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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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"Zeichen: Geschrei der Empfindungen wars also
"(§. 5.) was die Seelenkräfte entwickelt ha[t]: Ge-
"schrei der Empfindungen, das ihnen die Gewohn-
"heit gegeben, Jdeen mit willkührlichen Zeichen
"zu verbinden (§. 6.) Geschrei der Empfindun-
"gen, das Jhnen zum Muster diente, sich eine
"neue Sprache zu machen, neue Schälle zu arti-
"kuliren, sich zu gewöhnen, die Sachen mit Na-
"men zu bezeichnen" -- Jch wiederhole alle diese
Wiederholungen, und begreiffe von ihnen nichts.
Endlich, nachdem der Verfasser auf diesen kindi-
schen Ursprung der Sprache, die Prosodie, Dekla-
mation, Musik, Tanz und Poesie der alten Spra-
chen gebauet, und mit unter gute Anmerkungen
vorgetragen, die aber zu unserm Zwecke nichts thun:
so faßt er den Faden wieder an: "um zu begreiffen
"(§. 80.) wie die Menschen unter sich über den
"Sinn der ersten Worte Eins geworden, die sie
"brauchen wollten, ist genug, wenn man bemerkt,
"daß sie sie in Umständen aussprachen, wo jeder
"verbunden war, sie mit den nemlichen Jdeen zu
"verbinden u. s. w." Kurz es entstanden Worte,
weil Worte da waren ehe sie da waren -- mich

dünkt,

„Zeichen: Geſchrei der Empfindungen wars alſo
„(§. 5.) was die Seelenkraͤfte entwickelt ha[t]: Ge-
„ſchrei der Empfindungen, das ihnen die Gewohn-
„heit gegeben, Jdeen mit willkuͤhrlichen Zeichen
„zu verbinden (§. 6.) Geſchrei der Empfindun-
„gen, das Jhnen zum Muſter diente, ſich eine
„neue Sprache zu machen, neue Schaͤlle zu arti-
„kuliren, ſich zu gewoͤhnen, die Sachen mit Na-
„men zu bezeichnen„ — Jch wiederhole alle dieſe
Wiederholungen, und begreiffe von ihnen nichts.
Endlich, nachdem der Verfaſſer auf dieſen kindi-
ſchen Urſprung der Sprache, die Proſodie, Dekla-
mation, Muſik, Tanz und Poeſie der alten Spra-
chen gebauet, und mit unter gute Anmerkungen
vorgetragen, die aber zu unſerm Zwecke nichts thun:
ſo faßt er den Faden wieder an: „um zu begreiffen
„(§. 80.) wie die Menſchen unter ſich uͤber den
„Sinn der erſten Worte Eins geworden, die ſie
„brauchen wollten, iſt genug, wenn man bemerkt,
„daß ſie ſie in Umſtaͤnden ausſprachen, wo jeder
„verbunden war, ſie mit den nemlichen Jdeen zu
„verbinden u. ſ. w.„ Kurz es entſtanden Worte,
weil Worte da waren ehe ſie da waren — mich

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[27/0033] „Zeichen: Geſchrei der Empfindungen wars alſo „(§. 5.) was die Seelenkraͤfte entwickelt hat: Ge- „ſchrei der Empfindungen, das ihnen die Gewohn- „heit gegeben, Jdeen mit willkuͤhrlichen Zeichen „zu verbinden (§. 6.) Geſchrei der Empfindun- „gen, das Jhnen zum Muſter diente, ſich eine „neue Sprache zu machen, neue Schaͤlle zu arti- „kuliren, ſich zu gewoͤhnen, die Sachen mit Na- „men zu bezeichnen„ — Jch wiederhole alle dieſe Wiederholungen, und begreiffe von ihnen nichts. Endlich, nachdem der Verfaſſer auf dieſen kindi- ſchen Urſprung der Sprache, die Proſodie, Dekla- mation, Muſik, Tanz und Poeſie der alten Spra- chen gebauet, und mit unter gute Anmerkungen vorgetragen, die aber zu unſerm Zwecke nichts thun: ſo faßt er den Faden wieder an: „um zu begreiffen „(§. 80.) wie die Menſchen unter ſich uͤber den „Sinn der erſten Worte Eins geworden, die ſie „brauchen wollten, iſt genug, wenn man bemerkt, „daß ſie ſie in Umſtaͤnden ausſprachen, wo jeder „verbunden war, ſie mit den nemlichen Jdeen zu „verbinden u. ſ. w.„ Kurz es entſtanden Worte, weil Worte da waren ehe ſie da waren — mich duͤnkt,

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/33>, abgerufen am 24.04.2024.