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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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im Stande sind, diesen Reiz zu empfinden, wer-
den das vorliegende Buch nicht darum der Ver-
kleinerungssucht beschuldigen, weil es, seinem
Hauptzwecke gemäss, der Vernunftkritik beynahe
Schritt für Schritt auf dem Fusse folgen musste.

Im Allgemeinen wird dieser zweyte Theil
meiner Arbeit einer weit grössern Menge von
Lesern zugänglich seyn, als der erste, dessen
Metaphysik und Mathematik nur auf einen klei-
nen Kreis rechnen kann. Wenn man es nicht
verschmäht, durch Seiten- und Hinter-Thüren
in ein Gebäude einzugehen, dessen Hauptein-
gang eine etwas steile Treppe unvermeidlich for-
derte: so wird man solcher Nebenthüren hier
eine grosse Menge antreffen. Denn hier ist von
sehr bekannten Gegenständen die Rede; und
man wird die Bemühung des Verfassers nicht
verkennen, durch auffallende, aus der Mitte der
Erfahrung gegriffene Züge dasjenige deutlich
vor Augen zu stellen, was der Analyse sollte
unterworfen werden. Freylich verträgt auch die-
ser Theil nicht das gedankenlose, halb träu-
mende Lesen, woran Manche durch eine Un-
zahl von schlechten Büchern, die nicht anders
gelesen werden können, sich gewöhnt haben;
wie sie durch ihre ewigen Misverständnisse ver-
rathen. Aber hinweggesehen von Denen, die
von philosophischen Schriften nur die äussern
Umrisse sehn, und den Ton hören wollen: giebt
es doch immer noch eine Menge von achtungs-
werthen Männern, welche zum Verstehen so-
wohl den Willen als die Kraft besitzen, und de-
nen an der Sache gelegen ist! Diese nun er-
suche ich, zu bedenken, dass die natürliche Ver-

im Stande sind, diesen Reiz zu empfinden, wer-
den das vorliegende Buch nicht darum der Ver-
kleinerungssucht beschuldigen, weil es, seinem
Hauptzwecke gemäſs, der Vernunftkritik beynahe
Schritt für Schritt auf dem Fuſse folgen muſste.

Im Allgemeinen wird dieser zweyte Theil
meiner Arbeit einer weit gröſsern Menge von
Lesern zugänglich seyn, als der erste, dessen
Metaphysik und Mathematik nur auf einen klei-
nen Kreis rechnen kann. Wenn man es nicht
verschmäht, durch Seiten- und Hinter-Thüren
in ein Gebäude einzugehen, dessen Hauptein-
gang eine etwas steile Treppe unvermeidlich for-
derte: so wird man solcher Nebenthüren hier
eine groſse Menge antreffen. Denn hier ist von
sehr bekannten Gegenständen die Rede; und
man wird die Bemühung des Verfassers nicht
verkennen, durch auffallende, aus der Mitte der
Erfahrung gegriffene Züge dasjenige deutlich
vor Augen zu stellen, was der Analyse sollte
unterworfen werden. Freylich verträgt auch die-
ser Theil nicht das gedankenlose, halb träu-
mende Lesen, woran Manche durch eine Un-
zahl von schlechten Büchern, die nicht anders
gelesen werden können, sich gewöhnt haben;
wie sie durch ihre ewigen Misverständnisse ver-
rathen. Aber hinweggesehen von Denen, die
von philosophischen Schriften nur die äuſsern
Umrisse sehn, und den Ton hören wollen: giebt
es doch immer noch eine Menge von achtungs-
werthen Männern, welche zum Verstehen so-
wohl den Willen als die Kraft besitzen, und de-
nen an der Sache gelegen ist! Diese nun er-
suche ich, zu bedenken, daſs die natürliche Ver-

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[XXI/0028] im Stande sind, diesen Reiz zu empfinden, wer- den das vorliegende Buch nicht darum der Ver- kleinerungssucht beschuldigen, weil es, seinem Hauptzwecke gemäſs, der Vernunftkritik beynahe Schritt für Schritt auf dem Fuſse folgen muſste. Im Allgemeinen wird dieser zweyte Theil meiner Arbeit einer weit gröſsern Menge von Lesern zugänglich seyn, als der erste, dessen Metaphysik und Mathematik nur auf einen klei- nen Kreis rechnen kann. Wenn man es nicht verschmäht, durch Seiten- und Hinter-Thüren in ein Gebäude einzugehen, dessen Hauptein- gang eine etwas steile Treppe unvermeidlich for- derte: so wird man solcher Nebenthüren hier eine groſse Menge antreffen. Denn hier ist von sehr bekannten Gegenständen die Rede; und man wird die Bemühung des Verfassers nicht verkennen, durch auffallende, aus der Mitte der Erfahrung gegriffene Züge dasjenige deutlich vor Augen zu stellen, was der Analyse sollte unterworfen werden. Freylich verträgt auch die- ser Theil nicht das gedankenlose, halb träu- mende Lesen, woran Manche durch eine Un- zahl von schlechten Büchern, die nicht anders gelesen werden können, sich gewöhnt haben; wie sie durch ihre ewigen Misverständnisse ver- rathen. Aber hinweggesehen von Denen, die von philosophischen Schriften nur die äuſsern Umrisse sehn, und den Ton hören wollen: giebt es doch immer noch eine Menge von achtungs- werthen Männern, welche zum Verstehen so- wohl den Willen als die Kraft besitzen, und de- nen an der Sache gelegen ist! Diese nun er- suche ich, zu bedenken, daſs die natürliche Ver-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. XXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/28>, abgerufen am 29.03.2024.