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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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dem Jäger und dem rothen Judas saß Einer, den sie Andreas nannten. Es war ein überaus zierlicher und feiner Herr; auf seinen schönen, noch jugendlichen Zügen lag ein wehmüthiger Ernst, und um die zarten Lippen schwebte ein mildes Lächeln; er trug eine blonde Perrücke mit vielen Locken, was mit seinen großen braunen Augen einen auffallenden aber angenehmen Kontrast bildete. Dem Jäger gegenüber saß ein großer wohlgemästeter Mann, mit rothausgeschlagenem Gesicht und einer Purpurnase. Er hatte die Unterlippe weit herabhängen und trommelte mit den Fingern auf seinem dicken Bauch; sie hießen ihn Philippus.

Ein starkknochiger Mann, fast wie ein Krieger anzuschauen, saß neben ihm; ein muthiges Feuer brannte in seinen dunkeln Augen, ein kräftiges Roth schmückte seine Wangen, und ein dichter Bart umschattete den Mund. Er hieß Herr Petrus.

Wie unter echten alten Trinkern, so wollte unter diesen Gästen das Gespräch nicht recht fortgehen ohne Wein; da erschien eine neue Gestalt in der Thüre. Es war ein kleines altes Männlein mit schlotternden Beinen und grauem Haar; sein Kopf sah aus wie ein Todtenkopf, über den man eine dünne Haut gespannt, und seine Augen lagen trübe in den tiefen Höhlen; er schleppte keuchend einen großen Korb herbei und grüßte die Gäste demüthig.

Ha! siehe da, der alte Kellermeister Balthasar! riefen die Gäste ihm entgegen; frisch heran, Alter, setz

dem Jäger und dem rothen Judas saß Einer, den sie Andreas nannten. Es war ein überaus zierlicher und feiner Herr; auf seinen schönen, noch jugendlichen Zügen lag ein wehmüthiger Ernst, und um die zarten Lippen schwebte ein mildes Lächeln; er trug eine blonde Perrücke mit vielen Locken, was mit seinen großen braunen Augen einen auffallenden aber angenehmen Kontrast bildete. Dem Jäger gegenüber saß ein großer wohlgemästeter Mann, mit rothausgeschlagenem Gesicht und einer Purpurnase. Er hatte die Unterlippe weit herabhängen und trommelte mit den Fingern auf seinem dicken Bauch; sie hießen ihn Philippus.

Ein starkknochiger Mann, fast wie ein Krieger anzuschauen, saß neben ihm; ein muthiges Feuer brannte in seinen dunkeln Augen, ein kräftiges Roth schmückte seine Wangen, und ein dichter Bart umschattete den Mund. Er hieß Herr Petrus.

Wie unter echten alten Trinkern, so wollte unter diesen Gästen das Gespräch nicht recht fortgehen ohne Wein; da erschien eine neue Gestalt in der Thüre. Es war ein kleines altes Männlein mit schlotternden Beinen und grauem Haar; sein Kopf sah aus wie ein Todtenkopf, über den man eine dünne Haut gespannt, und seine Augen lagen trübe in den tiefen Höhlen; er schleppte keuchend einen großen Korb herbei und grüßte die Gäste demüthig.

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[0035] dem Jäger und dem rothen Judas saß Einer, den sie Andreas nannten. Es war ein überaus zierlicher und feiner Herr; auf seinen schönen, noch jugendlichen Zügen lag ein wehmüthiger Ernst, und um die zarten Lippen schwebte ein mildes Lächeln; er trug eine blonde Perrücke mit vielen Locken, was mit seinen großen braunen Augen einen auffallenden aber angenehmen Kontrast bildete. Dem Jäger gegenüber saß ein großer wohlgemästeter Mann, mit rothausgeschlagenem Gesicht und einer Purpurnase. Er hatte die Unterlippe weit herabhängen und trommelte mit den Fingern auf seinem dicken Bauch; sie hießen ihn Philippus. Ein starkknochiger Mann, fast wie ein Krieger anzuschauen, saß neben ihm; ein muthiges Feuer brannte in seinen dunkeln Augen, ein kräftiges Roth schmückte seine Wangen, und ein dichter Bart umschattete den Mund. Er hieß Herr Petrus. Wie unter echten alten Trinkern, so wollte unter diesen Gästen das Gespräch nicht recht fortgehen ohne Wein; da erschien eine neue Gestalt in der Thüre. Es war ein kleines altes Männlein mit schlotternden Beinen und grauem Haar; sein Kopf sah aus wie ein Todtenkopf, über den man eine dünne Haut gespannt, und seine Augen lagen trübe in den tiefen Höhlen; er schleppte keuchend einen großen Korb herbei und grüßte die Gäste demüthig. Ha! siehe da, der alte Kellermeister Balthasar! riefen die Gäste ihm entgegen; frisch heran, Alter, setz

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/35>, abgerufen am 29.03.2024.