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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Von der Reimung.
Das Schnauffen und das Kauffen.
Das Wörtlein Eil und Weil.
Das Essen und Erpressen.
Das Stehen und das Gehen.
Die Stirn und der Zwirn.

Hierauf hat die Reimkunst sich vernehmen
lassen/ daß ihres Ambts seye alles in richtiger
Ordnung zusammen verbinden/ und daß ohne
sie die natürliche Rede aller Lieblichkeit ermangle.
Wir zörnen über einen grossen und starken Mann/
der ohne Ursach ein Kind schläget/ welches uns
doch nicht angehet: Weil nenlich keine Gleichheit
zwischen diesen beeden. Wann aber zween gleicher
Stärke mit einander fechten/ wie auf den Fecht-
schulen zu geschehen pfleget/ da geben wir Gelt
ihnen zuzusehen; also gar ist uns die Ungleich-
heit verdrüßlich/ die Gleichheit aber angenehm.
Doch muß besagte Gleichheit der Natur gemäß
und die Kunst darunter gleichsam verborgen li-
gen/ daher sagt man:

Kunst ohne (verstehe scheinbare) Kunst
bringt Ehr' und Gunst.

(Arsest quae non sapit artem) Sonsten weiß
man wol/ das was die Natur anfänget/ das kan
die Kunst vollenden und zu Nutze bringen/ wel-
ches auch von natürlicher Neigung zu der Poe-
terey kan verstanden werden.

76. Damit nun alle Reimwörter auf alle

und
F

Von der Reimung.
Das Schnauffen und das Kauffen.
Das Woͤrtlein Eil und Weil.
Das Eſſen und Erpreſſen.
Das Stehen und das Gehen.
Die Stirn und der Zwirn.

Hierauf hat die Reimkunſt ſich vernehmen
laſſen/ daß ihres Ambts ſeye alles in richtiger
Ordnung zuſammen verbinden/ und daß ohne
ſie die natuͤrliche Rede aller Lieblichkeit ermangle.
Wir zoͤrnen uͤber einen groſſen und ſtarken Mañ/
der ohne Urſach ein Kind ſchlaͤget/ welches uns
doch nicht angehet: Weil nẽlich keine Gleichheit
zwiſchen dieſen beeden. Wann aber zween gleicheꝛ
Staͤrke mit einander fechten/ wie auf den Fecht-
ſchulen zu geſchehen pfleget/ da geben wir Gelt
ihnen zuzuſehen; alſo gar iſt uns die Ungleich-
heit verdruͤßlich/ die Gleichheit aber angenehm.
Doch muß beſagte Gleichheit der Natur gemaͤß
und die Kunſt darunter gleichſam verborgen li-
gen/ daher ſagt man:

Kunſt ohne (verſtehe ſcheinbare) Kunſt
bringt Ehr’ und Gunſt.

(Arseſt quæ non ſapit artem) Sonſten weiß
man wol/ das was die Natur anfaͤnget/ das kan
die Kunſt vollenden und zu Nutze bringen/ wel-
ches auch von natuͤrlicher Neigung zu der Poë-
terey kan verſtanden werden.

76. Damit nun alle Reimwoͤrter auf alle

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F
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[81/0113] Von der Reimung. Das Schnauffen und das Kauffen. Das Woͤrtlein Eil und Weil. Das Eſſen und Erpreſſen. Das Stehen und das Gehen. Die Stirn und der Zwirn. Hierauf hat die Reimkunſt ſich vernehmen laſſen/ daß ihres Ambts ſeye alles in richtiger Ordnung zuſammen verbinden/ und daß ohne ſie die natuͤrliche Rede aller Lieblichkeit ermangle. Wir zoͤrnen uͤber einen groſſen und ſtarken Mañ/ der ohne Urſach ein Kind ſchlaͤget/ welches uns doch nicht angehet: Weil nẽlich keine Gleichheit zwiſchen dieſen beeden. Wann aber zween gleicheꝛ Staͤrke mit einander fechten/ wie auf den Fecht- ſchulen zu geſchehen pfleget/ da geben wir Gelt ihnen zuzuſehen; alſo gar iſt uns die Ungleich- heit verdruͤßlich/ die Gleichheit aber angenehm. Doch muß beſagte Gleichheit der Natur gemaͤß und die Kunſt darunter gleichſam verborgen li- gen/ daher ſagt man: Kunſt ohne (verſtehe ſcheinbare) Kunſt bringt Ehr’ und Gunſt. (Arseſt quæ non ſapit artem) Sonſten weiß man wol/ das was die Natur anfaͤnget/ das kan die Kunſt vollenden und zu Nutze bringen/ wel- ches auch von natuͤrlicher Neigung zu der Poë- terey kan verſtanden werden. 76. Damit nun alle Reimwoͤrter auf alle und F

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/113>, abgerufen am 19.04.2024.