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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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außer mir selbst gebracht, daß ich nicht aufschrie, nicht aufsprang, wie wohl sonst geschehen wäre, sondern geduldig das Schreckliche anstarrte, das jetzt kommen sollte. Mein erster Gedanke war nämlich: jetzt kommt der Teufel.

Habt Ihr je im Don Juan jenen bangen Moment geschaut, wo Tritte dumpf und immer näher tönen, wo Leporello schreiend zurückkommt und die Statue des Gouverneurs, ihrem Streitroß auf dem Monument entstiegen, zu dem Gastmahl kommt? Riesengroß mit abgemessenem, dröhnendem Schritt, ein ungeheures Schwert in der Hand, gepanzert, aber ohne Helm, trat die Gestalt ins Gemach. Sie war von Stein, das Gesicht steif und seelenlos; aber dennoch that sich der steinerne Mund auf und sprach: Gott grüß' euch, vielliebe Reben vom Rhein; muß doch das schöne Nachbarkind besuchen an ihrem Jahrestag. Gott grüß'Euch, Jungfrau Rose. Darf ich auch Platz nehmen in Eurem Gelaggaden?

Sie schauten alle verwundert nach der riesigen Statue. Frau Rose aber brach das Stillschweigen, schlug vor Freude die Hände zusammen und schrie: Ei, du meine Güte! 's ist ja der steinerne Roland, so seit vielen hundert Jahren auf dem Domhofe in der lieben Stadt Bremen steht. Ei, das ist schön, daß Ihr uns die Ehre anthut, Herr Ritter! leget doch Schild und Schwert ab und machet es Euch bequem; wollet Ihr

außer mir selbst gebracht, daß ich nicht aufschrie, nicht aufsprang, wie wohl sonst geschehen wäre, sondern geduldig das Schreckliche anstarrte, das jetzt kommen sollte. Mein erster Gedanke war nämlich: jetzt kommt der Teufel.

Habt Ihr je im Don Juan jenen bangen Moment geschaut, wo Tritte dumpf und immer näher tönen, wo Leporello schreiend zurückkommt und die Statue des Gouverneurs, ihrem Streitroß auf dem Monument entstiegen, zu dem Gastmahl kommt? Riesengroß mit abgemessenem, dröhnendem Schritt, ein ungeheures Schwert in der Hand, gepanzert, aber ohne Helm, trat die Gestalt ins Gemach. Sie war von Stein, das Gesicht steif und seelenlos; aber dennoch that sich der steinerne Mund auf und sprach: Gott grüß' euch, vielliebe Reben vom Rhein; muß doch das schöne Nachbarkind besuchen an ihrem Jahrestag. Gott grüß'Euch, Jungfrau Rose. Darf ich auch Platz nehmen in Eurem Gelaggaden?

Sie schauten alle verwundert nach der riesigen Statue. Frau Rose aber brach das Stillschweigen, schlug vor Freude die Hände zusammen und schrie: Ei, du meine Güte! 's ist ja der steinerne Roland, so seit vielen hundert Jahren auf dem Domhofe in der lieben Stadt Bremen steht. Ei, das ist schön, daß Ihr uns die Ehre anthut, Herr Ritter! leget doch Schild und Schwert ab und machet es Euch bequem; wollet Ihr

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[0063] außer mir selbst gebracht, daß ich nicht aufschrie, nicht aufsprang, wie wohl sonst geschehen wäre, sondern geduldig das Schreckliche anstarrte, das jetzt kommen sollte. Mein erster Gedanke war nämlich: jetzt kommt der Teufel. Habt Ihr je im Don Juan jenen bangen Moment geschaut, wo Tritte dumpf und immer näher tönen, wo Leporello schreiend zurückkommt und die Statue des Gouverneurs, ihrem Streitroß auf dem Monument entstiegen, zu dem Gastmahl kommt? Riesengroß mit abgemessenem, dröhnendem Schritt, ein ungeheures Schwert in der Hand, gepanzert, aber ohne Helm, trat die Gestalt ins Gemach. Sie war von Stein, das Gesicht steif und seelenlos; aber dennoch that sich der steinerne Mund auf und sprach: Gott grüß' euch, vielliebe Reben vom Rhein; muß doch das schöne Nachbarkind besuchen an ihrem Jahrestag. Gott grüß'Euch, Jungfrau Rose. Darf ich auch Platz nehmen in Eurem Gelaggaden? Sie schauten alle verwundert nach der riesigen Statue. Frau Rose aber brach das Stillschweigen, schlug vor Freude die Hände zusammen und schrie: Ei, du meine Güte! 's ist ja der steinerne Roland, so seit vielen hundert Jahren auf dem Domhofe in der lieben Stadt Bremen steht. Ei, das ist schön, daß Ihr uns die Ehre anthut, Herr Ritter! leget doch Schild und Schwert ab und machet es Euch bequem; wollet Ihr

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/63>, abgerufen am 24.04.2024.