Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

dem er also auch unverbesserlich handle; aber er
hat freien Raum, sich an vielem zu üben, mithin
sich immer zu verbessern. Jeder Gedanke ist nicht
ein unmittelbares Werk der Natur, aber eben da-
mit kanns sein eigen Werk werden.

Wenn also hiermit der Jnstinkt wegfallen
muß, der blos aus der Organisation der Sinne
und dem Bezirk der Vorstellungen folgte, und
keine blinde Determination war; so bekommt eben
hiemit der Mensch, "mehrere Helle." Da er
auf keinen Punkt blind fällt und blind liegen bleibt:
so wird er freistehend, kann sich eine Sphäre der
Bespiegelung suchen, kann sich in sich bespiegeln.
Nicht mehr eine unfehlbare Maschine in den
Händen der Natur, wird er sich selbst Zweck und
Ziel der Bearbeitung.

Man nenne diese ganze Disposition seiner Kräf-
te, wie man wolle, Verstand, Vernunft, Besin-
nung u. s. w. Wenn man diese Namen nicht für
abgesonderte Kräfte, oder für bloße Stuffenerhö-
hungen der Thierkräfte annimmt: so gilts mir
gleich. Es ist die "ganze Einrichtung aller
"menschlichen Kräfte; die ganze Haushal-

"tung

dem er alſo auch unverbeſſerlich handle; aber er
hat freien Raum, ſich an vielem zu uͤben, mithin
ſich immer zu verbeſſern. Jeder Gedanke iſt nicht
ein unmittelbares Werk der Natur, aber eben da-
mit kanns ſein eigen Werk werden.

Wenn alſo hiermit der Jnſtinkt wegfallen
muß, der blos aus der Organiſation der Sinne
und dem Bezirk der Vorſtellungen folgte, und
keine blinde Determination war; ſo bekommt eben
hiemit der Menſch, „mehrere Helle.„ Da er
auf keinen Punkt blind faͤllt und blind liegen bleibt:
ſo wird er freiſtehend, kann ſich eine Sphaͤre der
Beſpiegelung ſuchen, kann ſich in ſich beſpiegeln.
Nicht mehr eine unfehlbare Maſchine in den
Haͤnden der Natur, wird er ſich ſelbſt Zweck und
Ziel der Bearbeitung.

Man nenne dieſe ganze Diſpoſition ſeiner Kraͤf-
te, wie man wolle, Verſtand, Vernunft, Beſin-
nung u. ſ. w. Wenn man dieſe Namen nicht fuͤr
abgeſonderte Kraͤfte, oder fuͤr bloße Stuffenerhoͤ-
hungen der Thierkraͤfte annimmt: ſo gilts mir
gleich. Es iſt die „ganze Einrichtung aller
„menſchlichen Kraͤfte; die ganze Haushal-

„tung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="42"/>
dem er al&#x017F;o auch unverbe&#x017F;&#x017F;erlich handle; aber er<lb/>
hat freien Raum, &#x017F;ich an vielem zu u&#x0364;ben, mithin<lb/>
&#x017F;ich immer zu verbe&#x017F;&#x017F;ern. Jeder Gedanke i&#x017F;t nicht<lb/>
ein unmittelbares Werk der Natur, aber eben da-<lb/>
mit kanns &#x017F;ein eigen Werk werden.</p><lb/>
          <p>Wenn al&#x017F;o hiermit <hi rendition="#fr">der Jn&#x017F;tinkt</hi> wegfallen<lb/>
muß, der blos aus der Organi&#x017F;ation der Sinne<lb/>
und dem Bezirk der Vor&#x017F;tellungen folgte, und<lb/>
keine blinde Determination war; &#x017F;o bekommt eben<lb/>
hiemit der Men&#x017F;ch, &#x201E;<hi rendition="#fr">mehrere Helle.</hi>&#x201E; Da er<lb/>
auf keinen Punkt blind fa&#x0364;llt und blind liegen bleibt:<lb/>
&#x017F;o wird er frei&#x017F;tehend, kann &#x017F;ich eine Spha&#x0364;re der<lb/>
Be&#x017F;piegelung &#x017F;uchen, kann &#x017F;ich in &#x017F;ich be&#x017F;piegeln.<lb/>
Nicht mehr eine unfehlbare Ma&#x017F;chine in den<lb/>
Ha&#x0364;nden der Natur, wird er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t Zweck und<lb/>
Ziel der Bearbeitung.</p><lb/>
          <p>Man nenne die&#x017F;e ganze Di&#x017F;po&#x017F;ition &#x017F;einer Kra&#x0364;f-<lb/>
te, wie man wolle, Ver&#x017F;tand, Vernunft, Be&#x017F;in-<lb/>
nung u. &#x017F;. w. Wenn man die&#x017F;e Namen nicht fu&#x0364;r<lb/>
abge&#x017F;onderte Kra&#x0364;fte, oder fu&#x0364;r bloße Stuffenerho&#x0364;-<lb/>
hungen der Thierkra&#x0364;fte annimmt: &#x017F;o gilts mir<lb/>
gleich. Es i&#x017F;t die &#x201E;<hi rendition="#fr">ganze Einrichtung aller<lb/>
&#x201E;men&#x017F;chlichen Kra&#x0364;fte; die ganze Haushal-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">&#x201E;tung</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0048] dem er alſo auch unverbeſſerlich handle; aber er hat freien Raum, ſich an vielem zu uͤben, mithin ſich immer zu verbeſſern. Jeder Gedanke iſt nicht ein unmittelbares Werk der Natur, aber eben da- mit kanns ſein eigen Werk werden. Wenn alſo hiermit der Jnſtinkt wegfallen muß, der blos aus der Organiſation der Sinne und dem Bezirk der Vorſtellungen folgte, und keine blinde Determination war; ſo bekommt eben hiemit der Menſch, „mehrere Helle.„ Da er auf keinen Punkt blind faͤllt und blind liegen bleibt: ſo wird er freiſtehend, kann ſich eine Sphaͤre der Beſpiegelung ſuchen, kann ſich in ſich beſpiegeln. Nicht mehr eine unfehlbare Maſchine in den Haͤnden der Natur, wird er ſich ſelbſt Zweck und Ziel der Bearbeitung. Man nenne dieſe ganze Diſpoſition ſeiner Kraͤf- te, wie man wolle, Verſtand, Vernunft, Beſin- nung u. ſ. w. Wenn man dieſe Namen nicht fuͤr abgeſonderte Kraͤfte, oder fuͤr bloße Stuffenerhoͤ- hungen der Thierkraͤfte annimmt: ſo gilts mir gleich. Es iſt die „ganze Einrichtung aller „menſchlichen Kraͤfte; die ganze Haushal- „tung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/48
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/48>, abgerufen am 23.04.2024.