Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

sten Grade drückend! Es ist kein Schatte, kein
Schleier, gar kein Gewand mehr: es ist ein Fels
voll Erhöhung und Vertiefung, ein herabhangen-
der Klumpe. Thue die Augen zu und taste, so
wirst du das Unding fühlen.

Jn keinem Lande konnte daher die Bildnerei
gedeihen, wo solche Steinklumpen nothwendig
waren, wo der Künstler, statt schöner und edler
Körper, Matratzen bilden muste. Jn Morgen-
lande, wo man aus sehr guten Gründen die Ver-
hüllung des Körpers liebte, wo man ihn als Ge-
heimniß betrachtete, von dem nur das Antlitz und
seine Boten, Hände und Füße, sichtbar wären, in
ihm war keine Bildnerei möglich, ja im jüdischen
Lande gar nicht erlaubt. Bei den Aegyptern ging
sie daher, Trotz des hohen Mechanischen der Kunst,
einen ganz andern Weg, seitwärts ab vom Schö-
nen. Bei den Römern konnte sie auch wegen der
Toga und Tunica, Thorax und Paludament sich
der Nation nie einverleiben, um höher zu steigen:
sie blieb Griechisch, oder ging zurück. Jn der
Geschichte der Mönche und Heiligen konnte sie
keine Fortschritte thun, denn Mönch und Nonne
waren verschleiert, der Künstler hatte statt Kör-
per faltige Steindecken zu bilden. Sowohl der
Spanischen als unsrer Tracht mag sich etwa die
Mahlerei, aber wahrlich nicht die Bildsäule er-
freuen. Wir haben die Spanische zur Ritter-

Priester-

ſten Grade druͤckend! Es iſt kein Schatte, kein
Schleier, gar kein Gewand mehr: es iſt ein Fels
voll Erhoͤhung und Vertiefung, ein herabhangen-
der Klumpe. Thue die Augen zu und taſte, ſo
wirſt du das Unding fuͤhlen.

Jn keinem Lande konnte daher die Bildnerei
gedeihen, wo ſolche Steinklumpen nothwendig
waren, wo der Kuͤnſtler, ſtatt ſchoͤner und edler
Koͤrper, Matratzen bilden muſte. Jn Morgen-
lande, wo man aus ſehr guten Gruͤnden die Ver-
huͤllung des Koͤrpers liebte, wo man ihn als Ge-
heimniß betrachtete, von dem nur das Antlitz und
ſeine Boten, Haͤnde und Fuͤße, ſichtbar waͤren, in
ihm war keine Bildnerei moͤglich, ja im juͤdiſchen
Lande gar nicht erlaubt. Bei den Aegyptern ging
ſie daher, Trotz des hohen Mechaniſchen der Kunſt,
einen ganz andern Weg, ſeitwaͤrts ab vom Schoͤ-
nen. Bei den Roͤmern konnte ſie auch wegen der
Toga und Tunica, Thorax und Paludament ſich
der Nation nie einverleiben, um hoͤher zu ſteigen:
ſie blieb Griechiſch, oder ging zuruͤck. Jn der
Geſchichte der Moͤnche und Heiligen konnte ſie
keine Fortſchritte thun, denn Moͤnch und Nonne
waren verſchleiert, der Kuͤnſtler hatte ſtatt Koͤr-
per faltige Steindecken zu bilden. Sowohl der
Spaniſchen als unſrer Tracht mag ſich etwa die
Mahlerei, aber wahrlich nicht die Bildſaͤule er-
freuen. Wir haben die Spaniſche zur Ritter-

