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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 1. Konrad II. (1024-1039).
da die gleiche Rechtsunsicherheit ihre Standesgenossen auch sonst
bedrohte, so dehnte sich der Kampf alsbald über die gesamte
Lombardei aus, während sich die Bischöfe mit einem Teil der
Laienfürsten zusammenschlossen.1) Als dann die kriegerische Kraft
der Valvassoren noch in demselben Jahre ihre Überlegenheit im
Felde bewies, wandten sich zuerst die geschlagenen Bischöfe, dann
auch die Sieger um Vermittlung an den Kaiser, der ihnen mit dem
stolzen Worte: "Wenn Italien hungert nach dem Gesetze, so will
ich es damit sättigen" seinen Entschluß zur zweiten Romfahrt (1036
bis 38) ankündigte.

Mochte er seine Entscheidung zunächst offen lassen, so führte
das persönliche Eingreifen den Kaiser seinen deutschen Grund-
sätzen entsprechend bald genug mit Notwendigkeit auf die Seite
der Valvassoren. Er forderte Abstellung ihrer Bedrückungen und
lud Aribert vor seinen Richterstuhl nach Pavia (1037). Aber jener
verweigerte trotzig den Gehorsam; da nahm der Kaiser den Hoch-
verräter in Haft, und als er in Mönchtracht nach Mailand ent-
wischte und sich dort im vollen Einklang mit der Bürgerschaft zur
Wehr setzte, schritt Konrad zu seiner gewaltsamen Unterwerfung.
Die Belagerung führte freilich zunächst nicht zum Ziel und ward
in Rücksicht auf die beginnende Sommerhitze abgebrochen. Aber
tags zuvor erließ der Kaiser jene bedeutsame Verfügung2), welche
die Erblichkeit aller, auch der kleineren Lehen im Mannesstamme,
wie er sie in Deutschland als Recht anerkannte, für Italien in der
Form eines schriftlichen Gesetzes verkündete und gegen widerrecht-
liche Lehensentziehungen weitere Sicherungen brachte. Die be-
geisterte Anhängerschaft sämtlicher Valvassoren war ihm nach diesem
Schritte gewiß, während auch die Mehrheit der weltlichen Fürsten
auf seiner Seite stand.

Die weiteren Maßnahmen des Kaisers zeugten denn auch von
dem Bewußtsein seiner unbedingten Überlegenheit. Es war ein
schlechthin unerhörter Vorgang, der allen kirchlichen Rechtsvor-
stellungen der Zeit ins Gesicht schlug, daß er es wagte, den wider-
spänstigen Erzbischof einfach von sich aus ohne alle Mitwirkung
von Papst und Synode abzusetzen und ihm einen Nachfolger zu
ernennen. Als er dann einer weitverzweigten Verschwörung auf
die Spur kam (1038), die, von Aribert ausgehend, ihre Mitwisser
in den Kreisen des lombardischen Episkopats fand, aber auch
Konrads Gegner, den Grafen Odo von Champagne, ins Einver-
nehmen gezogen hatte und auf eine allgemeine Erhebung gegen

1) Es ist eine gewaltsame Betrachtungsweise, wenn Lamprecht in dieser
Spaltung den Gegensatz zwischen Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft sehen will.
2) "Constitutio de feudis" v. 28. Mai 1037, M. G. Const. I 90.

§ 1. Konrad II. (1024‒1039).
da die gleiche Rechtsunsicherheit ihre Standesgenossen auch sonst
bedrohte, so dehnte sich der Kampf alsbald über die gesamte
Lombardei aus, während sich die Bischöfe mit einem Teil der
Laienfürsten zusammenschlossen.1) Als dann die kriegerische Kraft
der Valvassoren noch in demselben Jahre ihre Überlegenheit im
Felde bewies, wandten sich zuerst die geschlagenen Bischöfe, dann
auch die Sieger um Vermittlung an den Kaiser, der ihnen mit dem
stolzen Worte: „Wenn Italien hungert nach dem Gesetze, so will
ich es damit sättigen“ seinen Entschluß zur zweiten Romfahrt (1036
bis 38) ankündigte.

