Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Theile neben einander geben eine Fläche:
Theile nach einander am reinsten und einfachsten
sind Töne. Theile auf einmal in- neben- bei
einander, Körper
oder Formen. Es gibt also
in uns einen Sinn für Flächen, Töne, Formen,
und wenns dabei aufs Schöne ankommt, drei
Sinne für drei Gattungen der Schönheit, die
unterschieden seyn müssen, wie Fläche, Ton,
Körper
. Und wenns Künste gibt, wo jede in
Einer dieser Gattungen arbeitet, so kennen wir
auch ihr Gebiet von außen und innen, Fläche,
Ton, Körper
, wie Gesicht, Gehör, Gefühl.
Dies sind sodann Grenzen, die ihnen die Natur
anwies und keine Verabredung; die also auch keine
Verabredung ändern kann, oder die Natur rächet.
Eine Tonkunst, die mahlen, und eine Mahlerei
die tönen, und eine Bildnerei die färben, und eine
Schilderei die in Stein hauen will, sind lauter
Abarten, ohne oder mit falscher Würkung. Und
alle Drei verhalten sich zu einander, als Fläche,
Ton, Körper
, oder wie Raum, Zeit und Kraft,
die drei grösten Medien der allweiten Schöpfung,
mit denen sie alles fasset, alles umschränket.

Lasset uns sogleich Ein Zwei Folgerungen
sehen, wie sich Bild- und Mahlerei im Ganzen
verhalten.

Jst diese die Kunst fürs Auge, und ists wahr,
daß das Auge nur Fläche, und Alles wie Fläche,

wie
B 5

Theile neben einander geben eine Flaͤche:
Theile nach einander am reinſten und einfachſten
ſind Toͤne. Theile auf einmal in- neben- bei
einander, Koͤrper
oder Formen. Es gibt alſo
in uns einen Sinn fuͤr Flaͤchen, Toͤne, Formen,
und wenns dabei aufs Schoͤne ankommt, drei
Sinne fuͤr drei Gattungen der Schoͤnheit, die
unterſchieden ſeyn muͤſſen, wie Flaͤche, Ton,
Koͤrper
. Und wenns Kuͤnſte gibt, wo jede in
Einer dieſer Gattungen arbeitet, ſo kennen wir
auch ihr Gebiet von außen und innen, Flaͤche,
Ton, Koͤrper
, wie Geſicht, Gehoͤr, Gefuͤhl.
Dies ſind ſodann Grenzen, die ihnen die Natur
anwies und keine Verabredung; die alſo auch keine
Verabredung aͤndern kann, oder die Natur raͤchet.
Eine Tonkunſt, die mahlen, und eine Mahlerei
die toͤnen, und eine Bildnerei die faͤrben, und eine
Schilderei die in Stein hauen will, ſind lauter
Abarten, ohne oder mit falſcher Wuͤrkung. Und
alle Drei verhalten ſich zu einander, als Flaͤche,
Ton, Koͤrper
, oder wie Raum, Zeit und Kraft,
die drei groͤſten Medien der allweiten Schoͤpfung,
mit denen ſie alles faſſet, alles umſchraͤnket.

Laſſet uns ſogleich Ein Zwei Folgerungen
ſehen, wie ſich Bild- und Mahlerei im Ganzen
verhalten.

Jſt dieſe die Kunſt fuͤrs Auge, und iſts wahr,
daß das Auge nur Flaͤche, und Alles wie Flaͤche,

