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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Von der Reimung.
bruch deß verständigen Jnhalts wol geschehen
kan.

75. Aus besagtem erhället etlicher Massen
warum die Reimen das Ohr belustigen; nemlich
wegen ihrer ungezwungenen Lieblichkeit/ welche
sich etlicher Massen mit einer gleichkünstlichen
Zusammenstimmung in der Music/ vereinbah-
ren; aller Massen auch ein wolgestaltes und nach
Kunstrichtigen Ebenmaß wolgestelltes Gemähl
dem Aug beliebet. Es ist dieses deß Menschen
Natur eingepflantzet/ daß ihm angenehm ist/
was eine Gleichheit hat/ und hingegen mißsällig/
was eine ungleichheit ausweiset. Ob sich aber
die Deutung mit den Reimen füge nach der na-
türlichen oder künstlichen Eigenschaft/ ist aus
folgenden Lehrgedichten zu ersehen.

Die Reimkunst wolte ihre natürliche Füg-
lichkeit darthun/ und wie sie die angebornen Deu-
tungen ungezwungen zu würken pflegte/ au-
genscheinlich erweisen; setzte deßwegen eine solche
Probe zu Papier

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sich d'
Ver-
stand

Jm Wörtlein Pfeil und Eil/
deß Schnanffens und deß Lauffens/
der Ratzen/ Katzen/ Kratzen/
das Wörtlein Meid und Leid.
in greiffen zu der Pfeiffen
in trauen zu den Frauen.
deß Wörtleins Wurst und Durst.

in

Von der Reimung.
bruch deß verſtaͤndigen Jnhalts wol geſchehen
kan.

75. Aus beſagtem erhaͤllet etlicher Maſſen
warum die Reimen das Ohr beluſtigen; nemlich
wegen ihrer ungezwungenen Lieblichkeit/ welche
ſich etlicher Maſſen mit einer gleichkuͤnſtlichen
Zuſammenſtimmung in der Muſic/ vereinbah-
ren; aller Maſſen auch ein wolgeſtaltes und nach
Kunſtrichtigen Ebenmaß wolgeſtelltes Gemaͤhl
dem Aug beliebet. Es iſt dieſes deß Menſchen
Natur eingepflantzet/ daß ihm angenehm iſt/
was eine Gleichheit hat/ und hingegen mißſaͤllig/
was eine ungleichheit ausweiſet. Ob ſich aber
die Deutung mit den Reimen fuͤge nach der na-
tuͤrlichen oder kuͤnſtlichen Eigenſchaft/ iſt aus
folgenden Lehrgedichten zu erſehen.

Die Reimkunſt wolte ihre natuͤrliche Fuͤg-
lichkeit darthun/ und wie ſie die angebornen Deu-
tungen ungezwungen zu wuͤrken pflegte/ au-
genſcheinlich erweiſen; ſetzte deßwegen eine ſolche
Probe zu Papier

Es
reimt
ſich d’
Ver-
ſtand

Jm Woͤrtlein Pfeil und Eil/
deß Schnanffens und deß Lauffens/
der Ratzen/ Katzen/ Kratzen/
das Woͤrtlein Meid und Leid.
in greiffen zu der Pfeiffen
in trauen zu den Frauen.
deß Woͤrtleins Wurſt und Durſt.

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[79/0111] Von der Reimung. bruch deß verſtaͤndigen Jnhalts wol geſchehen kan. 75. Aus beſagtem erhaͤllet etlicher Maſſen warum die Reimen das Ohr beluſtigen; nemlich wegen ihrer ungezwungenen Lieblichkeit/ welche ſich etlicher Maſſen mit einer gleichkuͤnſtlichen Zuſammenſtimmung in der Muſic/ vereinbah- ren; aller Maſſen auch ein wolgeſtaltes und nach Kunſtrichtigen Ebenmaß wolgeſtelltes Gemaͤhl dem Aug beliebet. Es iſt dieſes deß Menſchen Natur eingepflantzet/ daß ihm angenehm iſt/ was eine Gleichheit hat/ und hingegen mißſaͤllig/ was eine ungleichheit ausweiſet. Ob ſich aber die Deutung mit den Reimen fuͤge nach der na- tuͤrlichen oder kuͤnſtlichen Eigenſchaft/ iſt aus folgenden Lehrgedichten zu erſehen. Die Reimkunſt wolte ihre natuͤrliche Fuͤg- lichkeit darthun/ und wie ſie die angebornen Deu- tungen ungezwungen zu wuͤrken pflegte/ au- genſcheinlich erweiſen; ſetzte deßwegen eine ſolche Probe zu Papier Es reimt ſich d’ Ver- ſtand Jm Woͤrtlein Pfeil und Eil/ deß Schnanffens und deß Lauffens/ der Ratzen/ Katzen/ Kratzen/ das Woͤrtlein Meid und Leid. in greiffen zu der Pfeiffen in trauen zu den Frauen. deß Woͤrtleins Wurſt und Durſt. in

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/111>, abgerufen am 25.04.2024.