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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
Lebzeiten hat sie sich langsam angebahnt, und er selbst hat sie
gefördert durch unbedachte Zugeständnisse, in Verkennung schlum-
mernder Gefahren. Solche Verkennung mochte begreiflich sein im
Rückblick auf die Schwäche des tuskulanischen Papsttums und bei
der Einmütigkeit des gegenwärtigen Zusammenwirkens; ein verhäng-
nisvoller Irrtum blieb sie gleichwohl.

Die kurzen Pontifikate der beiden ersten deutschen Päpste,
die Heinrich einsetzte, sind bemerkenswert durch den deutschen
Einfluß, der sich nun allenthalben in Rom, insbesondere in der
päpstlichen Kanzlei, bessernd geltend machte. Dann aber begann
der kühne Aufstieg des Papsttums mit Leo IX. (1048-54). Man
kann sagen, daß er -- wenn auch stets in freundschaftlichster
Übereinstimmung mit seinem kaiserlichen Vetter -- doch recht
eigentlich das Fundament für diesen Aufstieg bereitet hat.

Bischof Bruno von Toul war eine glänzende Erscheinung,
liebenswürdig und gewinnend, von packender Redegabe, hinreißen-
dem Schwung und unermüdlicher Spannkraft. Schon in seiner
lothringischen Heimat hatte er an den kirchlichen Reformbestre-
bungen eifrigen Anteil genommen; jetzt standen sie im Mittelpunkt
seines päpstlichen Wirkens. Durch einen feinen Zug betonte er
gleich im Beginn die Selbständigkeit seines Amtes. Nicht der
kaiserlichen Ernennung, sondern der nachträglichen Wahl durch die
Römer wollte er seine Würde verdanken. Was er für die Bischöfe
erstrebte, das sollte auch für das Papsttum gelten, der Wahlhand-
lung maß er statt der rein formalen Bedeutung wieder einen tat-
sächlichen Inhalt bei.1) Es war eine erste leise Andeutung der
künftigen Loslösung, und es stand ganz damit im Einklang, daß
aus den päpstlichen Urkunden hinfort die Datierung nach Kaiser-
jahren schwand. Heinrich achtete des nicht weiter.

Zu der Selbständigkeit des Papsttums trat die Universalität.
Für die erweiterten Aufgaben schuf Leo das Kardinalskolleg um.
Zu den Geistlichen Roms und den Bischöfen des Patrimoniums
traten jetzt zuerst hervorragende Ausländer, namentlich Lothringer
und Franzosen, reformeifrig, frei von den Einflüssen des römischen
Adels und kundig der transalpinischen Verhältnisse. So tauchten
nun als Ratgeber des Papstes die großen Gestalten auf, die in den
nachfolgenden Kämpfen eine bedeutende Rolle gespielt haben, die
Lothringer Friedrich, Humbert und Hugo Candidus, sowie der aus
Deutschland nach Italien zurückgekehrte Mönch Hildebrand, der
als Subdiakon einen hervorragenden Anteil an der Leitung des päpst-
lichen Finanzwesens gewann.

1) Haucks Anzweiflung dieses Vorgangs scheint mir nicht überzeugend.

I. Die Zeit der Salier.
Lebzeiten hat sie sich langsam angebahnt, und er selbst hat sie
gefördert durch unbedachte Zugeständnisse, in Verkennung schlum-
mernder Gefahren. Solche Verkennung mochte begreiflich sein im
Rückblick auf die Schwäche des tuskulanischen Papsttums und bei
der Einmütigkeit des gegenwärtigen Zusammenwirkens; ein verhäng-
nisvoller Irrtum blieb sie gleichwohl.

Die kurzen Pontifikate der beiden ersten deutschen Päpste,
die Heinrich einsetzte, sind bemerkenswert durch den deutschen
Einfluß, der sich nun allenthalben in Rom, insbesondere in der
päpstlichen Kanzlei, bessernd geltend machte. Dann aber begann
der kühne Aufstieg des Papsttums mit Leo IX. (1048‒54). Man
kann sagen, daß er — wenn auch stets in freundschaftlichster
Übereinstimmung mit seinem kaiserlichen Vetter — doch recht
eigentlich das Fundament für diesen Aufstieg bereitet hat.

