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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

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Die erste Stund.
len/ ärgern wolle/ sondern daß solche von unziemli-
chen Begierden/ unterscheidet werden solle. Wir
Menschen können die Neigung zum Bösen nicht
von uns werffen; aber selbe wol im Zaum halten/
und beherrschen. Man kan wol bey Frölichkeiten
ein erfreuliches Schertzwort hören lassen; aber
nicht mit groben Schandbossen/ und Narrendeu-
tungen/ die den Christen nicht geziemen/ aufgezo-
gen kommen: jenes ist höflich und zulässig/ dieses
unhöflich/ verwerflich/ und bey groben Gesellen/
aber nicht bey ehrlichen und tugendliebenden Per-
sonen gebräuchlich.

11. Ein löblicher Poet schreibet allezeit sol-
che Gedichte/ die zu GOttes Ehre zielen/ grosse
Herren/ und gelehrte Leute belustigen/ die Unver-
ständigen unterweisen/ der Verständigen Nach-
sinnen üben/ die Einfältigen lehren/ die Betrüb-
ten trösten/ und der frölichen Freude vermehren.

12. Ob nun wol der Vers/ und das Reim-
wort/ zuzeiten/ von dem erstlichgefasten Jnhalt/
darvon zuvor Meldung geschehen/ abführet/ daß
sich die gantze Erfindung unter den Händen än-
dert; so lässet sich doch der Poet von dem abgesetz-
ten Vorsatz nicht wendig machen/ daß er wegen
eines artigen Schimpfs/ er sey/ so sinnreich er wol-
le/ Gottes Huld/ oder einen guten Freund verlie-
ren solte: Nichts ist in der Welt/ daß allen solte ge-

fallen

Die erſte Stund.
len/ aͤrgern wolle/ ſondern daß ſolche von unziemli-
chen Begierden/ unterſcheidet werden ſolle. Wir
Menſchen koͤnnen die Neigung zum Boͤſen nicht
von uns werffen; aber ſelbe wol im Zaum halten/
und beherrſchen. Man kan wol bey Froͤlichkeiten
ein erfreuliches Schertzwort hoͤren laſſen; aber
nicht mit groben Schandboſſen/ und Narrendeu-
tungen/ die den Chriſten nicht geziemen/ aufgezo-
gen kommen: jenes iſt hoͤflich und zulaͤſſig/ dieſes
unhoͤflich/ verwerflich/ und bey groben Geſellen/
aber nicht bey ehrlichen und tugendliebenden Per-
ſonen gebraͤuchlich.

11. Ein loͤblicher Poet ſchreibet allezeit ſol-
che Gedichte/ die zu GOttes Ehre zielen/ groſſe
Herren/ und gelehrte Leute beluſtigen/ die Unver-
ſtaͤndigen unterweiſen/ der Verſtaͤndigen Nach-
ſinnen uͤben/ die Einfaͤltigen lehren/ die Betruͤb-
ten troͤſten/ und der froͤlichen Freude vermehren.

12. Ob nun wol der Vers/ und das Reim-
wort/ zuzeiten/ von dem erſtlichgefaſten Jnhalt/
darvon zuvor Meldung geſchehen/ abfuͤhret/ daß
ſich die gantze Erfindung unter den Haͤnden aͤn-
dert; ſo laͤſſet ſich doch der Poet von dem abgeſetz-
ten Vorſatz nicht wendig machen/ daß er wegen
eines artigen Schimpfs/ er ſey/ ſo ſinnreich er wol-
le/ Gottes Huld/ oder einen guten Freund verlie-
ren ſolte: Nichts iſt in der Welt/ daß allen ſolte ge-

fallen
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[8/0026] Die erſte Stund. len/ aͤrgern wolle/ ſondern daß ſolche von unziemli- chen Begierden/ unterſcheidet werden ſolle. Wir Menſchen koͤnnen die Neigung zum Boͤſen nicht von uns werffen; aber ſelbe wol im Zaum halten/ und beherrſchen. Man kan wol bey Froͤlichkeiten ein erfreuliches Schertzwort hoͤren laſſen; aber nicht mit groben Schandboſſen/ und Narrendeu- tungen/ die den Chriſten nicht geziemen/ aufgezo- gen kommen: jenes iſt hoͤflich und zulaͤſſig/ dieſes unhoͤflich/ verwerflich/ und bey groben Geſellen/ aber nicht bey ehrlichen und tugendliebenden Per- ſonen gebraͤuchlich. 11. Ein loͤblicher Poet ſchreibet allezeit ſol- che Gedichte/ die zu GOttes Ehre zielen/ groſſe Herren/ und gelehrte Leute beluſtigen/ die Unver- ſtaͤndigen unterweiſen/ der Verſtaͤndigen Nach- ſinnen uͤben/ die Einfaͤltigen lehren/ die Betruͤb- ten troͤſten/ und der froͤlichen Freude vermehren. 12. Ob nun wol der Vers/ und das Reim- wort/ zuzeiten/ von dem erſtlichgefaſten Jnhalt/ darvon zuvor Meldung geſchehen/ abfuͤhret/ daß ſich die gantze Erfindung unter den Haͤnden aͤn- dert; ſo laͤſſet ſich doch der Poet von dem abgeſetz- ten Vorſatz nicht wendig machen/ daß er wegen eines artigen Schimpfs/ er ſey/ ſo ſinnreich er wol- le/ Gottes Huld/ oder einen guten Freund verlie- ren ſolte: Nichts iſt in der Welt/ daß allen ſolte ge- fallen

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/26>, abgerufen am 28.03.2024.