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Hasak, Max: Die Predigtkirche im Mittelalter. Berlin, 1893.

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die unmöglich waren. Gurlitt hätte aus den von ihm selbst aufgeführten Hallengrundrissen leicht ersehen können, daß wenn der Umgang als Halle um den Chor herumgeführt werden soll, man breite Arcaden im Chorpolygone selbst haben muß. Daher können bei solchen Hallenumgängen höchstens drei Polygonseiten vorhanden sein. Wie mißlich es selbst mit drei Seiten noch immer ist, zeigt der Querschnitt von Zwettl. Allein richtige Lösungen für Chorhallen haben die Frauenkirche in München, die Hauptkirche in Guben und ähnliche Anlagen. Die Seitenschiffsverhältnisse kommen hierfür erst in zweiter Linie in Betracht. Diese Halle um den Chor schreibt Gurlitt auch dem Languedoc zu, aber ebenfalls ohne nähere Beweise anzuführen. Sie wird daher ebenso wenig dem Languedoc besonders angehören, wie die an den Seiten der Chöre befindliche Capellenanlage, das unentschiedene Kreuzschiff usw. Ferner heißt es Seite 317 "Hier (in Kolin) führte Peter mit aller Entschiedenheit den Umgang als Halle durch." Kolin hat aber gar keinen Hallenumgang; der Umgang ist, wie in Prag usw., basilical, d. h. nur in Höhe der Capellen herumgeführt.

Die letzte ganz besondere Aehnlichkeit, die bestehen soll, ist der einzige Thurm an der Südseite, der Prag und Barcelona gemeinsam ist. Daß in Prag nur ein Thurm an der Südseite steht, daran ist der große Brand von 1541 schuld, da der Thurm an der Nordseite damals abgebrannt ist. Also auch diese "häretische" Verbindung zwischen Prag und Barcelona ermangelt der Thatsache. Ebenso überraschend, wie alle diese Aehnlichkeiten zwischen Prag und Barcelona, ist die Behauptung, der Chor von Gerona sei das rechte und echte Vorbild von Prag. Dieser hat ebenfalls keinerlei besondere Aehnlichkeit mit Prag, wie ein vergleichender Blick auf beide Grundrisse bestätigen wird. Ebensowenig sind die Chorhäupter von Cluny und Pontigny Vorbilder von dem zu Alby, wie Gurlitt behauptet. Ein Blick auf dieselben zeigt drei vollständig verschiedene Anlagen. (Vgl. d. Abb. auf S. 20/21.)

Wenn man nun durchaus den Pfad der Kunstforscher betreten, d. h. nachforschen will, welches Bauwerk Matthias von

die unmöglich waren. Gurlitt hätte aus den von ihm selbst aufgeführten Hallengrundrissen leicht ersehen können, daß wenn der Umgang als Halle um den Chor herumgeführt werden soll, man breite Arcaden im Chorpolygone selbst haben muß. Daher können bei solchen Hallenumgängen höchstens drei Polygonseiten vorhanden sein. Wie mißlich es selbst mit drei Seiten noch immer ist, zeigt der Querschnitt von Zwettl. Allein richtige Lösungen für Chorhallen haben die Frauenkirche in München, die Hauptkirche in Guben und ähnliche Anlagen. Die Seitenschiffsverhältnisse kommen hierfür erst in zweiter Linie in Betracht. Diese Halle um den Chor schreibt Gurlitt auch dem Languedoc zu, aber ebenfalls ohne nähere Beweise anzuführen. Sie wird daher ebenso wenig dem Languedoc besonders angehören, wie die an den Seiten der Chöre befindliche Capellenanlage, das unentschiedene Kreuzschiff usw. Ferner heißt es Seite 317 „Hier (in Kolin) führte Peter mit aller Entschiedenheit den Umgang als Halle durch.“ Kolin hat aber gar keinen Hallenumgang; der Umgang ist, wie in Prag usw., basilical, d. h. nur in Höhe der Capellen herumgeführt.

