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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Der Tanz, den die Beiden aufführten, mochte wohl vor ein paar hundert Jahren üblich gewesen sein. Jungfer Rose hatte mit beiden Händen ihren Rock ergriffen und solchen an den Seiten weit ausgespannt, daß sie anzusehen war, wie ein großes weites Faß. Sie bewegte sich nicht sehr weit von der Stelle, sondern trippelte hin und her, indem sie bald auf- bald niedertauchte und knixte. Lebendiger war dagegen ihr Tänzer, der wie ein Kreisel um sie herumfuhr, allerlei kühne Sprünge machte, mit den Fingern knallte und Heisa, Juhe! schrie. Wunderlich war es anzusehen, wie das kleine Schürzlein der Jungfer Rose, das ihm Balthasar umgethan, hin- und herflatterte in der Lust, wie seine Beinchen umherbaumelten, wie sein dickes Gesicht lächelte vor inniger Herzenslust und Freude.

Endlich schien er ermüdet, er winkte Judas und Paulus herbei und flüsterte ihnen Etwas zu. Sie banden ihm die Schürze ab, faßten solche an beiden Enden und zogen und zogen, so daß sie plötzlich so groß wurde, wie ein Betttuch; dann riefen sie die anderen herbei, stellten sie rings um das Tuch und ließen es anfassen. Ha, dachte ich, jetzt wird wahrscheinlich der alte Balthasar ein wenig geprellt, zu allgemeiner Ergötzung; wenn nur das Gewölbe nicht so nieder wäre, da kann er leicht den Schädel einstoßen. Da kam Judas und der starke Bartholomäus auf uns zu und faßten -- mich; Balthasar Ohnegrund lachte hämisch; ich bebte, ich wehrte mich; es half Nichts, Judas faßte

Der Tanz, den die Beiden aufführten, mochte wohl vor ein paar hundert Jahren üblich gewesen sein. Jungfer Rose hatte mit beiden Händen ihren Rock ergriffen und solchen an den Seiten weit ausgespannt, daß sie anzusehen war, wie ein großes weites Faß. Sie bewegte sich nicht sehr weit von der Stelle, sondern trippelte hin und her, indem sie bald auf- bald niedertauchte und knixte. Lebendiger war dagegen ihr Tänzer, der wie ein Kreisel um sie herumfuhr, allerlei kühne Sprünge machte, mit den Fingern knallte und Heisa, Juhe! schrie. Wunderlich war es anzusehen, wie das kleine Schürzlein der Jungfer Rose, das ihm Balthasar umgethan, hin- und herflatterte in der Lust, wie seine Beinchen umherbaumelten, wie sein dickes Gesicht lächelte vor inniger Herzenslust und Freude.

Endlich schien er ermüdet, er winkte Judas und Paulus herbei und flüsterte ihnen Etwas zu. Sie banden ihm die Schürze ab, faßten solche an beiden Enden und zogen und zogen, so daß sie plötzlich so groß wurde, wie ein Betttuch; dann riefen sie die anderen herbei, stellten sie rings um das Tuch und ließen es anfassen. Ha, dachte ich, jetzt wird wahrscheinlich der alte Balthasar ein wenig geprellt, zu allgemeiner Ergötzung; wenn nur das Gewölbe nicht so nieder wäre, da kann er leicht den Schädel einstoßen. Da kam Judas und der starke Bartholomäus auf uns zu und faßten — mich; Balthasar Ohnegrund lachte hämisch; ich bebte, ich wehrte mich; es half Nichts, Judas faßte

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[0078] Der Tanz, den die Beiden aufführten, mochte wohl vor ein paar hundert Jahren üblich gewesen sein. Jungfer Rose hatte mit beiden Händen ihren Rock ergriffen und solchen an den Seiten weit ausgespannt, daß sie anzusehen war, wie ein großes weites Faß. Sie bewegte sich nicht sehr weit von der Stelle, sondern trippelte hin und her, indem sie bald auf- bald niedertauchte und knixte. Lebendiger war dagegen ihr Tänzer, der wie ein Kreisel um sie herumfuhr, allerlei kühne Sprünge machte, mit den Fingern knallte und Heisa, Juhe! schrie. Wunderlich war es anzusehen, wie das kleine Schürzlein der Jungfer Rose, das ihm Balthasar umgethan, hin- und herflatterte in der Lust, wie seine Beinchen umherbaumelten, wie sein dickes Gesicht lächelte vor inniger Herzenslust und Freude. Endlich schien er ermüdet, er winkte Judas und Paulus herbei und flüsterte ihnen Etwas zu. Sie banden ihm die Schürze ab, faßten solche an beiden Enden und zogen und zogen, so daß sie plötzlich so groß wurde, wie ein Betttuch; dann riefen sie die anderen herbei, stellten sie rings um das Tuch und ließen es anfassen. Ha, dachte ich, jetzt wird wahrscheinlich der alte Balthasar ein wenig geprellt, zu allgemeiner Ergötzung; wenn nur das Gewölbe nicht so nieder wäre, da kann er leicht den Schädel einstoßen. Da kam Judas und der starke Bartholomäus auf uns zu und faßten — mich; Balthasar Ohnegrund lachte hämisch; ich bebte, ich wehrte mich; es half Nichts, Judas faßte

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/78>, abgerufen am 18.04.2024.