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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Weise möchte ich doch wohl finden, denn sie war einfach und schön, und Petrus begleitete ihn mit einem sonoren herrlichen Sekund. Die Lust des Gesanges schien über Alle herabzukommen, denn als Andreas geendet, sang Judas unaufgefordert ein Lied, und ihm folgten die Uebrigen. Selbst Rose, so sehr sie sich zierte, mußte ein Lied von 1615 singen, was sie mit angenehmer, etwas zitternder Stimme vortrug. Mit dröhnendem Baß sang Roland eine Kriegshymne der Franken, von welcher ich nur einige Worte verstand, und endlich, als sie Alle gesungen, schauten sie auf mich, und Rose nickte mir zu, etwas zu singen. Da hub ich denn an:

Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben, Gesegnet sei der Rhein!
Da wachsen sie am Ufer hin und geben Uns diesen Labewein.

Sie lauschten, als sie diese Worte hörten, sie nickten sich zu und rückten näher zusammen; und dieEntferntern streckten die Köpfe vor, als wollten sie kein Wort verlieren. Muthiger erhob ich meine Stimme, lauter und immer lauter war mein Gesang, denn es wogte in mir wie Begeisterung, vor solchem Publikum zu singen. Die alte Rose nickte den Takt mit dem Kopfe und summte den Chorus leise, leise mit, und Freude und Stolz blickte aus den Augen der Apostel. Und als ich geendet, drängten sie sich zu, drückten mir

Weise möchte ich doch wohl finden, denn sie war einfach und schön, und Petrus begleitete ihn mit einem sonoren herrlichen Sekund. Die Lust des Gesanges schien über Alle herabzukommen, denn als Andreas geendet, sang Judas unaufgefordert ein Lied, und ihm folgten die Uebrigen. Selbst Rose, so sehr sie sich zierte, mußte ein Lied von 1615 singen, was sie mit angenehmer, etwas zitternder Stimme vortrug. Mit dröhnendem Baß sang Roland eine Kriegshymne der Franken, von welcher ich nur einige Worte verstand, und endlich, als sie Alle gesungen, schauten sie auf mich, und Rose nickte mir zu, etwas zu singen. Da hub ich denn an:

Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben, Gesegnet sei der Rhein!
Da wachsen sie am Ufer hin und geben Uns diesen Labewein.

Sie lauschten, als sie diese Worte hörten, sie nickten sich zu und rückten näher zusammen; und dieEntferntern streckten die Köpfe vor, als wollten sie kein Wort verlieren. Muthiger erhob ich meine Stimme, lauter und immer lauter war mein Gesang, denn es wogte in mir wie Begeisterung, vor solchem Publikum zu singen. Die alte Rose nickte den Takt mit dem Kopfe und summte den Chorus leise, leise mit, und Freude und Stolz blickte aus den Augen der Apostel. Und als ich geendet, drängten sie sich zu, drückten mir

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[0070] Weise möchte ich doch wohl finden, denn sie war einfach und schön, und Petrus begleitete ihn mit einem sonoren herrlichen Sekund. Die Lust des Gesanges schien über Alle herabzukommen, denn als Andreas geendet, sang Judas unaufgefordert ein Lied, und ihm folgten die Uebrigen. Selbst Rose, so sehr sie sich zierte, mußte ein Lied von 1615 singen, was sie mit angenehmer, etwas zitternder Stimme vortrug. Mit dröhnendem Baß sang Roland eine Kriegshymne der Franken, von welcher ich nur einige Worte verstand, und endlich, als sie Alle gesungen, schauten sie auf mich, und Rose nickte mir zu, etwas zu singen. Da hub ich denn an: Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben, Gesegnet sei der Rhein! Da wachsen sie am Ufer hin und geben Uns diesen Labewein. Sie lauschten, als sie diese Worte hörten, sie nickten sich zu und rückten näher zusammen; und dieEntferntern streckten die Köpfe vor, als wollten sie kein Wort verlieren. Muthiger erhob ich meine Stimme, lauter und immer lauter war mein Gesang, denn es wogte in mir wie Begeisterung, vor solchem Publikum zu singen. Die alte Rose nickte den Takt mit dem Kopfe und summte den Chorus leise, leise mit, und Freude und Stolz blickte aus den Augen der Apostel. Und als ich geendet, drängten sie sich zu, drückten mir

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/70>, abgerufen am 25.04.2024.