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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 2. Heinrich III. (1039-1056).

Mit solchen Hilfskräften und der lebhaften Unterstützung des
Kaisers begann nun eine eifrige, fast stürmische Reformtätigkeit, die,
an die letzten Tage Heinrichs II. anknüpfend, eine Durchführung
der Beschlüsse gegen Simonie und Priesterehe und eine allgemeine
Säuberung der Geistlichkeit zum Ziele hatte. Der Papst beschränkte
sich nicht auf Italien; sechsmal während der kurzen Jahre seines
Pontifikats hat er die Alpen überstiegen; aller Orten sammelte er
den Klerus um sich zu Synoden oder eindrucksvollen Kirchen-
festen, er selbst in beständiger Bewegung und in alle kirchlichen
Verhältnisse eingreifend, die Abhängigkeitsbande der Metropoliten
straff anziehend, von dem an weitgehende Selbständigkeit gewöhnten
deutschen und französischen Episkopat daher nicht ohne Mißtrauen
betrachtet, aber vom Mönchtum und den Volksmassen umjubelt. So
schuf er dem Papsttum allenthalben unwägbare Werte und legte den
Grund zu einem wahrhaft allgemeinen und tätigen Kirchenregiment.

Aber neben den geistlich-universalen Bestrebungen eines Sil-
vester II. nahm Leo IX. doch auch die weltlich-nationalen Ziele
eines Benedikt VIII. in Süditalien wieder auf. Im Hintergrunde
stand offenbar der Gedanke, daß nur eigne staatliche Macht dem
Papsttum die Selbständigkeit gewährleiste. Die auftauchende Er-
innerung an die konstantinische Schenkung war ein Merkzeichen
solcher Bestrebungen. Sie führten Leo zum Kampfe mit den süd-
italischen Normannen. Diese hatten unter der Oberlehnsherrschaft
des Fürsten von Salerno von ihrer Grafschaft Aversa aus Apulien
erobert. Die Tage des Griechentums in jenen Gegenden waren gezählt.
Heinrich III. hatte auf seinem Romzuge in diese verwickelten Ver-
hältnisse nur vorübergehend eingegriffen, und es fragte sich, ob die
unmittelbare Unterordnung der normannischen Herrschaften unter das
Reich, die er zu ungunsten von Salerno verfügte, ersprießlich war,
denn aus der Ferne waren diese unruhigen und ehrgeizigen Aben-
teurer doch nicht im Zaum zu halten. Schon begann Robert Guis-
card die Eroberung von Kalabrien.

Dem Papste war die fortschreitende Vernichtung des Griechen-
tums an sich willkommen genug, denn damit mußten der römischen
Kirche hier neue Provinzen zuwachsen. Aber mit der kirchlichen
versuchte er die politische Ausdehnung zu verbinden, und dieser
setzten sich die Normannen bei aller Ergebenheit rücksichtslos ent-
gegen. Der Streit entbrannte um Benevent. Diese Stadt huldigte,
um sich vor den Bedrückungen der Normannen zu schützen, dem
Papste (1051), der die Gelegenheit begierig ergriff. Die ganze
Selbständigkeit seiner Politik neben der kaiserlichen trat darin her-
vor, daß er den Versuch machte, diesen Reichsbesitz im Zusammen-
wirken mit den Griechen für das Papsttum zu erobern. Als indes

§ 2. Heinrich III. (1039‒1056).

Mit solchen Hilfskräften und der lebhaften Unterstützung des
Kaisers begann nun eine eifrige, fast stürmische Reformtätigkeit, die,
an die letzten Tage Heinrichs II. anknüpfend, eine Durchführung
der Beschlüsse gegen Simonie und Priesterehe und eine allgemeine
Säuberung der Geistlichkeit zum Ziele hatte. Der Papst beschränkte
sich nicht auf Italien; sechsmal während der kurzen Jahre seines
Pontifikats hat er die Alpen überstiegen; aller Orten sammelte er
den Klerus um sich zu Synoden oder eindrucksvollen Kirchen-
festen, er selbst in beständiger Bewegung und in alle kirchlichen
Verhältnisse eingreifend, die Abhängigkeitsbande der Metropoliten
straff anziehend, von dem an weitgehende Selbständigkeit gewöhnten
deutschen und französischen Episkopat daher nicht ohne Mißtrauen
betrachtet, aber vom Mönchtum und den Volksmassen umjubelt. So
schuf er dem Papsttum allenthalben unwägbare Werte und legte den
Grund zu einem wahrhaft allgemeinen und tätigen Kirchenregiment.

