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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Vorrede.
welche in Deutschland seit Klüber nichts Erhebliches geleistet
worden ist, noch anderweitig begriffen werde. 1

Ueber die Auffassung des Stoffes habe ich nur wenig
vorauszuschicken.

Zuförderst nenne ich das Völkerrecht noch immer bei sei-
nem alten Namen, nicht, wie es manche mit fremder Zunge
zu nennen angefangen haben: internationales Recht; ich vin-
dicire ihm eine Substanz, welche unter die letztere Benennung
nicht genau paßt, wohl aber unter den alttechnischen Begriff
des Völkerrechts, des jus gentium der Alten; ich vindicire
ihm die allgemeinen Menschenrechte, deren Anerkennung kein
Volk verweigern kann, die Rechte nämlich, welche jeder Ein-
zelne, auch der außer dem Staate Lebende, dennoch in der
menschlichen Gesellschaft fordern darf.

Aus welchem Gesichtspunct sodann das Völkerrecht über-
haupt zu behandeln sei, steht bei mir längst unerschütterlich
fest. Ich sehe darin weder eine bloße Staatenmoral oder ein
Aggregat politischer Maximen, welchem darum der Character
eines Rechtes zu verweigern wäre, weil sich dafür noch keine
Zwangsform der Geltendmachung gefunden hat; noch auch
ein fragmentarisches willkührliches Recht, welches nur auf ei-
nem beliebigen Herkommen oder auf Verträgen beruht; Er-
steres nicht, weil es durchaus nicht an Mitteln zu seiner Rea-
lisirung gebricht, selbst nicht an Mitteln, um einen unparteii-
schen Urtheilsspruch zu erlangen, wenn man ihn nur haben
will und sich mit keinem Geheimniß umschließt; ja einen un-

1 Wir haben hierbei besonders die Beiträge zur Völkerrechtsge-
schichte und Wissenschaft von Herrn Prof. K. Th. Pütter (Leipzig
1843 und einen Aufsatz von Hälschner, zur wissenschaftlichen Begrün-
dung des Völkerrechts (in G. Eberty Zeitschr. für volksthüml. Recht.
Heft I, 26.) im Auge.

Vorrede.
welche in Deutſchland ſeit Klüber nichts Erhebliches geleiſtet
worden iſt, noch anderweitig begriffen werde. 1

Ueber die Auffaſſung des Stoffes habe ich nur wenig
vorauszuſchicken.

Zuförderſt nenne ich das Völkerrecht noch immer bei ſei-
nem alten Namen, nicht, wie es manche mit fremder Zunge
zu nennen angefangen haben: internationales Recht; ich vin-
dicire ihm eine Subſtanz, welche unter die letztere Benennung
nicht genau paßt, wohl aber unter den alttechniſchen Begriff
des Völkerrechts, des jus gentium der Alten; ich vindicire
ihm die allgemeinen Menſchenrechte, deren Anerkennung kein
Volk verweigern kann, die Rechte nämlich, welche jeder Ein-
zelne, auch der außer dem Staate Lebende, dennoch in der
menſchlichen Geſellſchaft fordern darf.

Aus welchem Geſichtspunct ſodann das Völkerrecht über-
haupt zu behandeln ſei, ſteht bei mir längſt unerſchütterlich
feſt. Ich ſehe darin weder eine bloße Staatenmoral oder ein
Aggregat politiſcher Maximen, welchem darum der Character
eines Rechtes zu verweigern wäre, weil ſich dafür noch keine
Zwangsform der Geltendmachung gefunden hat; noch auch
ein fragmentariſches willkührliches Recht, welches nur auf ei-
nem beliebigen Herkommen oder auf Verträgen beruht; Er-
ſteres nicht, weil es durchaus nicht an Mitteln zu ſeiner Rea-
liſirung gebricht, ſelbſt nicht an Mitteln, um einen unparteii-
ſchen Urtheilsſpruch zu erlangen, wenn man ihn nur haben
will und ſich mit keinem Geheimniß umſchließt; ja einen un-

1 Wir haben hierbei beſonders die Beitraͤge zur Voͤlkerrechtsge-
ſchichte und Wiſſenſchaft von Herrn Prof. K. Th. Puͤtter (Leipzig
1843 und einen Aufſatz von Haͤlſchner, zur wiſſenſchaftlichen Begruͤn-
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[V/0013] Vorrede. welche in Deutſchland ſeit Klüber nichts Erhebliches geleiſtet worden iſt, noch anderweitig begriffen werde. 1 Ueber die Auffaſſung des Stoffes habe ich nur wenig vorauszuſchicken. Zuförderſt nenne ich das Völkerrecht noch immer bei ſei- nem alten Namen, nicht, wie es manche mit fremder Zunge zu nennen angefangen haben: internationales Recht; ich vin- dicire ihm eine Subſtanz, welche unter die letztere Benennung nicht genau paßt, wohl aber unter den alttechniſchen Begriff des Völkerrechts, des jus gentium der Alten; ich vindicire ihm die allgemeinen Menſchenrechte, deren Anerkennung kein Volk verweigern kann, die Rechte nämlich, welche jeder Ein- zelne, auch der außer dem Staate Lebende, dennoch in der menſchlichen Geſellſchaft fordern darf. Aus welchem Geſichtspunct ſodann das Völkerrecht über- haupt zu behandeln ſei, ſteht bei mir längſt unerſchütterlich feſt. Ich ſehe darin weder eine bloße Staatenmoral oder ein Aggregat politiſcher Maximen, welchem darum der Character eines Rechtes zu verweigern wäre, weil ſich dafür noch keine Zwangsform der Geltendmachung gefunden hat; noch auch ein fragmentariſches willkührliches Recht, welches nur auf ei- nem beliebigen Herkommen oder auf Verträgen beruht; Er- ſteres nicht, weil es durchaus nicht an Mitteln zu ſeiner Rea- liſirung gebricht, ſelbſt nicht an Mitteln, um einen unparteii- ſchen Urtheilsſpruch zu erlangen, wenn man ihn nur haben will und ſich mit keinem Geheimniß umſchließt; ja einen un- 1 Wir haben hierbei beſonders die Beitraͤge zur Voͤlkerrechtsge- ſchichte und Wiſſenſchaft von Herrn Prof. K. Th. Puͤtter (Leipzig 1843 und einen Aufſatz von Haͤlſchner, zur wiſſenſchaftlichen Begruͤn- dung des Voͤlkerrechts (in G. Eberty Zeitſchr. fuͤr volksthuͤml. Recht. Heft I, 26.) im Auge.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/13>, abgerufen am 16.04.2024.