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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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IX.
Liedern/ aus besagter Ursache/ zu vermei-
den.

86. Ronsard will/ daß man das erste Gesetz in
den Liedern nach Belieben setzen möge/ die andern
aber müssen alle demselben gleich/ gebunden wer-
den. Wann dann das Lied verfertiget/ sol man es
unterschiedlichmals lesen oder auf selbst erfundne
Stimme singen. Und hören ob alles wol auf ein-
ander klinget/ sonderlich aber in Acht nehmen/
ob die Distinctiones also gleich geordnet/ daß die
doppelpuncte oder Strichlein in einem Satz/ wie
in dem andern zustehen kommen.

87. Ob nun wol in keiner Sprache kein Art
Verse zu finden/ welche wir in dem Teutschen
nicht solten nachkünsteln können/ so muß man
doch sehen was wollautet/ und können also fast
unzählige Reimarten oder Gebände/ wie aus den
7. Noten unzählige Gesänger/ zusammen gesä-
tzet werden: Doch sind die unvermischten Tro-
chaischen und Dactylischen/ wie auch die Jam-
bischen und Anavästischen am wenigsten ge-
bräuchlich/ und auser den Gesängen fast unartig.
Besihe die V. Stund deß Poetischen Trichters
§. 10.

Es ist auch für einen Abschritt von den Lehr-
Satz zu halten/ wann man die Jambischen und
Trochaischen/ oder die kurtzlangen und langkur-
tzen Reim Zeile/ der Stimme oder dem Ton zu

Folge/

IX.
Liedern/ aus beſagter Urſache/ zu vermei-
den.

86. Ronſard will/ daß man das erſte Geſetz in
den Liedern nach Belieben ſetzen moͤge/ die andern
aber muͤſſen alle demſelben gleich/ gebunden wer-
den. Wann dann das Lied verfertiget/ ſol man es
unterſchiedlichmals leſen odeꝛ auf ſelbſt erfundne
Stimme ſingen. Und hoͤren ob alles wol auf ein-
ander klinget/ ſonderlich aber in Acht nehmen/
ob die Diſtinctiones alſo gleich geordnet/ daß die
doppelpuncte oder Strichlein in einem Satz/ wie
in dem andern zuſtehen kommen.

87. Ob nun wol in keiner Sprache kein Art
Verſe zu finden/ welche wir in dem Teutſchen
nicht ſolten nachkuͤnſteln koͤnnen/ ſo muß man
doch ſehen was wollautet/ und koͤnnen alſo faſt
unzaͤhlige Reimarten oder Gebaͤnde/ wie aus den
7. Noten unzaͤhlige Geſaͤnger/ zuſammen geſaͤ-
tzet werden: Doch ſind die unvermiſchten Tro-
chaiſchen und Dactyliſchen/ wie auch die Jam-
biſchen und Anavaͤſtiſchen am wenigſten ge-
braͤuchlich/ und auſer den Geſaͤngẽ faſt unartig.
Beſihe die V. Stund deß Poëtiſchen Trichters
§. 10.

Es iſt auch fuͤr einen Abſchritt von den Lehr-
Satz zu halten/ wann man die Jambiſchen und
Trochaiſchen/ oder die kurtzlangen und langkur-
tzen Reim Zeile/ der Stimme oder dem Ton zu

Folge/
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[96/0128] IX. Liedern/ aus beſagter Urſache/ zu vermei- den. 86. Ronſard will/ daß man das erſte Geſetz in den Liedern nach Belieben ſetzen moͤge/ die andern aber muͤſſen alle demſelben gleich/ gebunden wer- den. Wann dann das Lied verfertiget/ ſol man es unterſchiedlichmals leſen odeꝛ auf ſelbſt erfundne Stimme ſingen. Und hoͤren ob alles wol auf ein- ander klinget/ ſonderlich aber in Acht nehmen/ ob die Diſtinctiones alſo gleich geordnet/ daß die doppelpuncte oder Strichlein in einem Satz/ wie in dem andern zuſtehen kommen. 87. Ob nun wol in keiner Sprache kein Art Verſe zu finden/ welche wir in dem Teutſchen nicht ſolten nachkuͤnſteln koͤnnen/ ſo muß man doch ſehen was wollautet/ und koͤnnen alſo faſt unzaͤhlige Reimarten oder Gebaͤnde/ wie aus den 7. Noten unzaͤhlige Geſaͤnger/ zuſammen geſaͤ- tzet werden: Doch ſind die unvermiſchten Tro- chaiſchen und Dactyliſchen/ wie auch die Jam- biſchen und Anavaͤſtiſchen am wenigſten ge- braͤuchlich/ und auſer den Geſaͤngẽ faſt unartig. Beſihe die V. Stund deß Poëtiſchen Trichters §. 10. Es iſt auch fuͤr einen Abſchritt von den Lehr- Satz zu halten/ wann man die Jambiſchen und Trochaiſchen/ oder die kurtzlangen und langkur- tzen Reim Zeile/ der Stimme oder dem Ton zu Folge/

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/128>, abgerufen am 25.04.2024.