Aber neben den geistlich-universalen Bestrebungen eines Sil-
vester II. nahm Leo IX. doch auch die weltlich-nationalen Ziele
eines Benedikt VIII. in Süditalien wieder auf. Im Hintergrunde
stand offenbar der Gedanke, daß nur eigne staatliche Macht dem
Papsttum die Selbständigkeit gewährleiste. Die auftauchende Er-
innerung an die konstantinische Schenkung war ein Merkzeichen
solcher Bestrebungen. Sie führten Leo zum Kampfe mit den süd-
italischen Normannen. Diese hatten unter der Oberlehnsherrschaft
des Fürsten von Salerno von ihrer Grafschaft Aversa aus Apulien
erobert. Die Tage des Griechentums in jenen Gegenden waren gezählt.
Heinrich III. hatte auf seinem Romzuge in diese verwickelten Ver-
hältnisse nur vorübergehend eingegriffen, und es fragte sich, ob die
unmittelbare Unterordnung der normannischen Herrschaften unter das
Reich, die er zu ungunsten von Salerno verfügte, ersprießlich war,
denn aus der Ferne waren diese unruhigen und ehrgeizigen Aben-
teurer doch nicht im Zaum zu halten. Schon begann Robert Guis-
card die Eroberung von Kalabrien.

Dem Papste war die fortschreitende Vernichtung des Griechen-
tums an sich willkommen genug, denn damit mußten der römischen
Kirche hier neue Provinzen zuwachsen. Aber mit der kirchlichen
versuchte er die politische Ausdehnung zu verbinden, und dieser
setzten sich die Normannen bei aller Ergebenheit rücksichtslos ent-
gegen. Der Streit entbrannte um Benevent. Diese Stadt huldigte,
um sich vor den Bedrückungen der Normannen zu schützen, dem
Papste (1051), der die Gelegenheit begierig ergriff. Die ganze
Selbständigkeit seiner Politik neben der kaiserlichen trat darin her-
vor, daß er den Versuch machte, diesen Reichsbesitz im Zusammen-
wirken mit den Griechen für das Papsttum zu erobern. Als indes

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[23/0031] § 2. Heinrich III. (1039‒1056). Mit solchen Hilfskräften und der lebhaften Unterstützung des Kaisers begann nun eine eifrige, fast stürmische Reformtätigkeit, die, an die letzten Tage Heinrichs II. anknüpfend, eine Durchführung der Beschlüsse gegen Simonie und Priesterehe und eine allgemeine Säuberung der Geistlichkeit zum Ziele hatte. Der Papst beschränkte sich nicht auf Italien; sechsmal während der kurzen Jahre seines Pontifikats hat er die Alpen überstiegen; aller Orten sammelte er den Klerus um sich zu Synoden oder eindrucksvollen Kirchen- festen, er selbst in beständiger Bewegung und in alle kirchlichen Verhältnisse eingreifend, die Abhängigkeitsbande der Metropoliten straff anziehend, von dem an weitgehende Selbständigkeit gewöhnten deutschen und französischen Episkopat daher nicht ohne Mißtrauen betrachtet, aber vom Mönchtum und den Volksmassen umjubelt. So schuf er dem Papsttum allenthalben unwägbare Werte und legte den Grund zu einem wahrhaft allgemeinen und tätigen Kirchenregiment. Aber neben den geistlich-universalen Bestrebungen eines Sil- vester II. nahm Leo IX. doch auch die weltlich-nationalen Ziele eines Benedikt VIII. in Süditalien wieder auf. Im Hintergrunde stand offenbar der Gedanke, daß nur eigne staatliche Macht dem Papsttum die Selbständigkeit gewährleiste. Die auftauchende Er- innerung an die konstantinische Schenkung war ein Merkzeichen solcher Bestrebungen. Sie führten Leo zum Kampfe mit den süd- italischen Normannen. Diese hatten unter der Oberlehnsherrschaft des Fürsten von Salerno von ihrer Grafschaft Aversa aus Apulien erobert. Die Tage des Griechentums in jenen Gegenden waren gezählt. Heinrich III. hatte auf seinem Romzuge in diese verwickelten Ver- hältnisse nur vorübergehend eingegriffen, und es fragte sich, ob die unmittelbare Unterordnung der normannischen Herrschaften unter das Reich, die er zu ungunsten von Salerno verfügte, ersprießlich war, denn aus der Ferne waren diese unruhigen und ehrgeizigen Aben- teurer doch nicht im Zaum zu halten. Schon begann Robert Guis- card die Eroberung von Kalabrien. Dem Papste war die fortschreitende Vernichtung des Griechen- tums an sich willkommen genug, denn damit mußten der römischen Kirche hier neue Provinzen zuwachsen. Aber mit der kirchlichen versuchte er die politische Ausdehnung zu verbinden, und dieser setzten sich die Normannen bei aller Ergebenheit rücksichtslos ent- gegen. Der Streit entbrannte um Benevent. Diese Stadt huldigte, um sich vor den Bedrückungen der Normannen zu schützen, dem Papste (1051), der die Gelegenheit begierig ergriff. Die ganze Selbständigkeit seiner Politik neben der kaiserlichen trat darin her- vor, daß er den Versuch machte, diesen Reichsbesitz im Zusammen- wirken mit den Griechen für das Papsttum zu erobern. Als indes

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/31>, abgerufen am 28.03.2024.