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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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IX.
sagtem Liede/ so were er Waiß/ dergleichen viel
bey den alten Reimmeistern und Meistersingern
gefunden/ von den guten Poeten aber nicht ge-
brauchet werden.

89. Es werden auch die Reim-Gebände verbes-
sert und lieblicher gemachet durch Vermehrung
der Reimwörter/ wie in der Melodey deß gemei-
nen Liedes etc. Durch Adams Fall ist gantz
verderbt etc.
ein solches Exempel zu lesen ist in
dem II. Theil der Sonntags Andachten am 333.
Blat/ daraus wir das erste Gesetzlein hier an-
fügen:

O höchster GOTT! sih' an den Spott
in welchem wir jetzt schweben:
Kein Menschenkind ist/ ohne Sünd/
Die sich der Welt ergeben:
List und Untreu/ ohn Reu und Scheu
ist nun der Weltling Handel/
Das gute Wort gedenkt an Mord
und führt verdeckten Wandel.

90. Hierbey waltet eine Frage: Wann man
den Jnhalt der Gedichte und derselben
Reimgebänden/ den jenigen Sprachen
nachkünstlen sol/ welche sich der Reimung
gebrauchen/ wie man zugleich erfinden
und nachahmen könne?
Beedes kan wol bey-
sammen stehen. Wer eine andre art von einem
Geschlecht zu Werke bringet/ und denselben

nach-

IX.
ſagtem Liede/ ſo were er Waiß/ dergleichen viel
bey den alten Reimmeiſtern und Meiſterſingern
gefunden/ von den guten Poëten aber nicht ge-
brauchet werden.

89. Es werdẽ auch die Reim-Gebaͤnde verbeſ-
ſert und lieblicher gemachet durch Vermehrung
der Reimwoͤrter/ wie in der Melodey deß gemei-
nen Liedes ꝛc. Durch Adams Fall iſt gantz
verderbt ꝛc.
ein ſolches Exempel zu leſen iſt in
dem II. Theil der Sonntags Andachten am 333.
Blat/ daraus wir das erſte Geſetzlein hier an-
fuͤgen:

O hoͤchſter GOTT! ſih’ an den Spott
in welchem wir jetzt ſchweben:
Kein Menſchenkind iſt/ ohne Suͤnd/
Die ſich der Welt ergeben:
Liſt und Untreu/ ohn Reu und Scheu
iſt nun der Weltling Handel/
Das gute Wort gedenkt an Mord
und fuͤhrt verdeckten Wandel.

90. Hierbey waltet eine Frage: Wann man
den Jnhalt der Gedichte und derſelben
Reimgebaͤnden/ den jenigen Sprachen
nachkuͤnſtlen ſol/ welche ſich der Reimung
gebrauchen/ wie man zugleich erfinden
und nachahmen koͤnne?
Beedes kan wol bey-
ſammen ſtehen. Wer eine andre art von einem
Geſchlecht zu Werke bringet/ und denſelben

nach-
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[98/0130] IX. ſagtem Liede/ ſo were er Waiß/ dergleichen viel bey den alten Reimmeiſtern und Meiſterſingern gefunden/ von den guten Poëten aber nicht ge- brauchet werden. 89. Es werdẽ auch die Reim-Gebaͤnde verbeſ- ſert und lieblicher gemachet durch Vermehrung der Reimwoͤrter/ wie in der Melodey deß gemei- nen Liedes ꝛc. Durch Adams Fall iſt gantz verderbt ꝛc. ein ſolches Exempel zu leſen iſt in dem II. Theil der Sonntags Andachten am 333. Blat/ daraus wir das erſte Geſetzlein hier an- fuͤgen: O hoͤchſter GOTT! ſih’ an den Spott in welchem wir jetzt ſchweben: Kein Menſchenkind iſt/ ohne Suͤnd/ Die ſich der Welt ergeben: Liſt und Untreu/ ohn Reu und Scheu iſt nun der Weltling Handel/ Das gute Wort gedenkt an Mord und fuͤhrt verdeckten Wandel. 90. Hierbey waltet eine Frage: Wann man den Jnhalt der Gedichte und derſelben Reimgebaͤnden/ den jenigen Sprachen nachkuͤnſtlen ſol/ welche ſich der Reimung gebrauchen/ wie man zugleich erfinden und nachahmen koͤnne? Beedes kan wol bey- ſammen ſtehen. Wer eine andre art von einem Geſchlecht zu Werke bringet/ und denſelben nach-

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/130>, abgerufen am 28.03.2024.