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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Von den Bildereyen.

97. Nechst besagtem kommet aus der Sinn-
bild-Kunst darzu was zu der abgesehen Deutung
dienstlich scheinet/ als etwann eine Seule bey der
Standhafftigkeit oder Beständigkeit/ weil sol-
che das Haus stützet und hält/ wie besagte Tu-
gend das Gemüt versichert. Ein Löw nechst der
Großmütigkeit/ ein unbezaumtes Pferd nechst
der Freyheit etc. Dieses ist von etlichen nicht beob-
achtet worden/ welche die Verzweifflung/ durch
einen der sich erhenket/ die Liebe durch zwey die
einander umfangen etc. gebildet etc. Solcherley
Bilder in ihren eigentlichen Verstande gehören
zu den Geschichten und nicht zu dieser Kunst.
Hierbey ist auch sonderlich zu merken/ daß man
nicht eine unbekante Sache durch die andre be-
deute/ und dardurch das richtige Verständniß
hemme/ oder schwer mache/ welches dann nichts
anders/ als ob man ein Liecht/ anzünden wolte
die Sonne besser zu sehen.

98. Jst also die Seele deß Bildniß eine rich-"
tige Gleichniß/ wie seine stumme Reden vorbe-"
sagte Geberden sind/ Jch sage eine richtige Gleich-
niß; massen auch hier gilt was die Redner beob-
achten/ daß solche vereinbarungen in hohen Sa-
chen/ von hohen Dingen/ in geringen und ver-
ächtlichen/ von gleicher Beschaffenheit her gefüh-
ret werden sollen. Auf einen Jnhalt oder Deu-
tung mögen viel Gleichnissen erfunden und ge-

bildet
G vj
Von den Bildereyen.

97. Nechſt beſagtem kommet aus der Sinn-
bild-Kunſt darzu was zu der abgeſehen Deutung
dienſtlich ſcheinet/ als etwann eine Seule bey der
Standhafftigkeit oder Beſtaͤndigkeit/ weil ſol-
che das Haus ſtuͤtzet und haͤlt/ wie beſagte Tu-
gend das Gemuͤt verſichert. Ein Loͤw nechſt der
Großmuͤtigkeit/ ein unbezaumtes Pferd nechſt
der Freyheit ꝛc. Dieſes iſt von etlichen nicht beob-
achtet worden/ welche die Verzweifflung/ durch
einen der ſich erhenket/ die Liebe durch zwey die
einander umfangen ꝛc. gebildet ꝛc. Solcherley
Bilder in ihren eigentlichen Verſtande gehoͤren
zu den Geſchichten und nicht zu dieſer Kunſt.
Hierbey iſt auch ſonderlich zu merken/ daß man
nicht eine unbekante Sache durch die andre be-
deute/ und dardurch das richtige Verſtaͤndniß
hemme/ oder ſchwer mache/ welches dann nichts
anders/ als ob man ein Liecht/ anzuͤnden wolte
die Sonne beſſer zu ſehen.

98. Jſt alſo die Seele deß Bildniß eine rich-“
tige Gleichniß/ wie ſeine ſtumme Reden vorbe-„
ſagte Geberden ſind/ Jch ſage eine richtige Gleich-
niß; maſſen auch hier gilt was die Redner beob-
achten/ daß ſolche vereinbarungen in hohen Sa-
chen/ von hohen Dingen/ in geringen und ver-
aͤchtlichen/ von gleicher Beſchaffenheit her gefuͤh-
ret werden ſollen. Auf einen Jnhalt oder Deu-
tung moͤgen viel Gleichniſſen erfunden und ge-

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G vj
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[107/0139] Von den Bildereyen. 97. Nechſt beſagtem kommet aus der Sinn- bild-Kunſt darzu was zu der abgeſehen Deutung dienſtlich ſcheinet/ als etwann eine Seule bey der Standhafftigkeit oder Beſtaͤndigkeit/ weil ſol- che das Haus ſtuͤtzet und haͤlt/ wie beſagte Tu- gend das Gemuͤt verſichert. Ein Loͤw nechſt der Großmuͤtigkeit/ ein unbezaumtes Pferd nechſt der Freyheit ꝛc. Dieſes iſt von etlichen nicht beob- achtet worden/ welche die Verzweifflung/ durch einen der ſich erhenket/ die Liebe durch zwey die einander umfangen ꝛc. gebildet ꝛc. Solcherley Bilder in ihren eigentlichen Verſtande gehoͤren zu den Geſchichten und nicht zu dieſer Kunſt. Hierbey iſt auch ſonderlich zu merken/ daß man nicht eine unbekante Sache durch die andre be- deute/ und dardurch das richtige Verſtaͤndniß hemme/ oder ſchwer mache/ welches dann nichts anders/ als ob man ein Liecht/ anzuͤnden wolte die Sonne beſſer zu ſehen. 98. Jſt alſo die Seele deß Bildniß eine rich-“ tige Gleichniß/ wie ſeine ſtumme Reden vorbe-„ ſagte Geberden ſind/ Jch ſage eine richtige Gleich- niß; maſſen auch hier gilt was die Redner beob- achten/ daß ſolche vereinbarungen in hohen Sa- chen/ von hohen Dingen/ in geringen und ver- aͤchtlichen/ von gleicher Beſchaffenheit her gefuͤh- ret werden ſollen. Auf einen Jnhalt oder Deu- tung moͤgen viel Gleichniſſen erfunden und ge- bildet G vj

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/139>, abgerufen am 29.03.2024.