Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

es entzwei, daß ihm der Wein über die Finger lief. Ei, Ihr hättet auch die Handschuhe von Stein füglich ablegen können, sprach Balthasar ärgerlich und kredenzte ihm einen silbernen Becher, so ein Maß hielt und in früherer Zeit Tummler genannt wurde. Der Ritter faßte ihn, drückte nur einige unbedeutende Buckeln in den Becher, sperrte das steinerne Maul auf und goß den Wein hinab.

Wie mundet Euch der Wein? fragte Bacchus den Gast. Ihr habt wohl lange keinen getrunken?

Er ist gut, bei meinem Schwert! sehr gut! Was ist es für Gewächs? Rother Ingelheimer, gestrenger Herr! antwortete der Kellermeister.

Das steinerne Auge des Ritters bekam Leben und Glanz, als er dies hörte, die gemeiselten Züge verschönerte ein sanftes Lächeln, und vergnüglich schaute er in den Becher.

Ingelheim! du süßer trauter Name! sprach er. Du edle Burg meines ritterlichen Kaisers; so nennt man also noch in dieser Zeit deinen Namen, und die Reben blühen noch, die Karl einst pflanzte in seinem Ingelheim? Weiß man denn auch von Roland noch etwas auf der Welt und von dem großen Carolus, seinem Meister?

Das müßt Ihr den Menschen dort fragen, erwiderte Judas; wir geben uns mit der Erde nicht mehr

es entzwei, daß ihm der Wein über die Finger lief. Ei, Ihr hättet auch die Handschuhe von Stein füglich ablegen können, sprach Balthasar ärgerlich und kredenzte ihm einen silbernen Becher, so ein Maß hielt und in früherer Zeit Tummler genannt wurde. Der Ritter faßte ihn, drückte nur einige unbedeutende Buckeln in den Becher, sperrte das steinerne Maul auf und goß den Wein hinab.

Wie mundet Euch der Wein? fragte Bacchus den Gast. Ihr habt wohl lange keinen getrunken?

Er ist gut, bei meinem Schwert! sehr gut! Was ist es für Gewächs? Rother Ingelheimer, gestrenger Herr! antwortete der Kellermeister.

Das steinerne Auge des Ritters bekam Leben und Glanz, als er dies hörte, die gemeiselten Züge verschönerte ein sanftes Lächeln, und vergnüglich schaute er in den Becher.

Ingelheim! du süßer trauter Name! sprach er. Du edle Burg meines ritterlichen Kaisers; so nennt man also noch in dieser Zeit deinen Namen, und die Reben blühen noch, die Karl einst pflanzte in seinem Ingelheim? Weiß man denn auch von Roland noch etwas auf der Welt und von dem großen Carolus, seinem Meister?

Das müßt Ihr den Menschen dort fragen, erwiderte Judas; wir geben uns mit der Erde nicht mehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0065"/>
es entzwei, daß ihm der Wein über die Finger lief. Ei, Ihr hättet auch die                Handschuhe von Stein füglich ablegen können, sprach Balthasar ärgerlich und kredenzte                ihm einen silbernen Becher, so ein Maß hielt und in früherer Zeit Tummler genannt                wurde. Der Ritter faßte ihn, drückte nur einige unbedeutende Buckeln in den Becher,                sperrte das steinerne Maul auf und goß den Wein hinab.</p><lb/>
        <p>Wie mundet Euch der Wein? fragte Bacchus den Gast. Ihr habt wohl lange keinen                getrunken?</p><lb/>
        <p>Er ist gut, bei meinem Schwert! sehr gut! Was ist es für Gewächs? Rother Ingelheimer,                gestrenger Herr! antwortete der Kellermeister.</p><lb/>
        <p>Das steinerne Auge des Ritters bekam Leben und Glanz, als er dies hörte, die                gemeiselten Züge verschönerte ein sanftes Lächeln, und vergnüglich schaute er in den                Becher.</p><lb/>
        <p>Ingelheim! du süßer trauter Name! sprach er. Du edle Burg meines ritterlichen                Kaisers; so nennt man also noch in dieser Zeit deinen Namen, und die Reben blühen                noch, die Karl einst pflanzte in seinem Ingelheim? Weiß man denn auch von Roland noch                etwas auf der Welt und von dem großen Carolus, seinem Meister?</p><lb/>
        <p>Das müßt Ihr den Menschen dort fragen, erwiderte Judas; wir geben uns mit der Erde                nicht mehr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] es entzwei, daß ihm der Wein über die Finger lief. Ei, Ihr hättet auch die Handschuhe von Stein füglich ablegen können, sprach Balthasar ärgerlich und kredenzte ihm einen silbernen Becher, so ein Maß hielt und in früherer Zeit Tummler genannt wurde. Der Ritter faßte ihn, drückte nur einige unbedeutende Buckeln in den Becher, sperrte das steinerne Maul auf und goß den Wein hinab. Wie mundet Euch der Wein? fragte Bacchus den Gast. Ihr habt wohl lange keinen getrunken? Er ist gut, bei meinem Schwert! sehr gut! Was ist es für Gewächs? Rother Ingelheimer, gestrenger Herr! antwortete der Kellermeister. Das steinerne Auge des Ritters bekam Leben und Glanz, als er dies hörte, die gemeiselten Züge verschönerte ein sanftes Lächeln, und vergnüglich schaute er in den Becher. Ingelheim! du süßer trauter Name! sprach er. Du edle Burg meines ritterlichen Kaisers; so nennt man also noch in dieser Zeit deinen Namen, und die Reben blühen noch, die Karl einst pflanzte in seinem Ingelheim? Weiß man denn auch von Roland noch etwas auf der Welt und von dem großen Carolus, seinem Meister? Das müßt Ihr den Menschen dort fragen, erwiderte Judas; wir geben uns mit der Erde nicht mehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/65
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/65>, abgerufen am 24.04.2024.