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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ab. Er nennt sich Doktor und Magister und muß Euch Bescheid geben können über sein Geschlecht.

Der Riese richtete sein Auge fragend auf mich, und ich antwortete: Edler Paladin! Zwar ist die Menschheit in dieser Zeit lau und schlecht geworden, ist mit dem hohlen Schädel an die Gegenwart genagelt und blickt nicht vor-, nicht rückwärts; aber so elend sind wir doch nicht geworden, daß wir nicht der großen herrlichen Gestalten gedächten, die einst über unsere Vatererde gingen und ihren Schatten werfen noch bis zu uns. Noch giebt es Herzen, die sich hinüberretten in die Vergangenheit, wenn die Gegenwart zu schal und trübe wird, die höher schlagen bei dem Klang großer Namen und mit Achtung durch die Ruinen wandeln, wo einst der große Kaiser saß in seiner Zelle, wo seine Ritter um ihn standen, wo Eginhard bedeutungsvolle Worte sprach und die traute Emma dem treuesten seiner Paladine den Becher kredenzte. Wo man den Namen Eures großen Kaisers ausspricht, da ist auch Roland unvergessen, und wie Ihr ihm nahe standet im Leben, so enge seid Ihr mit ihm verbunden in Lied und Sage und in den Bildern der Erinnerung. Der letzte Ton Eures Hifthorns tönt noch immer aus dem Thal von Ronceval durch die Welt und wird tönen, bis er sich in die Klänge der letzten Posaune mischt.

So haben nur nicht vergebens gelebt, alter

ab. Er nennt sich Doktor und Magister und muß Euch Bescheid geben können über sein Geschlecht.

Der Riese richtete sein Auge fragend auf mich, und ich antwortete: Edler Paladin! Zwar ist die Menschheit in dieser Zeit lau und schlecht geworden, ist mit dem hohlen Schädel an die Gegenwart genagelt und blickt nicht vor-, nicht rückwärts; aber so elend sind wir doch nicht geworden, daß wir nicht der großen herrlichen Gestalten gedächten, die einst über unsere Vatererde gingen und ihren Schatten werfen noch bis zu uns. Noch giebt es Herzen, die sich hinüberretten in die Vergangenheit, wenn die Gegenwart zu schal und trübe wird, die höher schlagen bei dem Klang großer Namen und mit Achtung durch die Ruinen wandeln, wo einst der große Kaiser saß in seiner Zelle, wo seine Ritter um ihn standen, wo Eginhard bedeutungsvolle Worte sprach und die traute Emma dem treuesten seiner Paladine den Becher kredenzte. Wo man den Namen Eures großen Kaisers ausspricht, da ist auch Roland unvergessen, und wie Ihr ihm nahe standet im Leben, so enge seid Ihr mit ihm verbunden in Lied und Sage und in den Bildern der Erinnerung. Der letzte Ton Eures Hifthorns tönt noch immer aus dem Thal von Ronceval durch die Welt und wird tönen, bis er sich in die Klänge der letzten Posaune mischt.

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[0066] ab. Er nennt sich Doktor und Magister und muß Euch Bescheid geben können über sein Geschlecht. Der Riese richtete sein Auge fragend auf mich, und ich antwortete: Edler Paladin! Zwar ist die Menschheit in dieser Zeit lau und schlecht geworden, ist mit dem hohlen Schädel an die Gegenwart genagelt und blickt nicht vor-, nicht rückwärts; aber so elend sind wir doch nicht geworden, daß wir nicht der großen herrlichen Gestalten gedächten, die einst über unsere Vatererde gingen und ihren Schatten werfen noch bis zu uns. Noch giebt es Herzen, die sich hinüberretten in die Vergangenheit, wenn die Gegenwart zu schal und trübe wird, die höher schlagen bei dem Klang großer Namen und mit Achtung durch die Ruinen wandeln, wo einst der große Kaiser saß in seiner Zelle, wo seine Ritter um ihn standen, wo Eginhard bedeutungsvolle Worte sprach und die traute Emma dem treuesten seiner Paladine den Becher kredenzte. Wo man den Namen Eures großen Kaisers ausspricht, da ist auch Roland unvergessen, und wie Ihr ihm nahe standet im Leben, so enge seid Ihr mit ihm verbunden in Lied und Sage und in den Bildern der Erinnerung. Der letzte Ton Eures Hifthorns tönt noch immer aus dem Thal von Ronceval durch die Welt und wird tönen, bis er sich in die Klänge der letzten Posaune mischt. So haben nur nicht vergebens gelebt, alter

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/66>, abgerufen am 24.04.2024.