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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Warum dies erzählen, ihr Herren? Es ist grausig, und ihr versteht doch nicht, was es heißt, eine Seele verlieren.

Wohl wahr, sprach Paulus, wir sind fröhliche Geister und schlummern im Weine und freuen uns ewiger ungetrübter Herrlichkeit und Freude; darum kann uns aber auch kein Grauen anwandeln, denn wer hat Macht über uns, daß er uns elend mache oder uns schrecke? Darum erzähle!

Aber es sitzt ein Mensch am Tisch, der kann es nicht vertragen, sprach der Todte; vor ihm darf ich es nicht sagen.

Nur zu, immer zu! erwiderte ich, an allen Gliedern schauernd, ich kann eine hinlängliche Dosis Schauerliches ertragen, und was ist es am Ende, als daß Euch der Teufel geholt?

Herr, es wäre Euch besser, Ihr betetet! murmelte der Alte, aber Ihr wollt es so haben, so höret: der Mensch, der in jener Nacht in diesem Zimmer bei mir saß, -- es war ein böses Ding mit ihm -- der hatte seine Seele dem Bösen verhandelt, und es war dabei bedingt, daß er sich loskaufen könnte durch eine andere Seele. Schon viele hatte er auf dem Korn gehabt, aber allemal waren sie ihm wieder entgangen. Mich faßte er besser. Ich war wild aufgewachsen ohne Unterricht, und das Leben im Kriege ließ mich nicht viel nachdenken; wenn ich so über ein Schlachtfeld ritt, und der Mondschein fiel herab, und Freund und Feind

Warum dies erzählen, ihr Herren? Es ist grausig, und ihr versteht doch nicht, was es heißt, eine Seele verlieren.

Wohl wahr, sprach Paulus, wir sind fröhliche Geister und schlummern im Weine und freuen uns ewiger ungetrübter Herrlichkeit und Freude; darum kann uns aber auch kein Grauen anwandeln, denn wer hat Macht über uns, daß er uns elend mache oder uns schrecke? Darum erzähle!

Aber es sitzt ein Mensch am Tisch, der kann es nicht vertragen, sprach der Todte; vor ihm darf ich es nicht sagen.

Nur zu, immer zu! erwiderte ich, an allen Gliedern schauernd, ich kann eine hinlängliche Dosis Schauerliches ertragen, und was ist es am Ende, als daß Euch der Teufel geholt?

Herr, es wäre Euch besser, Ihr betetet! murmelte der Alte, aber Ihr wollt es so haben, so höret: der Mensch, der in jener Nacht in diesem Zimmer bei mir saß, — es war ein böses Ding mit ihm — der hatte seine Seele dem Bösen verhandelt, und es war dabei bedingt, daß er sich loskaufen könnte durch eine andere Seele. Schon viele hatte er auf dem Korn gehabt, aber allemal waren sie ihm wieder entgangen. Mich faßte er besser. Ich war wild aufgewachsen ohne Unterricht, und das Leben im Kriege ließ mich nicht viel nachdenken; wenn ich so über ein Schlachtfeld ritt, und der Mondschein fiel herab, und Freund und Feind

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[0058] Warum dies erzählen, ihr Herren? Es ist grausig, und ihr versteht doch nicht, was es heißt, eine Seele verlieren. Wohl wahr, sprach Paulus, wir sind fröhliche Geister und schlummern im Weine und freuen uns ewiger ungetrübter Herrlichkeit und Freude; darum kann uns aber auch kein Grauen anwandeln, denn wer hat Macht über uns, daß er uns elend mache oder uns schrecke? Darum erzähle! Aber es sitzt ein Mensch am Tisch, der kann es nicht vertragen, sprach der Todte; vor ihm darf ich es nicht sagen. Nur zu, immer zu! erwiderte ich, an allen Gliedern schauernd, ich kann eine hinlängliche Dosis Schauerliches ertragen, und was ist es am Ende, als daß Euch der Teufel geholt? Herr, es wäre Euch besser, Ihr betetet! murmelte der Alte, aber Ihr wollt es so haben, so höret: der Mensch, der in jener Nacht in diesem Zimmer bei mir saß, — es war ein böses Ding mit ihm — der hatte seine Seele dem Bösen verhandelt, und es war dabei bedingt, daß er sich loskaufen könnte durch eine andere Seele. Schon viele hatte er auf dem Korn gehabt, aber allemal waren sie ihm wieder entgangen. Mich faßte er besser. Ich war wild aufgewachsen ohne Unterricht, und das Leben im Kriege ließ mich nicht viel nachdenken; wenn ich so über ein Schlachtfeld ritt, und der Mondschein fiel herab, und Freund und Feind

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/58>, abgerufen am 28.03.2024.