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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

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können ihm gebieten; er fühlet nichts von
jener innern Seelenruhe, die auch im Ge-
gengewicht und Kampf lebendiger Kräfte,
vermöge der Symmetrie und Eurythmie
des Körpers und der in ihr sanft-ergosse-
nen Seele auf sich selbst haftet.

Aber wie soll ich das freundliche
Beisammenseyn
der griechischen Kör-
per und Seelen unter und mit einander
bezeichnen? Jene Ruhe, mit der sie ein-
ander anschaun und hören? Die Ueberre-
dung wohnet auf ihrer Lippe, ob man
gleich kein Wort vernimmt; es ist Ein ge-
genwärtiger Geist, der den Hörenden
und Sprechenden bindet. Und wenn ih-
re Hände einander berühren, wenn dieser
sanfte Arm auf der Schulter, oder nur
das Auge auf dem Anblick des andern ru-
het; welche süße Harmonie, welche liebende
Anhänglichkeit offenbaret sich zwischen Bei-

koͤnnen ihm gebieten; er fuͤhlet nichts von
jener innern Seelenruhe, die auch im Ge-
gengewicht und Kampf lebendiger Kraͤfte,
vermoͤge der Symmetrie und Eurythmie
des Koͤrpers und der in ihr ſanft-ergoſſe-
nen Seele auf ſich ſelbſt haftet.

Aber wie ſoll ich das freundliche
Beiſammenſeyn
der griechiſchen Koͤr-
per und Seelen unter und mit einander
bezeichnen? Jene Ruhe, mit der ſie ein-
ander anſchaun und hoͤren? Die Ueberre-
dung wohnet auf ihrer Lippe, ob man
gleich kein Wort vernimmt; es iſt Ein ge-
genwaͤrtiger Geiſt, der den Hoͤrenden
und Sprechenden bindet. Und wenn ih-
re Haͤnde einander beruͤhren, wenn dieſer
ſanfte Arm auf der Schulter, oder nur
das Auge auf dem Anblick des andern ru-
het; welche ſuͤße Harmonie, welche liebende
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[90/0105] koͤnnen ihm gebieten; er fuͤhlet nichts von jener innern Seelenruhe, die auch im Ge- gengewicht und Kampf lebendiger Kraͤfte, vermoͤge der Symmetrie und Eurythmie des Koͤrpers und der in ihr ſanft-ergoſſe- nen Seele auf ſich ſelbſt haftet. Aber wie ſoll ich das freundliche Beiſammenſeyn der griechiſchen Koͤr- per und Seelen unter und mit einander bezeichnen? Jene Ruhe, mit der ſie ein- ander anſchaun und hoͤren? Die Ueberre- dung wohnet auf ihrer Lippe, ob man gleich kein Wort vernimmt; es iſt Ein ge- genwaͤrtiger Geiſt, der den Hoͤrenden und Sprechenden bindet. Und wenn ih- re Haͤnde einander beruͤhren, wenn dieſer ſanfte Arm auf der Schulter, oder nur das Auge auf dem Anblick des andern ru- het; welche ſuͤße Harmonie, welche liebende Anhaͤnglichkeit offenbaret ſich zwiſchen Bei-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/105>, abgerufen am 25.04.2024.