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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Von dem Jnhalt der Rede.
35. Von den Lehren die behandlet werden sollen.
36. Wie die Lehr-Sprüche einzuführen.
37. Von der Ordnung in den Reden.
38. überflüssige Wörter zuvermeiden.
39. Die Rede sol nachsinnig seyn.
40. Der Redner und Poet haben viel Kunstfü-
gungen gemein.
IV.
Von dem Jnhalt der Rede.

ES meldet Pausanias (in Boet. f.
105.) daß viel Nachtigallen umb
das Grab Orphei nisten und zie-
hen/ welche viel lieblicher singen
sollen/ als andre die sonsten in dem
Lande hegen. Ob nun erstgerühmter Poet durch
sein Asche die Lieblichkeit deß Gesangs gleichsam
belebet/ lassen wir an seinem Orte beruhen; das ist
aber gewiß/ daß die jenigen/ welche sich bey der
Gelehrten Schrifften aufhalten (in welchen sie
oder vielmehr ihr hochbegabter Geist gleichsam
begraben ist/) unvermerkter Weise ihrer Wolre-
denheit behäglichst nachahmen. Was wil doch
der jenige schreiben oder sagen/ der zuvor nichts
gelernet und gelesen hat? Nichts wird mit uns"
gebohren/ ob wir gleich von GOTT mit einer"
natürlichen Fähigkeit viel zuerlernen begabet"
sind/ und gleichsa von der Natur zu einer Sache"
mehr gewidmet scheinen als zu der andern. So

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B vj
Von dem Jnhalt der Rede.
35. Von den Lehren die behandlet werden ſollen.
36. Wie die Lehr-Spruͤche einzufuͤhren.
37. Von der Ordnung in den Reden.
38. uͤberfluͤſſige Woͤrter zuvermeiden.
39. Die Rede ſol nachſinnig ſeyn.
40. Der Redner und Poët haben viel Kunſtfuͤ-
gungen gemein.
IV.
Von dem Jnhalt der Rede.

ES meldet Pauſanias (in Boet. f.
105.) daß viel Nachtigallen umb
das Grab Orphei niſten und zie-
hen/ welche viel lieblicher ſingen
ſollen/ als andre die ſonſten in dem
Lande hegen. Ob nun erſtgeruͤhmter Poët durch
ſein Aſche die Lieblichkeit deß Geſangs gleichſam
belebet/ laſſen wir an ſeinem Orte beruhen; das iſt
aber gewiß/ daß die jenigen/ welche ſich bey der
Gelehrten Schrifften aufhalten (in welchen ſie
oder vielmehr ihr hochbegabter Geiſt gleichſam
begraben iſt/) unvermerkter Weiſe ihrer Wolre-
denheit behaͤglichſt nachahmen. Was wil doch
der jenige ſchreiben oder ſagen/ der zuvor nichts
gelernet und geleſen hat? Nichts wird mit uns“
gebohren/ ob wir gleich von GOTT mit einer„
natuͤrlichen Faͤhigkeit viel zuerlernen begabet„
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[27/0059] Von dem Jnhalt der Rede. 35. Von den Lehren die behandlet werden ſollen. 36. Wie die Lehr-Spruͤche einzufuͤhren. 37. Von der Ordnung in den Reden. 38. uͤberfluͤſſige Woͤrter zuvermeiden. 39. Die Rede ſol nachſinnig ſeyn. 40. Der Redner und Poët haben viel Kunſtfuͤ- gungen gemein. IV. Von dem Jnhalt der Rede. ES meldet Pauſanias (in Boet. f. 105.) daß viel Nachtigallen umb das Grab Orphei niſten und zie- hen/ welche viel lieblicher ſingen ſollen/ als andre die ſonſten in dem Lande hegen. Ob nun erſtgeruͤhmter Poët durch ſein Aſche die Lieblichkeit deß Geſangs gleichſam belebet/ laſſen wir an ſeinem Orte beruhen; das iſt aber gewiß/ daß die jenigen/ welche ſich bey der Gelehrten Schrifften aufhalten (in welchen ſie oder vielmehr ihr hochbegabter Geiſt gleichſam begraben iſt/) unvermerkter Weiſe ihrer Wolre- denheit behaͤglichſt nachahmen. Was wil doch der jenige ſchreiben oder ſagen/ der zuvor nichts gelernet und geleſen hat? Nichts wird mit uns“ gebohren/ ob wir gleich von GOTT mit einer„ natuͤrlichen Faͤhigkeit viel zuerlernen begabet„ ſind/ uñ gleichſã von der Natur zu einer Sache„ mehr gewidmet ſcheinen als zu der andern. So gu B vj

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/59>, abgerufen am 25.04.2024.