in Williams' Antlitz, das er kürzlich in der Kirche gesehen, die Züge des Straßenräubers erkannt haben. Ein ehrwürdiger Geistlicher habe behauptet, Williams nähre sich vom Taschendiebstahl, man könne ihm nur nichts

dich und mich rettungslos zu verderben, wenn dein Vorwitz es wagen sollte, ihm in den Weg zu treten.

Diese Worte spannten die Einbildungskraft zu hoch, erregten zu sehr die Neugier, als daß sie hätten zur Warnung gereichen können. — Wehe, daß der wankenden Psyche niemals die neidischen, Böses rathenden Schwestern fehlen! Betty schloß ihr von allerhand Vermuthungen und Ahnungen getheiltes Innere zweien Freundinnen auf, an deren Treue die unerfahrene junge Frau nicht zweifelte, ob sie gleich, durch Neid angefeuert, Betty's Ruhe und Glück längst sich zur Beute erlesen und unter falschen Vorspiegelungen zärtlicher Sorgfalt denselben nachspürten mit lachender Begierde. — Die beiden Uebelwollenden beklagten erst die junge Frau von Herzen, vergossen Ströme von Thränen und gaben ihr auf listige Weise den Argwohn, als verdecke Williams' Heimlichkeit eine Kette schauderhafter Verbrechen. Eine wollte diese, die andere jene gegründete Vermuthung über Williams' eigentliche Verhältnisse gehört haben, und alle waren schwarz und trostlos wie die Nacht. Ein Herr aus der Gegend, der kürzlich zwischen Bristol und London durch einen Highwayman war beraubt worden, wollte in Williams' Antlitz, das er kürzlich in der Kirche gesehen, die Züge des Straßenräubers erkannt haben. Ein ehrwürdiger Geistlicher habe behauptet, Williams nähre sich vom Taschendiebstahl, man könne ihm nur nichts

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:12:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:12:58Z)

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Zitationshilfe: Heyden, Friedrich von: Der graue John. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyden_john_1910/47>, abgerufen am 28.03.2024.