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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Von der Rede Zierlichkeit.
Jch schlaffe/ weil ich bin die Nacht/
beschämet/ wann ich solte wachen:
Weckt mich nicht auf/ nehmt euch in acht/
schweigt still/ geht weg/ ohn Red und
Lachen.

H. Schottelius hat hin und wieder in seinen
Schrifften solche Kunstartige Erfindungen/
Red-Arten und Wörter/ darüber sich der Leser
verwundern/ darbey still halten und sein verstän-
diges Nachsinnen üben muß. Die Wunder-"
Kraft
der Natur/ das Wesenbild aller Din-"
ge/ der Nachspruch aller Kunst/ bestehet"
nicht in dem faulwitzigen Wahn deß unver-"
ständen Pöbelfreundes sondern in der grud-"
richtigen Kunst-Fügung
der Teutschen"
Sprache/ etc.

63. Das Ende der Rede und der abgezielte
Zweck derselben ist/ daß man sich verstehen ma-
chet. Zu solchem Ziel kan man mit groben/ un-
richtigen und gestimmelten Worten so wol gelan-
gen/ als mit zierlichen/ Kunstgründigen und
höflichen Worten. Wer wolte aber nicht lieber
wann er die Wahl hätte/ in einem schönen Wa-
gen fahren/ als ohne Schuhe einen sandigen
und schroffen Weg gehen? Ja/ wann auch der
Jnhalt gut/ die Wort aber nicht nach der
Sprachkunst (Grammatice) Lehrrichtig ge-
brauchet werden/ so wird solche Rede unange-

nehm
E
Von der Rede Zierlichkeit.
Jch ſchlaffe/ weil ich bin die Nacht/
beſchaͤmet/ wann ich ſolte wachen:
Weckt mich nicht auf/ nehmt euch in acht/
ſchweigt ſtill/ geht weg/ ohn Red und
Lachen.

H. Schottelius hat hin und wieder in ſeinen
Schrifften ſolche Kunſtartige Erfindungen/
Red-Arten und Woͤrter/ daruͤber ſich der Leſer
verwundern/ darbey ſtill halten und ſein verſtaͤn-
diges Nachſinnen uͤben muß. Die Wunder-„
Kraft
der Natur/ das Weſenbild aller Din-„
ge/ der Nachſpruch aller Kunſt/ beſtehet„
nicht in dem faulwitzigen Wahn deß unver-„
ſtaͤndẽ Poͤbelfreundes ſondern in der grūd-„
richtigen Kunſt-Fuͤgung
der Teutſchen„
Sprache/ ꝛc.

63. Das Ende der Rede und der abgezielte
Zweck derſelben iſt/ daß man ſich verſtehen ma-
chet. Zu ſolchem Ziel kan man mit groben/ un-
richtigen und geſtimmeltẽ Worten ſo wol gelan-
gen/ als mit zierlichen/ Kunſtgruͤndigen und
hoͤflichen Worten. Wer wolte aber nicht lieber
wann er die Wahl haͤtte/ in einem ſchoͤnen Wa-
gen fahren/ als ohne Schuhe einen ſandigen
und ſchroffen Weg gehen? Ja/ wann auch der
Jnhalt gut/ die Wort aber nicht nach der
Sprachkunſt (Grammaticè) Lehrrichtig ge-
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[65/0097] Von der Rede Zierlichkeit. Jch ſchlaffe/ weil ich bin die Nacht/ beſchaͤmet/ wann ich ſolte wachen: Weckt mich nicht auf/ nehmt euch in acht/ ſchweigt ſtill/ geht weg/ ohn Red und Lachen. H. Schottelius hat hin und wieder in ſeinen Schrifften ſolche Kunſtartige Erfindungen/ Red-Arten und Woͤrter/ daruͤber ſich der Leſer verwundern/ darbey ſtill halten und ſein verſtaͤn- diges Nachſinnen uͤben muß. Die Wunder-„ Kraft der Natur/ das Weſenbild aller Din-„ ge/ der Nachſpruch aller Kunſt/ beſtehet„ nicht in dem faulwitzigen Wahn deß unver-„ ſtaͤndẽ Poͤbelfreundes ſondern in der grūd-„ richtigen Kunſt-Fuͤgung der Teutſchen„ Sprache/ ꝛc. 63. Das Ende der Rede und der abgezielte Zweck derſelben iſt/ daß man ſich verſtehen ma- chet. Zu ſolchem Ziel kan man mit groben/ un- richtigen und geſtimmeltẽ Worten ſo wol gelan- gen/ als mit zierlichen/ Kunſtgruͤndigen und hoͤflichen Worten. Wer wolte aber nicht lieber wann er die Wahl haͤtte/ in einem ſchoͤnen Wa- gen fahren/ als ohne Schuhe einen ſandigen und ſchroffen Weg gehen? Ja/ wann auch der Jnhalt gut/ die Wort aber nicht nach der Sprachkunſt (Grammaticè) Lehrrichtig ge- brauchet werden/ ſo wird ſolche Rede unange- nehm E

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/97>, abgerufen am 25.04.2024.