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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

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B. 1. Riv. zw. Frankr. u. Span. 1515--1556.
ward auch der Osten in diesen Kampf mit hereinge-
zogen; da die wilden Eroberungsprojecte von Soly-
man
II., welche zuerst die ganze Christenheit be-
drohten, sich zuletzt in eine Allianz mit Frankreich
auflöseten; die für dieses Reich um so vortheilhafter
schien, da das Habsburgische Haus nach der Nieder-
lage und dem Tode des Königs Ludwig II. von Un-
garn bey Mohatsch seine Ansprüche auf Ungarn und
Böhmen geltend machte.

Veränderung des Türkischen Eroberungssystems unter
Solyman II. seit 1519; das unter seinem Vorgänger Se-
lim
I. gegen Persien und Aegypten gerichtet gewesen war. Nach
der Eroberung von Belgrad 1521 Hauptsturm gegen Ungarn;
Niederlage und Tod K. Ludwig's II. bey Mohatsch 29.
Aug. 1526. Die streitige Königswahl zwischen Ferdinand
und Joh. von Zapolya erleichterte Solyman seine Fort-
schritte, da der letztre sich in seinen Schutz begab. Einnahme
Ungarns und vergebliche Belagerung Wiens 1529; dagegen aber
Unterwerfung der Moldau. -- Die jetzt sich leise anknüpfen-
de Verbindung mit Frankreich giebt den Beweis einer dorti-
gen freyeren Ansicht in der Politik; wie gegründete Bedenk-
lichkeiten auch dieß Skandal in der Christenheit da-
mals erregen mußte.

11. Aber die Seemacht der Pforte drohte
dem westlichen Europa fast noch gefährlicher zu wer-
den, als ihre Landmacht. Als mit der Eroberung
von Rhodus die Herrschaft des Mittelmeers ihr zu
Theil ward, schien kaum noch Sicherheit für die Kü-
sten von Italien und Spanien zu seyn. Die, unter

dem

B. 1. Riv. zw. Frankr. u. Span. 1515--1556.
ward auch der Oſten in dieſen Kampf mit hereinge-
zogen; da die wilden Eroberungsprojecte von Soly-
man
II., welche zuerſt die ganze Chriſtenheit be-
drohten, ſich zuletzt in eine Allianz mit Frankreich
aufloͤſeten; die fuͤr dieſes Reich um ſo vortheilhafter
ſchien, da das Habsburgiſche Haus nach der Nieder-
lage und dem Tode des Koͤnigs Ludwig II. von Un-
garn bey Mohatſch ſeine Anſpruͤche auf Ungarn und
Boͤhmen geltend machte.

Veraͤnderung des Tuͤrkiſchen Eroberungsſyſtems unter
Solyman II. ſeit 1519; das unter ſeinem Vorgaͤnger Se-
lim
I. gegen Perſien und Aegypten gerichtet geweſen war. Nach
der Eroberung von Belgrad 1521 Hauptſturm gegen Ungarn;
Niederlage und Tod K. Ludwig's II. bey Mohatſch 29.
Aug. 1526. Die ſtreitige Koͤnigswahl zwiſchen Ferdinand
und Joh. von Zapolya erleichterte Solyman ſeine Fort-
ſchritte, da der letztre ſich in ſeinen Schutz begab. Einnahme
Ungarns und vergebliche Belagerung Wiens 1529; dagegen aber
Unterwerfung der Moldau. — Die jetzt ſich leiſe anknuͤpfen-
de Verbindung mit Frankreich giebt den Beweis einer dorti-
gen freyeren Anſicht in der Politik; wie gegruͤndete Bedenk-
lichkeiten auch dieß Skandal in der Chriſtenheit da-
mals erregen mußte.

11. Aber die Seemacht der Pforte drohte
dem weſtlichen Europa faſt noch gefaͤhrlicher zu wer-
den, als ihre Landmacht. Als mit der Eroberung
von Rhodus die Herrſchaft des Mittelmeers ihr zu
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[47/0085] B. 1. Riv. zw. Frankr. u. Span. 1515--1556. ward auch der Oſten in dieſen Kampf mit hereinge- zogen; da die wilden Eroberungsprojecte von Soly- man II., welche zuerſt die ganze Chriſtenheit be- drohten, ſich zuletzt in eine Allianz mit Frankreich aufloͤſeten; die fuͤr dieſes Reich um ſo vortheilhafter ſchien, da das Habsburgiſche Haus nach der Nieder- lage und dem Tode des Koͤnigs Ludwig II. von Un- garn bey Mohatſch ſeine Anſpruͤche auf Ungarn und Boͤhmen geltend machte. Veraͤnderung des Tuͤrkiſchen Eroberungsſyſtems unter Solyman II. ſeit 1519; das unter ſeinem Vorgaͤnger Se- lim I. gegen Perſien und Aegypten gerichtet geweſen war. Nach der Eroberung von Belgrad 1521 Hauptſturm gegen Ungarn; Niederlage und Tod K. Ludwig's II. bey Mohatſch 29. Aug. 1526. Die ſtreitige Koͤnigswahl zwiſchen Ferdinand und Joh. von Zapolya erleichterte Solyman ſeine Fort- ſchritte, da der letztre ſich in ſeinen Schutz begab. Einnahme Ungarns und vergebliche Belagerung Wiens 1529; dagegen aber Unterwerfung der Moldau. — Die jetzt ſich leiſe anknuͤpfen- de Verbindung mit Frankreich giebt den Beweis einer dorti- gen freyeren Anſicht in der Politik; wie gegruͤndete Bedenk- lichkeiten auch dieß Skandal in der Chriſtenheit da- mals erregen mußte. 11. Aber die Seemacht der Pforte drohte dem weſtlichen Europa faſt noch gefaͤhrlicher zu wer- den, als ihre Landmacht. Als mit der Eroberung von Rhodus die Herrſchaft des Mittelmeers ihr zu Theil ward, ſchien kaum noch Sicherheit fuͤr die Kuͤ- ſten von Italien und Spanien zu ſeyn. Die, unter dem

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Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/85>, abgerufen am 23.04.2024.