Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Selten sind es auch überraschend-feine und
neue Empfindungen, mit denen sie uns
etwa durchströmen; aufs Neue und Feine
ist in den Hymnen gar nicht gerechnet.
Was ists denn, was uns rühret? Einfalt
und Wahrheit
. Hier tönt die Sprache
eines allgemeinen Bekänntnisses, Eines Her-
zens und Glaubens. Die meisten sind ein-
gerichtet, daß sie alle Tage gesungen wer-
den können und sollen; oder sie sind an
Feste der Jahreszeiten gebunden. Wie diese
wieder kommen, kommt in ewiger Umwäl-
zung auch ihr christliches Bekänntniß
wieder. Zu fein ist in den Hymnen keine
Empfindung, keine Pflicht, kein Trost ge-
griffen: es herrscht in ihnen allen ein
allgemeiner populärer Inhalt in
großen Accenten. Wer in einem Te Deum
oder Salve regina neue Gedanken sucht,
sucht sie an unrechtem Orte; eben das

Selten ſind es auch uͤberraſchend-feine und
neue Empfindungen, mit denen ſie uns
etwa durchſtroͤmen; aufs Neue und Feine
iſt in den Hymnen gar nicht gerechnet.
Was iſts denn, was uns ruͤhret? Einfalt
und Wahrheit
. Hier toͤnt die Sprache
eines allgemeinen Bekaͤnntniſſes, Eines Her-
zens und Glaubens. Die meiſten ſind ein-
gerichtet, daß ſie alle Tage geſungen wer-
den koͤnnen und ſollen; oder ſie ſind an
Feſte der Jahreszeiten gebunden. Wie dieſe
wieder kommen, kommt in ewiger Umwaͤl-
zung auch ihr chriſtliches Bekaͤnntniß
wieder. Zu fein iſt in den Hymnen keine
Empfindung, keine Pflicht, kein Troſt ge-
griffen: es herrſcht in ihnen allen ein
allgemeiner populaͤrer Inhalt in
großen Accenten. Wer in einem Te Deum
oder Salve regina neue Gedanken ſucht,
ſucht ſie an unrechtem Orte; eben das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="28"/>
Selten &#x017F;ind es auch u&#x0364;berra&#x017F;chend-feine und<lb/>
neue <hi rendition="#g">Empfindungen</hi>, mit denen &#x017F;ie uns<lb/>
etwa durch&#x017F;tro&#x0364;men; aufs Neue und Feine<lb/>
i&#x017F;t in den Hymnen gar nicht gerechnet.<lb/>
Was i&#x017F;ts denn, was uns ru&#x0364;hret? <hi rendition="#g">Einfalt<lb/>
und Wahrheit</hi>. Hier to&#x0364;nt die Sprache<lb/>
eines allgemeinen Beka&#x0364;nntni&#x017F;&#x017F;es, Eines Her-<lb/>
zens und Glaubens. Die mei&#x017F;ten &#x017F;ind ein-<lb/>
gerichtet, daß &#x017F;ie alle Tage ge&#x017F;ungen wer-<lb/>
den ko&#x0364;nnen und &#x017F;ollen; oder &#x017F;ie &#x017F;ind an<lb/>
Fe&#x017F;te der Jahreszeiten gebunden. Wie die&#x017F;e<lb/>
wieder kommen, kommt in ewiger Umwa&#x0364;l-<lb/>
zung auch ihr <hi rendition="#g">chri&#x017F;tliches Beka&#x0364;nntniß</hi><lb/>
wieder. Zu fein i&#x017F;t in den Hymnen keine<lb/>
Empfindung, keine Pflicht, kein Tro&#x017F;t ge-<lb/>
griffen: es herr&#x017F;cht in ihnen allen ein<lb/><hi rendition="#g">allgemeiner popula&#x0364;rer Inhalt</hi> in<lb/>
großen Accenten. Wer in einem <hi rendition="#aq">Te Deum</hi><lb/>
oder <hi rendition="#aq">Salve regina</hi> neue Gedanken &#x017F;ucht,<lb/>
&#x017F;ucht &#x017F;ie an unrechtem Orte; eben das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0045] Selten ſind es auch uͤberraſchend-feine und neue Empfindungen, mit denen ſie uns etwa durchſtroͤmen; aufs Neue und Feine iſt in den Hymnen gar nicht gerechnet. Was iſts denn, was uns ruͤhret? Einfalt und Wahrheit. Hier toͤnt die Sprache eines allgemeinen Bekaͤnntniſſes, Eines Her- zens und Glaubens. Die meiſten ſind ein- gerichtet, daß ſie alle Tage geſungen wer- den koͤnnen und ſollen; oder ſie ſind an Feſte der Jahreszeiten gebunden. Wie dieſe wieder kommen, kommt in ewiger Umwaͤl- zung auch ihr chriſtliches Bekaͤnntniß wieder. Zu fein iſt in den Hymnen keine Empfindung, keine Pflicht, kein Troſt ge- griffen: es herrſcht in ihnen allen ein allgemeiner populaͤrer Inhalt in großen Accenten. Wer in einem Te Deum oder Salve regina neue Gedanken ſucht, ſucht ſie an unrechtem Orte; eben das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/45
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/45>, abgerufen am 28.03.2024.