wie
B 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0028" n="25"/>
          <p>Theile <hi rendition="#fr">neben einander</hi> geben eine <hi rendition="#fr">Fla&#x0364;che</hi>:<lb/>
Theile <hi rendition="#fr">nach einander</hi> am rein&#x017F;ten und einfach&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;ind <hi rendition="#fr">To&#x0364;ne</hi>. Theile auf einmal <hi rendition="#fr">in- neben- bei<lb/>
einander, Ko&#x0364;rper</hi> oder <hi rendition="#fr">Formen</hi>. Es gibt al&#x017F;o<lb/>
in uns einen Sinn fu&#x0364;r Fla&#x0364;chen, To&#x0364;ne, Formen,<lb/>
und wenns dabei aufs Scho&#x0364;ne ankommt, drei<lb/>
Sinne fu&#x0364;r drei <hi rendition="#fr">Gattungen der Scho&#x0364;nheit</hi>, die<lb/>
unter&#x017F;chieden &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wie <hi rendition="#fr">Fla&#x0364;che, Ton,<lb/>
Ko&#x0364;rper</hi>. Und wenns Ku&#x0364;n&#x017F;te gibt, wo jede in<lb/>
Einer die&#x017F;er Gattungen arbeitet, &#x017F;o kennen wir<lb/>
auch <hi rendition="#fr">ihr Gebiet</hi> von außen und innen, <hi rendition="#fr">Fla&#x0364;che,<lb/>
Ton, Ko&#x0364;rper</hi>, wie <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;icht, Geho&#x0364;r, Gefu&#x0364;hl</hi>.<lb/>
Dies &#x017F;ind &#x017F;odann Grenzen, die ihnen die <hi rendition="#fr">Natur</hi><lb/>
anwies und keine Verabredung; die al&#x017F;o auch keine<lb/>
Verabredung a&#x0364;ndern kann, oder die Natur ra&#x0364;chet.<lb/>
Eine Tonkun&#x017F;t, die mahlen, und eine Mahlerei<lb/>
die to&#x0364;nen, und eine Bildnerei die fa&#x0364;rben, und eine<lb/>
Schilderei die in Stein hauen will, &#x017F;ind lauter<lb/>
Abarten, ohne oder mit fal&#x017F;cher Wu&#x0364;rkung. Und<lb/>
alle Drei verhalten &#x017F;ich zu einander, als <hi rendition="#fr">Fla&#x0364;che,<lb/>
Ton, Ko&#x0364;rper</hi>, oder wie <hi rendition="#fr">Raum, Zeit</hi> und <hi rendition="#fr">Kraft</hi>,<lb/>
die drei gro&#x0364;&#x017F;ten Medien der allweiten Scho&#x0364;pfung,<lb/>
mit denen &#x017F;ie alles fa&#x017F;&#x017F;et, alles um&#x017F;chra&#x0364;nket.</p><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;et uns &#x017F;ogleich Ein Zwei Folgerungen<lb/>
&#x017F;ehen, wie &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Bild-</hi> und <hi rendition="#fr">Mahlerei im Ganzen</hi><lb/>
verhalten.</p><lb/>
          <p>J&#x017F;t die&#x017F;e die Kun&#x017F;t fu&#x0364;rs Auge, und i&#x017F;ts wahr,<lb/>
daß das Auge nur <hi rendition="#fr">Fla&#x0364;che</hi>, und <hi rendition="#fr">Alles</hi> wie Fla&#x0364;che,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 5</fw><fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0028] Theile neben einander geben eine Flaͤche: Theile nach einander am reinſten und einfachſten ſind Toͤne. Theile auf einmal in- neben- bei einander, Koͤrper oder Formen. Es gibt alſo in uns einen Sinn fuͤr Flaͤchen, Toͤne, Formen, und wenns dabei aufs Schoͤne ankommt, drei Sinne fuͤr drei Gattungen der Schoͤnheit, die unterſchieden ſeyn muͤſſen, wie Flaͤche, Ton, Koͤrper. Und wenns Kuͤnſte gibt, wo jede in Einer dieſer Gattungen arbeitet, ſo kennen wir auch ihr Gebiet von außen und innen, Flaͤche, Ton, Koͤrper, wie Geſicht, Gehoͤr, Gefuͤhl. Dies ſind ſodann Grenzen, die ihnen die Natur anwies und keine Verabredung; die alſo auch keine Verabredung aͤndern kann, oder die Natur raͤchet. Eine Tonkunſt, die mahlen, und eine Mahlerei die toͤnen, und eine Bildnerei die faͤrben, und eine Schilderei die in Stein hauen will, ſind lauter Abarten, ohne oder mit falſcher Wuͤrkung. Und alle Drei verhalten ſich zu einander, als Flaͤche, Ton, Koͤrper, oder wie Raum, Zeit und Kraft, die drei groͤſten Medien der allweiten Schoͤpfung, mit denen ſie alles faſſet, alles umſchraͤnket. Laſſet uns ſogleich Ein Zwei Folgerungen ſehen, wie ſich Bild- und Mahlerei im Ganzen verhalten. Jſt dieſe die Kunſt fuͤrs Auge, und iſts wahr, daß das Auge nur Flaͤche, und Alles wie Flaͤche, wie B 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/28
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/28>, abgerufen am 28.03.2024.