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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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meister warf die Mütze geschickt zwischen den Beinen durch an die Decke und stimmte ein in das Juheisa, heisa, he! daß mir die Ohren gellten. Welch ein Anblick! Der hölzerne Bacchus, so auf dem Faß im Keller geritten, war herabgestiegen, nackt, wie er war; mit seinem breiten freundlichen Gesicht, mit den klaren Aeuglein grüßte er das Volk und trippelte auf kleinen Füßchen in das Zimmer; an seiner Hand führte er ganz ehrbarlich wie seine Braut eine alte Matrone von hoher Gestalt und weiblicher Dicke. Noch weiß ich nicht bis dato, wie es möglich war, daß dies alles so geschehen aber damals war es mir sogleich klar, daß diese Dame niemand anderes sei als die alte Rose, das ungeheure Faß im Rosenkeller.

Und wie hatte sie sich köstlich aufgeputzt, die alte Rheinländerin! Sie mußte in der Jugend einmal recht schön gewesen sein, denn wenn auch die Zeit einige Runzeln um Stirne und Mund gelegt hatte, wenn auch das frische Roth der Jugend von ihren Wangen verschwunden war, zwei Jahrhunderte konnten die edeln Züge des seinen Gesichts nicht völlig verwischen. Ihre Augenbrauen waren grau geworden, und einige unziemliche graue Barthaare wuchsen auf ihrem spitzigen Kinn, aber die Haare, die um die Stirne schön geglättet lagen, waren nußbraun und nur etwas weniges mit Silbergrau gemischt. Auf dem Kopfe trug sie eine schwarze Sammtmütze, die sich enge an die Schläfe anschloß; dazu hatte sie ein Wamms vom feinsten schwarzen

meister warf die Mütze geschickt zwischen den Beinen durch an die Decke und stimmte ein in das Juheisa, heisa, he! daß mir die Ohren gellten. Welch ein Anblick! Der hölzerne Bacchus, so auf dem Faß im Keller geritten, war herabgestiegen, nackt, wie er war; mit seinem breiten freundlichen Gesicht, mit den klaren Aeuglein grüßte er das Volk und trippelte auf kleinen Füßchen in das Zimmer; an seiner Hand führte er ganz ehrbarlich wie seine Braut eine alte Matrone von hoher Gestalt und weiblicher Dicke. Noch weiß ich nicht bis dato, wie es möglich war, daß dies alles so geschehen aber damals war es mir sogleich klar, daß diese Dame niemand anderes sei als die alte Rose, das ungeheure Faß im Rosenkeller.

Und wie hatte sie sich köstlich aufgeputzt, die alte Rheinländerin! Sie mußte in der Jugend einmal recht schön gewesen sein, denn wenn auch die Zeit einige Runzeln um Stirne und Mund gelegt hatte, wenn auch das frische Roth der Jugend von ihren Wangen verschwunden war, zwei Jahrhunderte konnten die edeln Züge des seinen Gesichts nicht völlig verwischen. Ihre Augenbrauen waren grau geworden, und einige unziemliche graue Barthaare wuchsen auf ihrem spitzigen Kinn, aber die Haare, die um die Stirne schön geglättet lagen, waren nußbraun und nur etwas weniges mit Silbergrau gemischt. Auf dem Kopfe trug sie eine schwarze Sammtmütze, die sich enge an die Schläfe anschloß; dazu hatte sie ein Wamms vom feinsten schwarzen

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[0037] meister warf die Mütze geschickt zwischen den Beinen durch an die Decke und stimmte ein in das Juheisa, heisa, he! daß mir die Ohren gellten. Welch ein Anblick! Der hölzerne Bacchus, so auf dem Faß im Keller geritten, war herabgestiegen, nackt, wie er war; mit seinem breiten freundlichen Gesicht, mit den klaren Aeuglein grüßte er das Volk und trippelte auf kleinen Füßchen in das Zimmer; an seiner Hand führte er ganz ehrbarlich wie seine Braut eine alte Matrone von hoher Gestalt und weiblicher Dicke. Noch weiß ich nicht bis dato, wie es möglich war, daß dies alles so geschehen aber damals war es mir sogleich klar, daß diese Dame niemand anderes sei als die alte Rose, das ungeheure Faß im Rosenkeller. Und wie hatte sie sich köstlich aufgeputzt, die alte Rheinländerin! Sie mußte in der Jugend einmal recht schön gewesen sein, denn wenn auch die Zeit einige Runzeln um Stirne und Mund gelegt hatte, wenn auch das frische Roth der Jugend von ihren Wangen verschwunden war, zwei Jahrhunderte konnten die edeln Züge des seinen Gesichts nicht völlig verwischen. Ihre Augenbrauen waren grau geworden, und einige unziemliche graue Barthaare wuchsen auf ihrem spitzigen Kinn, aber die Haare, die um die Stirne schön geglättet lagen, waren nußbraun und nur etwas weniges mit Silbergrau gemischt. Auf dem Kopfe trug sie eine schwarze Sammtmütze, die sich enge an die Schläfe anschloß; dazu hatte sie ein Wamms vom feinsten schwarzen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/37>, abgerufen am 19.04.2024.