Bischof Bruno von Toul war eine glänzende Erscheinung,
liebenswürdig und gewinnend, von packender Redegabe, hinreißen-
dem Schwung und unermüdlicher Spannkraft. Schon in seiner
lothringischen Heimat hatte er an den kirchlichen Reformbestre-
bungen eifrigen Anteil genommen; jetzt standen sie im Mittelpunkt
seines päpstlichen Wirkens. Durch einen feinen Zug betonte er
gleich im Beginn die Selbständigkeit seines Amtes. Nicht der
kaiserlichen Ernennung, sondern der nachträglichen Wahl durch die
Römer wollte er seine Würde verdanken. Was er für die Bischöfe
erstrebte, das sollte auch für das Papsttum gelten, der Wahlhand-
lung maß er statt der rein formalen Bedeutung wieder einen tat-
sächlichen Inhalt bei.1) Es war eine erste leise Andeutung der
künftigen Loslösung, und es stand ganz damit im Einklang, daß
aus den päpstlichen Urkunden hinfort die Datierung nach Kaiser-
jahren schwand. Heinrich achtete des nicht weiter.

Zu der Selbständigkeit des Papsttums trat die Universalität.
Für die erweiterten Aufgaben schuf Leo das Kardinalskolleg um.
Zu den Geistlichen Roms und den Bischöfen des Patrimoniums
traten jetzt zuerst hervorragende Ausländer, namentlich Lothringer
und Franzosen, reformeifrig, frei von den Einflüssen des römischen
Adels und kundig der transalpinischen Verhältnisse. So tauchten
nun als Ratgeber des Papstes die großen Gestalten auf, die in den
nachfolgenden Kämpfen eine bedeutende Rolle gespielt haben, die
Lothringer Friedrich, Humbert und Hugo Candidus, sowie der aus
Deutschland nach Italien zurückgekehrte Mönch Hildebrand, der
als Subdiakon einen hervorragenden Anteil an der Leitung des päpst-
lichen Finanzwesens gewann.

1) Haucks Anzweiflung dieses Vorgangs scheint mir nicht überzeugend.
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[22/0030] I. Die Zeit der Salier. Lebzeiten hat sie sich langsam angebahnt, und er selbst hat sie gefördert durch unbedachte Zugeständnisse, in Verkennung schlum- mernder Gefahren. Solche Verkennung mochte begreiflich sein im Rückblick auf die Schwäche des tuskulanischen Papsttums und bei der Einmütigkeit des gegenwärtigen Zusammenwirkens; ein verhäng- nisvoller Irrtum blieb sie gleichwohl. Die kurzen Pontifikate der beiden ersten deutschen Päpste, die Heinrich einsetzte, sind bemerkenswert durch den deutschen Einfluß, der sich nun allenthalben in Rom, insbesondere in der päpstlichen Kanzlei, bessernd geltend machte. Dann aber begann der kühne Aufstieg des Papsttums mit Leo IX. (1048‒54). Man kann sagen, daß er — wenn auch stets in freundschaftlichster Übereinstimmung mit seinem kaiserlichen Vetter — doch recht eigentlich das Fundament für diesen Aufstieg bereitet hat. Bischof Bruno von Toul war eine glänzende Erscheinung, liebenswürdig und gewinnend, von packender Redegabe, hinreißen- dem Schwung und unermüdlicher Spannkraft. Schon in seiner lothringischen Heimat hatte er an den kirchlichen Reformbestre- bungen eifrigen Anteil genommen; jetzt standen sie im Mittelpunkt seines päpstlichen Wirkens. Durch einen feinen Zug betonte er gleich im Beginn die Selbständigkeit seines Amtes. Nicht der kaiserlichen Ernennung, sondern der nachträglichen Wahl durch die Römer wollte er seine Würde verdanken. Was er für die Bischöfe erstrebte, das sollte auch für das Papsttum gelten, der Wahlhand- lung maß er statt der rein formalen Bedeutung wieder einen tat- sächlichen Inhalt bei. 1) Es war eine erste leise Andeutung der künftigen Loslösung, und es stand ganz damit im Einklang, daß aus den päpstlichen Urkunden hinfort die Datierung nach Kaiser- jahren schwand. Heinrich achtete des nicht weiter. Zu der Selbständigkeit des Papsttums trat die Universalität. Für die erweiterten Aufgaben schuf Leo das Kardinalskolleg um. Zu den Geistlichen Roms und den Bischöfen des Patrimoniums traten jetzt zuerst hervorragende Ausländer, namentlich Lothringer und Franzosen, reformeifrig, frei von den Einflüssen des römischen Adels und kundig der transalpinischen Verhältnisse. So tauchten nun als Ratgeber des Papstes die großen Gestalten auf, die in den nachfolgenden Kämpfen eine bedeutende Rolle gespielt haben, die Lothringer Friedrich, Humbert und Hugo Candidus, sowie der aus Deutschland nach Italien zurückgekehrte Mönch Hildebrand, der als Subdiakon einen hervorragenden Anteil an der Leitung des päpst- lichen Finanzwesens gewann. 1) Haucks Anzweiflung dieses Vorgangs scheint mir nicht überzeugend.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/30>, abgerufen am 28.03.2024.