Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
sollen, noch weniger dieselben sich gefallen lassen und da-
mit vorliebnehmen wollen. Wenn sie nicht Bestimmun-
gen des Dings an sich seyn können, so können sie
noch weniger Bestimmungen des Verstandes seyn, dem
wenigstens die Würde eines Dings an sich zugestanden
werden sollte. Die Bestimmungen des Endlichen und
Unendlichen sind in demselben Widerstreit, es sey, daß
sie auf Zeit und Raum, auf die Welt angewendet werden,
oder daß sie Bestimmungen innerhalb des Geistes seyen;
so gut als Schwarz und Weiß ein Grau geben, ob sie an
einer Wand, oder aber noch auf der Pallete mit einander
vereinigt werden; wenn unsre Weltvorstellung sich auf-
löst, indem die Bestimmungen des Unendlichen und End-
lichen auf sie übergetragen werden, so ist noch mehr der
Geist selbst, welcher sie beyde in sich enthält, ein in sich
selbst widersprechendes, ein sich auflösendes. -- Es ist
nicht die Beschaffenheit des Stoffes oder Gegenstands,
worauf sie angewendet würden oder in dem sie sich be-
fänden, was einen Unterschied ausmachen kann; denn
der Gegenstand hat nur durch und nach jenen Bestimmun-
gen den Widerspruch an ihm.

Jene Kritik hat also die Formen des objectiven Den-
kens vom Ding nur entfernt, aber sie im Subject gelas-
sen, wie sie sie vorgefunden. Sie hat dabey nemlich die-
se Formen nicht an und für sich selbst, nach ihrem eigen-
thümlichen Inhalt betrachtet, sondern sie lemmatisch aus
der subjectiven Logik geradezu aufgenommen; so daß von
einer Ableitung ihrer an ihnen selbst, oder einer Ablei-
tung der subjectiv-logischen Formen, noch weniger aber

von

Einleitung.
ſollen, noch weniger dieſelben ſich gefallen laſſen und da-
mit vorliebnehmen wollen. Wenn ſie nicht Beſtimmun-
gen des Dings an ſich ſeyn koͤnnen, ſo koͤnnen ſie
noch weniger Beſtimmungen des Verſtandes ſeyn, dem
wenigſtens die Wuͤrde eines Dings an ſich zugeſtanden
werden ſollte. Die Beſtimmungen des Endlichen und
Unendlichen ſind in demſelben Widerſtreit, es ſey, daß
ſie auf Zeit und Raum, auf die Welt angewendet werden,
oder daß ſie Beſtimmungen innerhalb des Geiſtes ſeyen;
ſo gut als Schwarz und Weiß ein Grau geben, ob ſie an
einer Wand, oder aber noch auf der Pallete mit einander
vereinigt werden; wenn unſre Weltvorſtellung ſich auf-
loͤst, indem die Beſtimmungen des Unendlichen und End-
lichen auf ſie uͤbergetragen werden, ſo iſt noch mehr der
Geiſt ſelbſt, welcher ſie beyde in ſich enthaͤlt, ein in ſich
ſelbſt widerſprechendes, ein ſich aufloͤſendes. — Es iſt
nicht die Beſchaffenheit des Stoffes oder Gegenſtands,
worauf ſie angewendet wuͤrden oder in dem ſie ſich be-
faͤnden, was einen Unterſchied ausmachen kann; denn
der Gegenſtand hat nur durch und nach jenen Beſtimmun-
gen den Widerſpruch an ihm.

Jene Kritik hat alſo die Formen des objectiven Den-
kens vom Ding nur entfernt, aber ſie im Subject gelaſ-
ſen, wie ſie ſie vorgefunden. Sie hat dabey nemlich die-
ſe Formen nicht an und fuͤr ſich ſelbſt, nach ihrem eigen-
thuͤmlichen Inhalt betrachtet, ſondern ſie lemmatiſch aus
der ſubjectiven Logik geradezu aufgenommen; ſo daß von
einer Ableitung ihrer an ihnen ſelbſt, oder einer Ablei-
tung der ſubjectiv-logiſchen Formen, noch weniger aber

