Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite
Schöne Göttin,
Königstochter!
Und nun träufelst
Du uns Regen,
Milden Regen!
Doch oft streuest
Du auch Flocken
Und auch Schlossen!
Denn so hat dir
Er der Weltgeist!
Er der Weltgott!
Virakocha!
Macht gegeben
Amt gegeben!

Als Weisheit habe ich das Liedchen nicht
angeführt: denn Sie wissen, in welchem Ruf
die dummen Peruaner stehen? ich rede von
Symmetrie des Rhythmus, des Sangbaren,
und da arbeitet meine Nachbildung dem Ori-
ginal so matt und schwach nach.

Sie kennen das Kleistische Lied eines
Lappländers, und die Hand dieses braven Man-
nes konnte für uns gewiß nicht anders, als
verschönern: aber wenn ich Jhnen nun den ro-
hen Lappländer gäbe? -- wenigstens aus der
dritten Hand, denn ich habe Scheffer nicht
bey mir:

O Sonne, dein hellester Schimmer beglänze
den Orra See!
Jch würde den Fichtengipfel ersteigen, könnt' ich
schauen den Orra-See!
Jch
B 4
Schoͤne Goͤttin,
Koͤnigstochter!
Und nun traͤufelſt
Du uns Regen,
Milden Regen!
Doch oft ſtreueſt
Du auch Flocken
Und auch Schloſſen!
Denn ſo hat dir
Er der Weltgeiſt!
Er der Weltgott!
Virakocha!
Macht gegeben
Amt gegeben!

Als Weisheit habe ich das Liedchen nicht
angefuͤhrt: denn Sie wiſſen, in welchem Ruf
die dummen Peruaner ſtehen? ich rede von
Symmetrie des Rhythmus, des Sangbaren,
und da arbeitet meine Nachbildung dem Ori-
ginal ſo matt und ſchwach nach.

Sie kennen das Kleiſtiſche Lied eines
Lapplaͤnders, und die Hand dieſes braven Man-
nes konnte fuͤr uns gewiß nicht anders, als
verſchoͤnern: aber wenn ich Jhnen nun den ro-
hen Lapplaͤnder gaͤbe? — wenigſtens aus der
dritten Hand, denn ich habe Scheffer nicht
bey mir:

O Sonne, dein helleſter Schimmer beglaͤnze
den Orra See!
Jch wuͤrde den Fichtengipfel erſteigen, koͤnnt’ ich
ſchauen den Orra-See!
Jch
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0027" n="23"/>
              <l> <hi rendition="#fr">Scho&#x0364;ne Go&#x0364;ttin,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;nigstochter!</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Und nun tra&#x0364;ufel&#x017F;t</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Du uns Regen,</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Milden Regen!</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Doch oft &#x017F;treue&#x017F;t</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Du auch Flocken</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Und auch Schlo&#x017F;&#x017F;en!</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Denn &#x017F;o hat dir</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Er der Weltgei&#x017F;t!</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Er der Weltgott!</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Virakocha!</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Macht gegeben</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr">Amt gegeben!</hi> </l>
            </lg>
          </quote>
          <bibl/>
        </cit><lb/>
        <p>Als Weisheit habe ich das Liedchen nicht<lb/>
angefu&#x0364;hrt: denn Sie wi&#x017F;&#x017F;en, in welchem Ruf<lb/>
die dummen Peruaner &#x017F;tehen? ich rede von<lb/>
Symmetrie des Rhythmus, des Sangbaren,<lb/>
und da arbeitet meine Nachbildung dem Ori-<lb/>
ginal &#x017F;o matt und &#x017F;chwach nach.</p><lb/>
        <p>Sie kennen das <hi rendition="#fr">Klei&#x017F;ti&#x017F;che Lied</hi> eines<lb/>
Lappla&#x0364;nders, und die Hand die&#x017F;es braven Man-<lb/>
nes konnte fu&#x0364;r uns gewiß nicht anders, als<lb/>
ver&#x017F;cho&#x0364;nern: aber wenn ich Jhnen nun den ro-<lb/>
hen Lappla&#x0364;nder ga&#x0364;be? &#x2014; wenig&#x017F;tens aus der<lb/>
dritten Hand, denn ich habe <hi rendition="#fr">Scheffer</hi> nicht<lb/>
bey mir:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l> <hi rendition="#fr">O Sonne, dein helle&#x017F;ter Schimmer begla&#x0364;nze</hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">den Orra See!</hi> </hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Jch wu&#x0364;rde den Fichtengipfel er&#x017F;teigen, ko&#x0364;nnt&#x2019; ich</hi> </hi> </l><lb/>
              <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">&#x017F;chauen den Orra-See!</hi> </hi> </hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">B 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Jch</hi> </fw><lb/>
            </lg>
          </quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0027] Schoͤne Goͤttin, Koͤnigstochter! Und nun traͤufelſt Du uns Regen, Milden Regen! Doch oft ſtreueſt Du auch Flocken Und auch Schloſſen! Denn ſo hat dir Er der Weltgeiſt! Er der Weltgott! Virakocha! Macht gegeben Amt gegeben! Als Weisheit habe ich das Liedchen nicht angefuͤhrt: denn Sie wiſſen, in welchem Ruf die dummen Peruaner ſtehen? ich rede von Symmetrie des Rhythmus, des Sangbaren, und da arbeitet meine Nachbildung dem Ori- ginal ſo matt und ſchwach nach. Sie kennen das Kleiſtiſche Lied eines Lapplaͤnders, und die Hand dieſes braven Man- nes konnte fuͤr uns gewiß nicht anders, als verſchoͤnern: aber wenn ich Jhnen nun den ro- hen Lapplaͤnder gaͤbe? — wenigſtens aus der dritten Hand, denn ich habe Scheffer nicht bey mir: O Sonne, dein helleſter Schimmer beglaͤnze den Orra See! Jch wuͤrde den Fichtengipfel erſteigen, koͤnnt’ ich ſchauen den Orra-See! Jch B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/27
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/27>, abgerufen am 29.03.2024.