Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

des Schicksals uns wenigstens Blüthen vom Geist dieser
Völker herüber geweht hätte, um durch Einimpfung des
schönen Zweiges in wilde Stämme mit der Zeit den unsern
zu veredeln.

IV.
Organisation der Afrikanischen Völker.


Billig müssen wir, wenn wir zum Lande der Schwarzen
übergehn, unsre stolzen Vorurtheile verläugnen und die Or-
ganisation ihres Erdstrichs so unpartheiisch betrachten, als
ob sie die einzige in der Welt wäre. Mit eben dem Recht,
mit dem wir den Neger für einen verfluchten Sohn des
Chams und für ein Ebenbild des Unholds halten, kann er
seine grausame Räuber für Albinos und weiße Satane er-
klären, die nur aus Schwachheit der Natur so entartet sind,
wie, dem Nordpol nahe, mehrere Thiere in Weiß ausar-
ten. Jch, könnte er sagen, ich der Schwarze bin Urmensch.
Mich hat der Quell des Lebens, die Sonne, am stärksten ge-
tränkt, bei mir und überall um mich her hat er am lebendigsten,
am tiefsten gewirket. Sehet mein Gold- mein Fruchtreiches

Land,

des Schickſals uns wenigſtens Bluͤthen vom Geiſt dieſer
Voͤlker heruͤber geweht haͤtte, um durch Einimpfung des
ſchoͤnen Zweiges in wilde Staͤmme mit der Zeit den unſern
zu veredeln.

IV.
Organiſation der Afrikaniſchen Voͤlker.


Billig muͤſſen wir, wenn wir zum Lande der Schwarzen
uͤbergehn, unſre ſtolzen Vorurtheile verlaͤugnen und die Or-
ganiſation ihres Erdſtrichs ſo unpartheiiſch betrachten, als
ob ſie die einzige in der Welt waͤre. Mit eben dem Recht,
mit dem wir den Neger fuͤr einen verfluchten Sohn des
Chams und fuͤr ein Ebenbild des Unholds halten, kann er
ſeine grauſame Raͤuber fuͤr Albinos und weiße Satane er-
klaͤren, die nur aus Schwachheit der Natur ſo entartet ſind,
wie, dem Nordpol nahe, mehrere Thiere in Weiß ausar-
ten. Jch, koͤnnte er ſagen, ich der Schwarze bin Urmenſch.
Mich hat der Quell des Lebens, die Sonne, am ſtaͤrkſten ge-
traͤnkt, bei mir und uͤberall um mich her hat er am lebendigſten,
am tiefſten gewirket. Sehet mein Gold- mein Fruchtreiches

Land,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="34"/>
des Schick&#x017F;als uns wenig&#x017F;tens Blu&#x0364;then vom Gei&#x017F;t die&#x017F;er<lb/>
Vo&#x0364;lker heru&#x0364;ber geweht ha&#x0364;tte, um durch Einimpfung des<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Zweiges in wilde Sta&#x0364;mme mit der Zeit den un&#x017F;ern<lb/>
zu veredeln.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/>
Organi&#x017F;ation der Afrikani&#x017F;chen Vo&#x0364;lker.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#in">B</hi>illig mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir, wenn wir zum Lande der Schwarzen<lb/>
u&#x0364;bergehn, un&#x017F;re &#x017F;tolzen Vorurtheile verla&#x0364;ugnen und die Or-<lb/>
gani&#x017F;ation ihres Erd&#x017F;trichs &#x017F;o unpartheii&#x017F;ch betrachten, als<lb/>
ob &#x017F;ie die einzige in der Welt wa&#x0364;re. Mit eben dem Recht,<lb/>
mit dem wir den Neger fu&#x0364;r einen verfluchten Sohn des<lb/>
Chams und fu&#x0364;r ein Ebenbild des Unholds halten, kann er<lb/>
&#x017F;eine grau&#x017F;ame Ra&#x0364;uber fu&#x0364;r Albinos und weiße Satane er-<lb/>
kla&#x0364;ren, die nur aus Schwachheit der Natur &#x017F;o entartet &#x017F;ind,<lb/>
wie, dem Nordpol nahe, mehrere Thiere in Weiß ausar-<lb/>
ten. Jch, ko&#x0364;nnte er &#x017F;agen, ich der Schwarze bin Urmen&#x017F;ch.<lb/>
Mich hat der Quell des Lebens, die Sonne, am &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten ge-<lb/>
tra&#x0364;nkt, bei mir und u&#x0364;berall um mich her hat er am lebendig&#x017F;ten,<lb/>
am tief&#x017F;ten gewirket. Sehet mein Gold- mein Fruchtreiches<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Land,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0046] des Schickſals uns wenigſtens Bluͤthen vom Geiſt dieſer Voͤlker heruͤber geweht haͤtte, um durch Einimpfung des ſchoͤnen Zweiges in wilde Staͤmme mit der Zeit den unſern zu veredeln. IV. Organiſation der Afrikaniſchen Voͤlker. Billig muͤſſen wir, wenn wir zum Lande der Schwarzen uͤbergehn, unſre ſtolzen Vorurtheile verlaͤugnen und die Or- ganiſation ihres Erdſtrichs ſo unpartheiiſch betrachten, als ob ſie die einzige in der Welt waͤre. Mit eben dem Recht, mit dem wir den Neger fuͤr einen verfluchten Sohn des Chams und fuͤr ein Ebenbild des Unholds halten, kann er ſeine grauſame Raͤuber fuͤr Albinos und weiße Satane er- klaͤren, die nur aus Schwachheit der Natur ſo entartet ſind, wie, dem Nordpol nahe, mehrere Thiere in Weiß ausar- ten. Jch, koͤnnte er ſagen, ich der Schwarze bin Urmenſch. Mich hat der Quell des Lebens, die Sonne, am ſtaͤrkſten ge- traͤnkt, bei mir und uͤberall um mich her hat er am lebendigſten, am tiefſten gewirket. Sehet mein Gold- mein Fruchtreiches Land,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/46
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/46>, abgerufen am 25.04.2024.