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Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 115, Hamburg, 19. Julii 1771.

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Mit allergnädigster Kayserlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- [Abbildung] tung

Des Hamburgischen unpartheyischen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1771.     (Am Freytage, den 19 Julii.)    
Num. 115.



[Beginn Spaltensatz]

Der Cardinal Cavalchini will, als Decan des heiligen
Collegii, alle Cardinäle ersuchen, zu den Unkosten der
Seligsprechung des verstorbenen Cardinal Paolo Bu-
ralio, welcher der ganzen heiligen Gesellschaft so viele
Ehre gemacht, das Ihrige mit beyzutragen.

Der König von Portugall hat den Bischof von Pina-
ren, der im letzten Consistorio präconisirt worden, zum
Bischof von Porto, an die Stelle des daselbst verstor-
benen Bischofs, ernannt.

In eben diesem Consistorio hat der Pabst auch den
Cardinälen den Brief mitgetheilet, in welchem der Chal-
däische Patriarch Simon, welcher sich mit 6 Bischöfen
und 10000 ihm unterworfenen Familien, mit der Rö-
mischen Kirche vereiniget, seinen Gehorsam erklärt hat.

Se. Heiligkeit sollen von den Conföderirten in Pohlen
einen Brief erhalten haben, in welchem sie melden, daß
sie keinen neuen Nuntium annhemen würden. Es
solle aber auch der jetzige nicht eher nach Rom gehen,
bis ihnen würde bekannt gemacht werden, was für eine
Bedienung er wieder bekleiden solle.


Das Tribunal der heiligen Inquisition ist völlig auf-
gehoben; die Gefängnisse sind niedergerissen, und die
Patente von den sogenannten Kreuzgezeichneten zurück-
gefordert worden.

Beschluß der Nachrichten aus London,


Die Nachrichten von der großen Hungersnoth, welche
im vorigen Jahr in Bengalen gewüthet, sind sehr ge-
gründet gewesen. Man lieset von selbiger in einem
Schreiben aus Calcutta vom 30sten Nov. 1770. Folgendes:

"Als wir hier anlangten, fanden wir das Revier voller
todter menschlicher Leichname. Sie schwammen auf dem
Wasser wie Flöße, und die Straßen der Stadt waren
ebenfalls mit Todten und Sterbenden angefüllet. Nie-
mand bemühete sich, sie zu retten, oder ihnen einigen
Beystand zu leisten. Die Menschen, welche noch gehen,
[Spaltenumbruch] und sich Lebensmittel verschaffen konnten, waren es
schon gewohnt, ihre elenden Mitbrüder ohne Mitleiden
verschmachten zu sehen. Die Anzahl der Todten in Cal-
cutta allein erstreckte sich, so lange man eine Rechnung
darüber halten konnte, wöchentlich aus 10 bis 11000;
nachgehends aber war die Zahl so groß, daß man sie
nur alle Morgen zusammensammelte, und sie in den
Fluß warf, ohne mehr eine Rechnung über die Menge
halten zu können. Ich bin selbst durch die Straßen ge-
gangen, und habe 20 bis 30 Sterbende in selbiger ge-
funden. Ich habe Kinder an den leeren Brüsten ihrer
sterbenden Mütter saugen, und Mütter auf den Stras-
sen gebähren sehen, die nachher mit der Frucht ihres
Leibes vor Hunger starben. Die Hunde liefen mit Men-
schenknochen in den Oertern herum, und viele der
Sterbenden nagten an den ihnen zunächst liegenden tod-
ten Körpern ihrer Mitbrüder. Ueberhaupt ist der dritte
Theil dieses sonst so volkreichen Landes durch diese Noth
weggeraffet worden. Der Hunger hat zwar nunmehro
aufgehöret; allein, die Wirkungen desselben sind noch
sichtbar genug. Diejenigen, welche den Jammer über-
lebet, können sich größtentheils keine Versorgung schaffen,
und ihre Anzahl ist zu groß, als daß allen könnte gehol-
fen werden. Der Gestank so vieler Cadavern hat die
Luft angesteckt, und Krankheiten auch selbst unter den
Europäern verursacht. Darüber aber beklagt man sich
nicht; denn es sind ihrer zu viele, welche auf Dienste
warten, und froh sind, daß Raum für sie gemacht wird."

Gestern früh, um 8 Uhr, wurden 2 Missethäter zum
Galgen geführet, und an dem Orte, wo sie ihr Verbre-
chen begangen, nämlich zu Bethnal Green, eine halbe
Stunde von London, da sie den unglücklichen Weber-
Gesellen Clarke steinigen helfen, gehenkt. Der eine
hieß Stroud, und war ein Gärtner; der andere Camp-
bell, ein Seidenweber. Es war zwar bestellt, daß sich
eine große Menge der letztern versammeln sollte, um
diese Mörder aus den Händen der Justiz zu reißen; allein,
die Sherifs hatten auch, ohne Soldaten zu gebrauchen,
[Spaltenumbruch]

Mit allergnaͤdigſter Kayſerlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- [Abbildung] tung

Des Hamburgiſchen unpartheyiſchen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1771.     (Am Freytage, den 19 Julii.)    
Num. 115.



[Beginn Spaltensatz]

Der Cardinal Cavalchini will, als Decan des heiligen
Collegii, alle Cardinaͤle erſuchen, zu den Unkoſten der
Seligſprechung des verſtorbenen Cardinal Paolo Bu-
ralio, welcher der ganzen heiligen Geſellſchaft ſo viele
Ehre gemacht, das Ihrige mit beyzutragen.

