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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 2. Heinrich III. (1039-1056).
auch sprunghaft und gewaltsam, mit Überspannung der Kräfte und
darum auf die Dauer nicht ohne Rückschläge und Mißerfolge.

Die Geschichte der deutschen Beziehungen zum Norden ist
mit der überragenden Figur Adalberts auf das engste verknüpft.
Die alten Missionsbestrebungen in dieser Richtung nahm er in
breitestem Umfange und mit dem lebhaftesten Schwunge auf. Der
erste große Erfolg ward in dem nahen, weitausgedehnten Wenden-
staate des Christ gewordenen Abotritenfürsten Gottschalk errungen;
die dort neugegründeten Bistümer Mecklenburg und Ratzeburg
wurden der bremischen Metropolitangewalt unterstellt. Von da
strahlte die Wirkung weiter in die benachbarten Wendenlande.

Auch in den nordgermanischen Reichen, insbesondere in Däne-
mark, schien sich der bremischen Kirche bei dem Zerfall der Groß-
macht Kanuds eine bedeutende Aussicht zu bieten; aber die festere
nationale Geschlossenheit der Staaten drängte hier nach kirchlicher
Selbständigkeit. Aus dem Wunsche, dieses unaufhaltbare Streben
mit den kirchlichen Hoheitsansprüchen Bremens zu vereinigen, er-
wuchs in Adalbert der Plan, ein nordisches Patriarchat zu begründen,
das sich als eine hierarchisch übergeordnete Gewalt über die nor-
dischen Landeskirchen erheben und dem bremischen Inhaber die
Möglichkeit gewähren sollte, selbst Erzbischöfen zu gebieten. Um
die Notwendigkeit dieser Rangerhöhung nach den kanonischen Vor-
schriften Pseudoisidors darzutun, vermehrte Adalbert die Zahl der
bremischen Suffraganbistümer über die wirklichen Bedürfnisse hinaus
auf zwölf. In Rom hatte er mit seinem Plane indes nur einen
halben Erfolg. Man schätzte seine Missionsleitung und Organisations-
kraft hoch, lieh ihm die nötige Rückendeckung und kargte nicht
mit Ehrenvorrechten, wie dem Titel eines Legaten, ja eines päpst-
lichen Vikars. Aber eine dauernde, nicht nur auf persönlicher
Verleihung, sondern auf eigenem Rechte beruhende Mittelsgewalt
zwischen Rom und den nordischen Kirchen hier neu zu schaffen,
würde doch der ganzen absolutistischen Richtung der päpstlichen
Politik allzusehr widersprochen haben. So blieb der Plan unausgeführt.

Indes die immer weiter ausgreifende Wirksamkeit Adalberts
wurde dadurch kaum eingeengt. Weit über Skandinavien hinaus,
bis nach Finnland, den Orkneyinseln, Island und Grönland zogen
die bremischen Missionare und schufen kirchliche Organisationen
unter bremischer Oberleitung.

Diese reiche Wirksamkeit im Auslande bedingte eine starke
Machtgrundlage daheim. Adalbert beschränkte sich da nicht nur
auf die Erweiterung und straffe Vereinigung des Kirchengutes der
bremischen Diözesen in seiner Hand, sondern er suchte möglichst
viele Grafschaften seines Sprenels an sich zu bringen, um so eine

§ 2. Heinrich III. (1039‒1056).
auch sprunghaft und gewaltsam, mit Überspannung der Kräfte und
darum auf die Dauer nicht ohne Rückschläge und Mißerfolge.

Die Geschichte der deutschen Beziehungen zum Norden ist
mit der überragenden Figur Adalberts auf das engste verknüpft.
Die alten Missionsbestrebungen in dieser Richtung nahm er in
breitestem Umfange und mit dem lebhaftesten Schwunge auf. Der
erste große Erfolg ward in dem nahen, weitausgedehnten Wenden-
staate des Christ gewordenen Abotritenfürsten Gottschalk errungen;
die dort neugegründeten Bistümer Mecklenburg und Ratzeburg
wurden der bremischen Metropolitangewalt unterstellt. Von da
strahlte die Wirkung weiter in die benachbarten Wendenlande.

Auch in den nordgermanischen Reichen, insbesondere in Däne-
mark, schien sich der bremischen Kirche bei dem Zerfall der Groß-
macht Kanuds eine bedeutende Aussicht zu bieten; aber die festere
nationale Geschlossenheit der Staaten drängte hier nach kirchlicher
Selbständigkeit. Aus dem Wunsche, dieses unaufhaltbare Streben
mit den kirchlichen Hoheitsansprüchen Bremens zu vereinigen, er-
wuchs in Adalbert der Plan, ein nordisches Patriarchat zu begründen,
das sich als eine hierarchisch übergeordnete Gewalt über die nor-
dischen Landeskirchen erheben und dem bremischen Inhaber die
Möglichkeit gewähren sollte, selbst Erzbischöfen zu gebieten. Um
die Notwendigkeit dieser Rangerhöhung nach den kanonischen Vor-
schriften Pseudoisidors darzutun, vermehrte Adalbert die Zahl der
bremischen Suffraganbistümer über die wirklichen Bedürfnisse hinaus
auf zwölf. In Rom hatte er mit seinem Plane indes nur einen
halben Erfolg. Man schätzte seine Missionsleitung und Organisations-
kraft hoch, lieh ihm die nötige Rückendeckung und kargte nicht
mit Ehrenvorrechten, wie dem Titel eines Legaten, ja eines päpst-
lichen Vikars. Aber eine dauernde, nicht nur auf persönlicher
Verleihung, sondern auf eigenem Rechte beruhende Mittelsgewalt
zwischen Rom und den nordischen Kirchen hier neu zu schaffen,
würde doch der ganzen absolutistischen Richtung der päpstlichen
Politik allzusehr widersprochen haben. So blieb der Plan unausgeführt.

Indes die immer weiter ausgreifende Wirksamkeit Adalberts
wurde dadurch kaum eingeengt. Weit über Skandinavien hinaus,
bis nach Finnland, den Orkneyinseln, Island und Grönland zogen
die bremischen Missionare und schufen kirchliche Organisationen
unter bremischer Oberleitung.

Diese reiche Wirksamkeit im Auslande bedingte eine starke
Machtgrundlage daheim. Adalbert beschränkte sich da nicht nur
auf die Erweiterung und straffe Vereinigung des Kirchengutes der
bremischen Diözesen in seiner Hand, sondern er suchte möglichst
viele Grafschaften seines Sprenels an sich zu bringen, um so eine

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/35>, abgerufen am 19.04.2024.