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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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IX.
in dem 5ten Satz: schaue deines Lebens Lauff
in dem 6ten Satz: daß der Tod nechst bey
uns sey.
in dem 7ten Satz: wird vollzogen ohn Ver-
zug etc.

zu einem traurigem Ton muß man einen trauri-
gen/ zu einem frölichen auch einen frölichen Jn-
halt gatten/ wie die Kunst erfordert. Also kan sich
der Ton nicht schicken/ wann ich ein Lied anfan-
ge mit auffsteigenden Noten:

Jhr hohen Bergeetc.

und in dem andern Gesätze unter gleichaufklim-
menden Noten setze:

Jhr tiefen Thäler.

Jst also diese Anmerkung denen dienlich wel-
che Lieder verabfassen/ daß sie den Text also rich-
ten/ damit man füglich die Noten desselben Jn-
halt gemäß darobbringen kan/ oder/ welches fast
thunlicher/ nach einer traurigen| oder frölichen
Stimme ihr Gedicht besagter Massen bequemen.
Wegen dieser Ursachen belieben etlichen die teut-
schen Muteten/ da man die Stimme durchge-
hends nach dem Texterichten mag/ ohne Wie-
derholung der Gesetze/ oder Absätze.

85. Sonderlich ist die Schrifftscheidung o-
der Distinctio in den Liedern zubemerken/ welche
in allen Gesetzen gleich seyn sol/ oder ja die längern
Noten/ mit einer gantzen oder unzergliederten

Mei-
IX.
in dem 5ten Satz: ſchaue deines Lebẽs Lauff
in dem 6ten Satz: daß der Tod nechſt bey
uns ſey.
in dem 7ten Satz: wird vollzogen ohn Ver-
zug ꝛc.

zu einem traurigem Ton muß man einen trauri-
gen/ zu einem froͤlichen auch einen froͤlichen Jn-
halt gatten/ wie die Kunſt erfordert. Alſo kan ſich
der Ton nicht ſchicken/ wann ich ein Lied anfan-
ge mit auffſteigenden Noten:

Jhr hohen Bergeꝛc.

und in dem andern Geſaͤtze unter gleichaufklim-
menden Noten ſetze:

Jhr tiefen Thaͤler.

Jſt alſo dieſe Anmerkung denen dienlich wel-
che Lieder verabfaſſen/ daß ſie den Text alſo rich-
ten/ damit man fuͤglich die Noten deſſelben Jn-
halt gemaͤß darobbringen kan/ oder/ welches faſt
thunlicher/ nach einer traurigen| oder froͤlichen
Stimme ihr Gedicht beſagter Maſſen bequemen.
Wegen dieſer Urſachen belieben etlichen die teut-
ſchen Muteten/ da man die Stimme durchge-
hends nach dem Texterichten mag/ ohne Wie-
derholung der Geſetze/ oder Abſaͤtze.

85. Sonderlich iſt die Schrifftſcheidung o-
der Diſtinctio in den Liedern zubemerken/ welche
in allen Geſetzen gleich ſeyn ſol/ oder ja die laͤngern
Noten/ mit einer gantzen oder unzergliederten

Mei-
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[94/0126] IX. in dem 5ten Satz: ſchaue deines Lebẽs Lauff in dem 6ten Satz: daß der Tod nechſt bey uns ſey. in dem 7ten Satz: wird vollzogen ohn Ver- zug ꝛc. zu einem traurigem Ton muß man einen trauri- gen/ zu einem froͤlichen auch einen froͤlichen Jn- halt gatten/ wie die Kunſt erfordert. Alſo kan ſich der Ton nicht ſchicken/ wann ich ein Lied anfan- ge mit auffſteigenden Noten: Jhr hohen Bergeꝛc. und in dem andern Geſaͤtze unter gleichaufklim- menden Noten ſetze: Jhr tiefen Thaͤler. Jſt alſo dieſe Anmerkung denen dienlich wel- che Lieder verabfaſſen/ daß ſie den Text alſo rich- ten/ damit man fuͤglich die Noten deſſelben Jn- halt gemaͤß darobbringen kan/ oder/ welches faſt thunlicher/ nach einer traurigen| oder froͤlichen Stimme ihr Gedicht beſagter Maſſen bequemen. Wegen dieſer Urſachen belieben etlichen die teut- ſchen Muteten/ da man die Stimme durchge- hends nach dem Texterichten mag/ ohne Wie- derholung der Geſetze/ oder Abſaͤtze. 85. Sonderlich iſt die Schrifftſcheidung o- der Diſtinctio in den Liedern zubemerken/ welche in allen Geſetzen gleich ſeyn ſol/ oder ja die laͤngern Noten/ mit einer gantzen oder unzergliederten Mei-

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/126>, abgerufen am 29.03.2024.