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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

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Die vorderen Mönche gingen mit gekreuzten
Armen, ernsthaft schweigend; aber die mit den
hohen Mützen sangen einen gar unglücklichen Ge¬
sang, so näselnd, so schlürfend, so kollerend, daß
ich überzeugt bin: wären die Juden die größere
Volksmenge, und ihre Religion wäre die Staats¬
religion, so würde man obiges Gesinge mit dem
Namen "Mauscheln" bezeichnen. Glücklicherweise
konnte man es nur zur Hälfte vernehmen, indem
hinter der Prozession, mit lautem Trommeln und
Pfeifen, mehrere Compagnien Militär einherzogen,
so wie überhaupt an beiden Seiten neben den
wallenden Geistlichen, auch immer je zwey und
zwey Grenadiere marschierten. Es waren fast mehr
Soldaten als Geistliche; aber zur Unterstützung
der Religion gehören heut zu Tage viel Bajo¬
nette, und wenn gar der Segen gegeben wird,
dann müssen in der Ferne auch die Kanonen be¬
deutungsvoll donnern.

Wenn ich eine solche Prozession sehe, wo

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Die vorderen Moͤnche gingen mit gekreuzten
Armen, ernſthaft ſchweigend; aber die mit den
hohen Muͤtzen ſangen einen gar ungluͤcklichen Ge¬
ſang, ſo naͤſelnd, ſo ſchluͤrfend, ſo kollerend, daß
ich uͤberzeugt bin: waͤren die Juden die groͤßere
Volksmenge, und ihre Religion waͤre die Staats¬
religion, ſo wuͤrde man obiges Geſinge mit dem
Namen „Mauſcheln“ bezeichnen. Gluͤcklicherweiſe
konnte man es nur zur Haͤlfte vernehmen, indem
hinter der Prozeſſion, mit lautem Trommeln und
Pfeifen, mehrere Compagnien Militaͤr einherzogen,
ſo wie uͤberhaupt an beiden Seiten neben den
wallenden Geiſtlichen, auch immer je zwey und
zwey Grenadiere marſchierten. Es waren faſt mehr
Soldaten als Geiſtliche; aber zur Unterſtuͤtzung
der Religion gehoͤren heut zu Tage viel Bajo¬
nette, und wenn gar der Segen gegeben wird,
dann muͤſſen in der Ferne auch die Kanonen be¬
deutungsvoll donnern.

Wenn ich eine ſolche Prozeſſion ſehe, wo

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[35/0049] Die vorderen Moͤnche gingen mit gekreuzten Armen, ernſthaft ſchweigend; aber die mit den hohen Muͤtzen ſangen einen gar ungluͤcklichen Ge¬ ſang, ſo naͤſelnd, ſo ſchluͤrfend, ſo kollerend, daß ich uͤberzeugt bin: waͤren die Juden die groͤßere Volksmenge, und ihre Religion waͤre die Staats¬ religion, ſo wuͤrde man obiges Geſinge mit dem Namen „Mauſcheln“ bezeichnen. Gluͤcklicherweiſe konnte man es nur zur Haͤlfte vernehmen, indem hinter der Prozeſſion, mit lautem Trommeln und Pfeifen, mehrere Compagnien Militaͤr einherzogen, ſo wie uͤberhaupt an beiden Seiten neben den wallenden Geiſtlichen, auch immer je zwey und zwey Grenadiere marſchierten. Es waren faſt mehr Soldaten als Geiſtliche; aber zur Unterſtuͤtzung der Religion gehoͤren heut zu Tage viel Bajo¬ nette, und wenn gar der Segen gegeben wird, dann muͤſſen in der Ferne auch die Kanonen be¬ deutungsvoll donnern. Wenn ich eine ſolche Prozeſſion ſehe, wo 3 *

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/49>, abgerufen am 28.03.2024.