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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Dort sitzt er ja noch, wie vor zweihundert Jahren, der wackere Zecher. -- Mir graute, als ich hinsah; eine bleiche abgehärmte Gestalt saß in der Ecke, schluchzte und weinte sehr und trank dazu sehr viel Rheinwein; aber es war Niemand anderes, als eben der Kellermeister Balthasar, der aus Unser lieben Frauen Kirchhof herabgekommen war, nachdem ihn Matthäus aus dem Schlaf geschellt.

Nun, alter Balthasar, rief ihm Jacobus zu, du hast also als Reitknecht gedient beim Hauptmann Gutekunst und warst sogar Gesandtschaftsschreiber oder Sekretär, ehe du Kellermeister wurdest; was machte denn der Herr, so den Hahnen im Hirnkasten hatte, für Bedingnisse?

O Herr! stöhnte der alte Kellermeister aus tiefer Seele, und es war, als ob ihn der ewige Tod auf dem Fagott begleitete, so gräulich tönte es aus seiner Brust, o Herr! fordert nicht von mir, daß ich es sage. Heraus damit! schrieen die Apostel, was wollte er mit dem Spiritusableiter? der Weingeistschröpfer, was wollte er?

Meine Seele.

Armer Kerl, sagte Petrus sehr errst, und um was wollte er deine arme Seele?

Um Wein, murmelte er dumpf, und mir war es, als ob eine Stimme ohne Hoffnung spräche.

Rede deutlicher, Alter, wie hat er es gemacht mit deiner Seele? Er schwieg lange; endlich sprach er:

Dort sitzt er ja noch, wie vor zweihundert Jahren, der wackere Zecher. — Mir graute, als ich hinsah; eine bleiche abgehärmte Gestalt saß in der Ecke, schluchzte und weinte sehr und trank dazu sehr viel Rheinwein; aber es war Niemand anderes, als eben der Kellermeister Balthasar, der aus Unser lieben Frauen Kirchhof herabgekommen war, nachdem ihn Matthäus aus dem Schlaf geschellt.

Nun, alter Balthasar, rief ihm Jacobus zu, du hast also als Reitknecht gedient beim Hauptmann Gutekunst und warst sogar Gesandtschaftsschreiber oder Sekretär, ehe du Kellermeister wurdest; was machte denn der Herr, so den Hahnen im Hirnkasten hatte, für Bedingnisse?

O Herr! stöhnte der alte Kellermeister aus tiefer Seele, und es war, als ob ihn der ewige Tod auf dem Fagott begleitete, so gräulich tönte es aus seiner Brust, o Herr! fordert nicht von mir, daß ich es sage. Heraus damit! schrieen die Apostel, was wollte er mit dem Spiritusableiter? der Weingeistschröpfer, was wollte er?

Meine Seele.

Armer Kerl, sagte Petrus sehr errst, und um was wollte er deine arme Seele?

Um Wein, murmelte er dumpf, und mir war es, als ob eine Stimme ohne Hoffnung spräche.

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[0057] Dort sitzt er ja noch, wie vor zweihundert Jahren, der wackere Zecher. — Mir graute, als ich hinsah; eine bleiche abgehärmte Gestalt saß in der Ecke, schluchzte und weinte sehr und trank dazu sehr viel Rheinwein; aber es war Niemand anderes, als eben der Kellermeister Balthasar, der aus Unser lieben Frauen Kirchhof herabgekommen war, nachdem ihn Matthäus aus dem Schlaf geschellt. Nun, alter Balthasar, rief ihm Jacobus zu, du hast also als Reitknecht gedient beim Hauptmann Gutekunst und warst sogar Gesandtschaftsschreiber oder Sekretär, ehe du Kellermeister wurdest; was machte denn der Herr, so den Hahnen im Hirnkasten hatte, für Bedingnisse? O Herr! stöhnte der alte Kellermeister aus tiefer Seele, und es war, als ob ihn der ewige Tod auf dem Fagott begleitete, so gräulich tönte es aus seiner Brust, o Herr! fordert nicht von mir, daß ich es sage. Heraus damit! schrieen die Apostel, was wollte er mit dem Spiritusableiter? der Weingeistschröpfer, was wollte er? Meine Seele. Armer Kerl, sagte Petrus sehr errst, und um was wollte er deine arme Seele? Um Wein, murmelte er dumpf, und mir war es, als ob eine Stimme ohne Hoffnung spräche. Rede deutlicher, Alter, wie hat er es gemacht mit deiner Seele? Er schwieg lange; endlich sprach er:

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/57>, abgerufen am 20.04.2024.