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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Von Veränderung der Sprachen.
zu reden pfleget/ und bleibet sie also der Gelehr-
ten Muttersprache/ mit Verlauff der Zeit ist
sie vor ihrem ersten Stammgrund (lingva o-
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) fast gantz abgekommen/ daß sie noch ein
Jtalianer noch einer der in dem Latein wol be-
schlagen ist/ nicht verstehen kan; Massen sol-
ches klärlich zuersehen/ aus der Poesi Osca/ deß
Sinnreichen Jesuit. J. Balde.

7. Von der Sclavonischen Sprache/ wel-
che 72 andre als die Ungarische/ Böhmische/
Polnische etc. unter sich haben und verstehen
sol/ ist nichts zu melden; Massen in solcher kei-
ne/ oder gar wenig Bücher beschrieben/ und
nach keiner vollständigen Lehrarte verfasset/
kan begrieffen werden.

8. Was wunder ist es dann/ wann unsre"
uhralte Majestätische Wort und Verstand-"
reiche Teutsche Heldensprache/ von den allge-"
meinen Gesetzen deß wandelbaren Welt We-"
sens sich nicht befreyen mögen? Zumahlen sie
von den meinsten und grössten Theil der Eu-
repeischen Volkerschafften gebrauchet worden/
und von fast unerdenklichen Jahren in vieler-
ley Mundarten gesondert/ nach und nach an-
derst ausgeredet/ anderst geschrieben und an-
derst verfasset worden; wie hiervon umbständig

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Von Veraͤnderung der Sprachen.
zu reden pfleget/ und bleibet ſie alſo der Gelehr-
ten Mutterſprache/ mit Verlauff der Zeit iſt
ſie vor ihrem erſten Stammgrund (lingva o-
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) faſt gantz abgekommen/ daß ſie noch ein
Jtalianer noch einer der in dem Latein wol be-
ſchlagen iſt/ nicht verſtehen kan; Maſſen ſol-
ches klaͤrlich zuerſehen/ aus der Poeſi Oſca/ deß
Sinnreichen Jeſuit. J. Balde.

7. Von der Sclavoniſchen Sprache/ wel-
che 72 andre als die Ungariſche/ Boͤhmiſche/
Polniſche ꝛc. unter ſich haben und verſtehen
ſol/ iſt nichts zu melden; Maſſen in ſolcher kei-
ne/ oder gar wenig Buͤcher beſchrieben/ und
nach keiner vollſtaͤndigen Lehrarte verfaſſet/
kan begrieffen werden.

8. Was wunder iſt es dann/ wann unſre“
uhralte Majeſtaͤtiſche Wort und Verſtand-„
reiche Teutſche Heldenſprache/ von den allge-„
meinen Geſetzen deß wandelbaren Welt We-„
ſens ſich nicht befreyen moͤgen? Zumahlen ſie
von den meinſten und groͤſſten Theil der Eu-
repeiſchen Volkerſchafften gebrauchet worden/
und von faſt unerdenklichen Jahren in vieler-
ley Mundarten geſondert/ nach und nach an-
derſt ausgeredet/ anderſt geſchrieben und an-
deꝛſt verfaſſet worden; wie hiervon umbſtaͤndig

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[5/0037] Von Veraͤnderung der Sprachen. zu reden pfleget/ und bleibet ſie alſo der Gelehr- ten Mutterſprache/ mit Verlauff der Zeit iſt ſie vor ihrem erſten Stammgrund (lingva o- ſca) faſt gantz abgekommen/ daß ſie noch ein Jtalianer noch einer der in dem Latein wol be- ſchlagen iſt/ nicht verſtehen kan; Maſſen ſol- ches klaͤrlich zuerſehen/ aus der Poeſi Oſca/ deß Sinnreichen Jeſuit. J. Balde. 7. Von der Sclavoniſchen Sprache/ wel- che 72 andre als die Ungariſche/ Boͤhmiſche/ Polniſche ꝛc. unter ſich haben und verſtehen ſol/ iſt nichts zu melden; Maſſen in ſolcher kei- ne/ oder gar wenig Buͤcher beſchrieben/ und nach keiner vollſtaͤndigen Lehrarte verfaſſet/ kan begrieffen werden. 8. Was wunder iſt es dann/ wann unſre“ uhralte Majeſtaͤtiſche Wort und Verſtand-„ reiche Teutſche Heldenſprache/ von den allge-„ meinen Geſetzen deß wandelbaren Welt We-„ ſens ſich nicht befreyen moͤgen? Zumahlen ſie von den meinſten und groͤſſten Theil der Eu- repeiſchen Volkerſchafften gebrauchet worden/ und von faſt unerdenklichen Jahren in vieler- ley Mundarten geſondert/ nach und nach an- derſt ausgeredet/ anderſt geſchrieben und an- deꝛſt verfaſſet worden; wie hiervon umbſtaͤndig zu A iij

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/37>, abgerufen am 16.04.2024.