Prieſter-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="30"/>
&#x017F;ten Grade <hi rendition="#fr">dru&#x0364;ckend!</hi> Es i&#x017F;t kein Schatte, kein<lb/>
Schleier, gar kein Gewand mehr: es i&#x017F;t ein Fels<lb/>
voll Erho&#x0364;hung und Vertiefung, ein herabhangen-<lb/>
der Klumpe. Thue die Augen zu und ta&#x017F;te, &#x017F;o<lb/>
wir&#x017F;t du das Unding <hi rendition="#fr">fu&#x0364;hlen.</hi></p><lb/>
          <p>Jn keinem Lande konnte daher die Bildnerei<lb/>
gedeihen, wo &#x017F;olche Steinklumpen <hi rendition="#fr">nothwendig</hi><lb/>
waren, wo der Ku&#x0364;n&#x017F;tler, &#x017F;tatt &#x017F;cho&#x0364;ner und edler<lb/>
Ko&#x0364;rper, Matratzen bilden <hi rendition="#fr">mu&#x017F;te.</hi> Jn Morgen-<lb/>
lande, wo man aus &#x017F;ehr guten Gru&#x0364;nden die Ver-<lb/>
hu&#x0364;llung des Ko&#x0364;rpers liebte, wo man ihn als Ge-<lb/>
heimniß betrachtete, von dem nur das Antlitz und<lb/>
&#x017F;eine Boten, Ha&#x0364;nde und Fu&#x0364;ße, &#x017F;ichtbar wa&#x0364;ren, in<lb/>
ihm war keine Bildnerei mo&#x0364;glich, ja im ju&#x0364;di&#x017F;chen<lb/>
Lande gar nicht erlaubt. Bei den Aegyptern ging<lb/>
&#x017F;ie daher, Trotz des hohen Mechani&#x017F;chen der Kun&#x017F;t,<lb/>
einen ganz andern Weg, &#x017F;eitwa&#x0364;rts ab vom Scho&#x0364;-<lb/>
nen. Bei den Ro&#x0364;mern konnte &#x017F;ie auch wegen der<lb/>
Toga und Tunica, Thorax und Paludament &#x017F;ich<lb/>
der Nation nie einverleiben, um ho&#x0364;her zu &#x017F;teigen:<lb/>
&#x017F;ie blieb Griechi&#x017F;ch, oder ging zuru&#x0364;ck. Jn der<lb/>
Ge&#x017F;chichte der Mo&#x0364;nche und Heiligen konnte &#x017F;ie<lb/>
keine Fort&#x017F;chritte thun, denn Mo&#x0364;nch und Nonne<lb/>
waren ver&#x017F;chleiert, der Ku&#x0364;n&#x017F;tler hatte &#x017F;tatt Ko&#x0364;r-<lb/>
per faltige Steindecken zu bilden. Sowohl der<lb/>
Spani&#x017F;chen als un&#x017F;rer Tracht mag &#x017F;ich etwa die<lb/>
Mahlerei, aber wahrlich nicht die Bild&#x017F;a&#x0364;ule er-<lb/>
freuen. Wir haben die Spani&#x017F;che zur Ritter-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Prie&#x017F;ter-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0033] ſten Grade druͤckend! Es iſt kein Schatte, kein Schleier, gar kein Gewand mehr: es iſt ein Fels voll Erhoͤhung und Vertiefung, ein herabhangen- der Klumpe. Thue die Augen zu und taſte, ſo wirſt du das Unding fuͤhlen. Jn keinem Lande konnte daher die Bildnerei gedeihen, wo ſolche Steinklumpen nothwendig waren, wo der Kuͤnſtler, ſtatt ſchoͤner und edler Koͤrper, Matratzen bilden muſte. Jn Morgen- lande, wo man aus ſehr guten Gruͤnden die Ver- huͤllung des Koͤrpers liebte, wo man ihn als Ge- heimniß betrachtete, von dem nur das Antlitz und ſeine Boten, Haͤnde und Fuͤße, ſichtbar waͤren, in ihm war keine Bildnerei moͤglich, ja im juͤdiſchen Lande gar nicht erlaubt. Bei den Aegyptern ging ſie daher, Trotz des hohen Mechaniſchen der Kunſt, einen ganz andern Weg, ſeitwaͤrts ab vom Schoͤ- nen. Bei den Roͤmern konnte ſie auch wegen der Toga und Tunica, Thorax und Paludament ſich der Nation nie einverleiben, um hoͤher zu ſteigen: ſie blieb Griechiſch, oder ging zuruͤck. Jn der Geſchichte der Moͤnche und Heiligen konnte ſie keine Fortſchritte thun, denn Moͤnch und Nonne waren verſchleiert, der Kuͤnſtler hatte ſtatt Koͤr- per faltige Steindecken zu bilden. Sowohl der Spaniſchen als unſrer Tracht mag ſich etwa die Mahlerei, aber wahrlich nicht die Bildſaͤule er- freuen. Wir haben die Spaniſche zur Ritter- Prieſter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/33
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/33>, abgerufen am 28.03.2024.