Die letzte ganz besondere Aehnlichkeit, die bestehen soll, ist der einzige Thurm an der Südseite, der Prag und Barcelona gemeinsam ist. Daß in Prag nur ein Thurm an der Südseite steht, daran ist der große Brand von 1541 schuld, da der Thurm an der Nordseite damals abgebrannt ist. Also auch diese „häretische“ Verbindung zwischen Prag und Barcelona ermangelt der Thatsache. Ebenso überraschend, wie alle diese Aehnlichkeiten zwischen Prag und Barcelona, ist die Behauptung, der Chor von Gerona sei das rechte und echte Vorbild von Prag. Dieser hat ebenfalls keinerlei besondere Aehnlichkeit mit Prag, wie ein vergleichender Blick auf beide Grundrisse bestätigen wird. Ebensowenig sind die Chorhäupter von Cluny und Pontigny Vorbilder von dem zu Alby, wie Gurlitt behauptet. Ein Blick auf dieselben zeigt drei vollständig verschiedene Anlagen. (Vgl. d. Abb. auf S. 20/21.)

Wenn man nun durchaus den Pfad der Kunstforscher betreten, d. h. nachforschen will, welches Bauwerk Matthias von

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[25/0031] die unmöglich waren. Gurlitt hätte aus den von ihm selbst aufgeführten Hallengrundrissen leicht ersehen können, daß wenn der Umgang als Halle um den Chor herumgeführt werden soll, man breite Arcaden im Chorpolygone selbst haben muß. Daher können bei solchen Hallenumgängen höchstens drei Polygonseiten vorhanden sein. Wie mißlich es selbst mit drei Seiten noch immer ist, zeigt der Querschnitt von Zwettl. Allein richtige Lösungen für Chorhallen haben die Frauenkirche in München, die Hauptkirche in Guben und ähnliche Anlagen. Die Seitenschiffsverhältnisse kommen hierfür erst in zweiter Linie in Betracht. Diese Halle um den Chor schreibt Gurlitt auch dem Languedoc zu, aber ebenfalls ohne nähere Beweise anzuführen. Sie wird daher ebenso wenig dem Languedoc besonders angehören, wie die an den Seiten der Chöre befindliche Capellenanlage, das unentschiedene Kreuzschiff usw. Ferner heißt es Seite 317 „Hier (in Kolin) führte Peter mit aller Entschiedenheit den Umgang als Halle durch.“ Kolin hat aber gar keinen Hallenumgang; der Umgang ist, wie in Prag usw., basilical, d. h. nur in Höhe der Capellen herumgeführt. Die letzte ganz besondere Aehnlichkeit, die bestehen soll, ist der einzige Thurm an der Südseite, der Prag und Barcelona gemeinsam ist. Daß in Prag nur ein Thurm an der Südseite steht, daran ist der große Brand von 1541 schuld, da der Thurm an der Nordseite damals abgebrannt ist. Also auch diese „häretische“ Verbindung zwischen Prag und Barcelona ermangelt der Thatsache. Ebenso überraschend, wie alle diese Aehnlichkeiten zwischen Prag und Barcelona, ist die Behauptung, der Chor von Gerona sei das rechte und echte Vorbild von Prag. Dieser hat ebenfalls keinerlei besondere Aehnlichkeit mit Prag, wie ein vergleichender Blick auf beide Grundrisse bestätigen wird. Ebensowenig sind die Chorhäupter von Cluny und Pontigny Vorbilder von dem zu Alby, wie Gurlitt behauptet. Ein Blick auf dieselben zeigt drei vollständig verschiedene Anlagen. (Vgl. d. Abb. auf S. 20/21.) Wenn man nun durchaus den Pfad der Kunstforscher betreten, d. h. nachforschen will, welches Bauwerk Matthias von

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Zitationshilfe: Hasak, Max: Die Predigtkirche im Mittelalter. Berlin, 1893, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hasak_predigtkirche_1893/31>, abgerufen am 18.04.2024.