von
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="VIII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;ollen, noch weniger die&#x017F;elben &#x017F;ich gefallen la&#x017F;&#x017F;en und da-<lb/>
mit vorliebnehmen wollen. Wenn &#x017F;ie nicht Be&#x017F;timmun-<lb/>
gen des Dings an &#x017F;ich &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie<lb/>
noch weniger Be&#x017F;timmungen des Ver&#x017F;tandes &#x017F;eyn, dem<lb/>
wenig&#x017F;tens die Wu&#x0364;rde eines Dings an &#x017F;ich zuge&#x017F;tanden<lb/>
werden &#x017F;ollte. Die Be&#x017F;timmungen des Endlichen und<lb/>
Unendlichen &#x017F;ind in dem&#x017F;elben Wider&#x017F;treit, es &#x017F;ey, daß<lb/>
&#x017F;ie auf Zeit und Raum, auf die Welt angewendet werden,<lb/>
oder daß &#x017F;ie Be&#x017F;timmungen innerhalb des Gei&#x017F;tes &#x017F;eyen;<lb/>
&#x017F;o gut als Schwarz und Weiß ein Grau geben, ob &#x017F;ie an<lb/>
einer Wand, oder aber noch auf der Pallete mit einander<lb/>
vereinigt werden; wenn un&#x017F;re Weltvor&#x017F;tellung &#x017F;ich auf-<lb/>
lo&#x0364;st, indem die Be&#x017F;timmungen des Unendlichen und End-<lb/>
lichen auf &#x017F;ie u&#x0364;bergetragen werden, &#x017F;o i&#x017F;t noch mehr der<lb/>
Gei&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t, welcher &#x017F;ie beyde in &#x017F;ich entha&#x0364;lt, ein in &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wider&#x017F;prechendes, ein &#x017F;ich auflo&#x0364;&#x017F;endes. &#x2014; Es i&#x017F;t<lb/>
nicht die Be&#x017F;chaffenheit des Stoffes oder Gegen&#x017F;tands,<lb/>
worauf &#x017F;ie angewendet wu&#x0364;rden oder in dem &#x017F;ie &#x017F;ich be-<lb/>
fa&#x0364;nden, was einen Unter&#x017F;chied ausmachen kann; denn<lb/>
der Gegen&#x017F;tand hat nur durch und nach jenen Be&#x017F;timmun-<lb/>
gen den Wider&#x017F;pruch an ihm.</p><lb/>
        <p>Jene Kritik hat al&#x017F;o die Formen des objectiven Den-<lb/>
kens vom Ding nur entfernt, aber &#x017F;ie im Subject gela&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, wie &#x017F;ie &#x017F;ie vorgefunden. Sie hat dabey nemlich die-<lb/>
&#x017F;e Formen nicht an und fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, nach ihrem eigen-<lb/>
thu&#x0364;mlichen Inhalt betrachtet, &#x017F;ondern &#x017F;ie lemmati&#x017F;ch aus<lb/>
der &#x017F;ubjectiven Logik geradezu aufgenommen; &#x017F;o daß von<lb/>
einer Ableitung ihrer an ihnen &#x017F;elb&#x017F;t, oder einer Ablei-<lb/>
tung der &#x017F;ubjectiv-logi&#x017F;chen Formen, noch weniger aber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[VIII/0028] Einleitung. ſollen, noch weniger dieſelben ſich gefallen laſſen und da- mit vorliebnehmen wollen. Wenn ſie nicht Beſtimmun- gen des Dings an ſich ſeyn koͤnnen, ſo koͤnnen ſie noch weniger Beſtimmungen des Verſtandes ſeyn, dem wenigſtens die Wuͤrde eines Dings an ſich zugeſtanden werden ſollte. Die Beſtimmungen des Endlichen und Unendlichen ſind in demſelben Widerſtreit, es ſey, daß ſie auf Zeit und Raum, auf die Welt angewendet werden, oder daß ſie Beſtimmungen innerhalb des Geiſtes ſeyen; ſo gut als Schwarz und Weiß ein Grau geben, ob ſie an einer Wand, oder aber noch auf der Pallete mit einander vereinigt werden; wenn unſre Weltvorſtellung ſich auf- loͤst, indem die Beſtimmungen des Unendlichen und End- lichen auf ſie uͤbergetragen werden, ſo iſt noch mehr der Geiſt ſelbſt, welcher ſie beyde in ſich enthaͤlt, ein in ſich ſelbſt widerſprechendes, ein ſich aufloͤſendes. — Es iſt nicht die Beſchaffenheit des Stoffes oder Gegenſtands, worauf ſie angewendet wuͤrden oder in dem ſie ſich be- faͤnden, was einen Unterſchied ausmachen kann; denn der Gegenſtand hat nur durch und nach jenen Beſtimmun- gen den Widerſpruch an ihm. Jene Kritik hat alſo die Formen des objectiven Den- kens vom Ding nur entfernt, aber ſie im Subject gelaſ- ſen, wie ſie ſie vorgefunden. Sie hat dabey nemlich die- ſe Formen nicht an und fuͤr ſich ſelbſt, nach ihrem eigen- thuͤmlichen Inhalt betrachtet, ſondern ſie lemmatiſch aus der ſubjectiven Logik geradezu aufgenommen; ſo daß von einer Ableitung ihrer an ihnen ſelbſt, oder einer Ablei- tung der ſubjectiv-logiſchen Formen, noch weniger aber von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/28
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/28>, abgerufen am 23.04.2024.