Der Koͤnig von Portugall hat den Biſchof von Pina-
ren, der im letzten Conſiſtorio praͤconiſirt worden, zum
Biſchof von Porto, an die Stelle des daſelbſt verſtor-
benen Biſchofs, ernannt.

In eben dieſem Conſiſtorio hat der Pabſt auch den
Cardinaͤlen den Brief mitgetheilet, in welchem der Chal-
daͤiſche Patriarch Simon, welcher ſich mit 6 Biſchoͤfen
und 10000 ihm unterworfenen Familien, mit der Roͤ-
miſchen Kirche vereiniget, ſeinen Gehorſam erklaͤrt hat.

Se. Heiligkeit ſollen von den Confoͤderirten in Pohlen
einen Brief erhalten haben, in welchem ſie melden, daß
ſie keinen neuen Nuntium annhemen wuͤrden. Es
ſolle aber auch der jetzige nicht eher nach Rom gehen,
bis ihnen wuͤrde bekannt gemacht werden, was fuͤr eine
Bedienung er wieder bekleiden ſolle.


Das Tribunal der heiligen Inquiſition iſt voͤllig auf-
gehoben; die Gefaͤngniſſe ſind niedergeriſſen, und die
Patente von den ſogenannten Kreuzgezeichneten zuruͤck-
gefordert worden.

Beſchluß der Nachrichten aus London,


Die Nachrichten von der großen Hungersnoth, welche
im vorigen Jahr in Bengalen gewuͤthet, ſind ſehr ge-
gruͤndet geweſen. Man lieſet von ſelbiger in einem
Schreiben aus Calcutta vom 30ſten Nov. 1770. Folgendes:

“Als wir hier anlangten, fanden wir das Revier voller
todter menſchlicher Leichname. Sie ſchwammen auf dem
Waſſer wie Floͤße, und die Straßen der Stadt waren
ebenfalls mit Todten und Sterbenden angefuͤllet. Nie-
mand bemuͤhete ſich, ſie zu retten, oder ihnen einigen
Beyſtand zu leiſten. Die Menſchen, welche noch gehen,
[Spaltenumbruch] und ſich Lebensmittel verſchaffen konnten, waren es
ſchon gewohnt, ihre elenden Mitbruͤder ohne Mitleiden
verſchmachten zu ſehen. Die Anzahl der Todten in Cal-
cutta allein erſtreckte ſich, ſo lange man eine Rechnung
daruͤber halten konnte, woͤchentlich aus 10 bis 11000;
nachgehends aber war die Zahl ſo groß, daß man ſie
nur alle Morgen zuſammenſammelte, und ſie in den
Fluß warf, ohne mehr eine Rechnung uͤber die Menge
halten zu koͤnnen. Ich bin ſelbſt durch die Straßen ge-
gangen, und habe 20 bis 30 Sterbende in ſelbiger ge-
funden. Ich habe Kinder an den leeren Bruͤſten ihrer
ſterbenden Muͤtter ſaugen, und Muͤtter auf den Straſ-
ſen gebaͤhren ſehen, die nachher mit der Frucht ihres
Leibes vor Hunger ſtarben. Die Hunde liefen mit Men-
ſchenknochen in den Oertern herum, und viele der
Sterbenden nagten an den ihnen zunaͤchſt liegenden tod-
ten Koͤrpern ihrer Mitbruͤder. Ueberhaupt iſt der dritte
Theil dieſes ſonſt ſo volkreichen Landes durch dieſe Noth
weggeraffet worden. Der Hunger hat zwar nunmehro
aufgehoͤret; allein, die Wirkungen deſſelben ſind noch
ſichtbar genug. Diejenigen, welche den Jammer uͤber-
lebet, koͤnnen ſich groͤßtentheils keine Verſorgung ſchaffen,
und ihre Anzahl iſt zu groß, als daß allen koͤnnte gehol-
fen werden. Der Geſtank ſo vieler Cadavern hat die
Luft angeſteckt, und Krankheiten auch ſelbſt unter den
Europaͤern verurſacht. Daruͤber aber beklagt man ſich
nicht; denn es ſind ihrer zu viele, welche auf Dienſte
warten, und froh ſind, daß Raum fuͤr ſie gemacht wird.”

Geſtern fruͤh, um 8 Uhr, wurden 2 Miſſethaͤter zum
Galgen gefuͤhret, und an dem Orte, wo ſie ihr Verbre-
chen begangen, naͤmlich zu Bethnal Green, eine halbe
Stunde von London, da ſie den ungluͤcklichen Weber-
Geſellen Clarke ſteinigen helfen, gehenkt. Der eine
hieß Stroud, und war ein Gaͤrtner; der andere Camp-
bell, ein Seidenweber. Es war zwar beſtellt, daß ſich
eine große Menge der letztern verſammeln ſollte, um
dieſe Moͤrder aus den Haͤnden der Juſtiz zu reißen; allein,
die Sherifs hatten auch, ohne Soldaten zu gebrauchen,
[Spaltenumbruch]

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Britt-Marie Schuster, Manuel Wille, Arnika Lutz, Fabienne Wollny: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-07-07T12:30:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

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Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 115, Hamburg, 19. Julii 1771, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1151907_1771/1>, abgerufen am 20.04.2024.