Mochte er seine Entscheidung zunächst offen lassen, so führte
das persönliche Eingreifen den Kaiser seinen deutschen Grund-
sätzen entsprechend bald genug mit Notwendigkeit auf die Seite
der Valvassoren. Er forderte Abstellung ihrer Bedrückungen und
lud Aribert vor seinen Richterstuhl nach Pavia (1037). Aber jener
verweigerte trotzig den Gehorsam; da nahm der Kaiser den Hoch-
verräter in Haft, und als er in Mönchtracht nach Mailand ent-
wischte und sich dort im vollen Einklang mit der Bürgerschaft zur
Wehr setzte, schritt Konrad zu seiner gewaltsamen Unterwerfung.
Die Belagerung führte freilich zunächst nicht zum Ziel und ward
in Rücksicht auf die beginnende Sommerhitze abgebrochen. Aber
tags zuvor erließ der Kaiser jene bedeutsame Verfügung2), welche
die Erblichkeit aller, auch der kleineren Lehen im Mannesstamme,
wie er sie in Deutschland als Recht anerkannte, für Italien in der
Form eines schriftlichen Gesetzes verkündete und gegen widerrecht-
liche Lehensentziehungen weitere Sicherungen brachte. Die be-
geisterte Anhängerschaft sämtlicher Valvassoren war ihm nach diesem
Schritte gewiß, während auch die Mehrheit der weltlichen Fürsten
auf seiner Seite stand.

Die weiteren Maßnahmen des Kaisers zeugten denn auch von
dem Bewußtsein seiner unbedingten Überlegenheit. Es war ein
schlechthin unerhörter Vorgang, der allen kirchlichen Rechtsvor-
stellungen der Zeit ins Gesicht schlug, daß er es wagte, den wider-
spänstigen Erzbischof einfach von sich aus ohne alle Mitwirkung
von Papst und Synode abzusetzen und ihm einen Nachfolger zu
ernennen. Als er dann einer weitverzweigten Verschwörung auf
die Spur kam (1038), die, von Aribert ausgehend, ihre Mitwisser
in den Kreisen des lombardischen Episkopats fand, aber auch
Konrads Gegner, den Grafen Odo von Champagne, ins Einver-
nehmen gezogen hatte und auf eine allgemeine Erhebung gegen

1) Es ist eine gewaltsame Betrachtungsweise, wenn Lamprecht in dieser
Spaltung den Gegensatz zwischen Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft sehen will.
2) „Constitutio de feudis“ v. 28. Mai 1037, M. G. Const. I 90.
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[15/0023] § 1. Konrad II. (1024‒1039). da die gleiche Rechtsunsicherheit ihre Standesgenossen auch sonst bedrohte, so dehnte sich der Kampf alsbald über die gesamte Lombardei aus, während sich die Bischöfe mit einem Teil der Laienfürsten zusammenschlossen. 1) Als dann die kriegerische Kraft der Valvassoren noch in demselben Jahre ihre Überlegenheit im Felde bewies, wandten sich zuerst die geschlagenen Bischöfe, dann auch die Sieger um Vermittlung an den Kaiser, der ihnen mit dem stolzen Worte: „Wenn Italien hungert nach dem Gesetze, so will ich es damit sättigen“ seinen Entschluß zur zweiten Romfahrt (1036 bis 38) ankündigte. Mochte er seine Entscheidung zunächst offen lassen, so führte das persönliche Eingreifen den Kaiser seinen deutschen Grund- sätzen entsprechend bald genug mit Notwendigkeit auf die Seite der Valvassoren. Er forderte Abstellung ihrer Bedrückungen und lud Aribert vor seinen Richterstuhl nach Pavia (1037). Aber jener verweigerte trotzig den Gehorsam; da nahm der Kaiser den Hoch- verräter in Haft, und als er in Mönchtracht nach Mailand ent- wischte und sich dort im vollen Einklang mit der Bürgerschaft zur Wehr setzte, schritt Konrad zu seiner gewaltsamen Unterwerfung. Die Belagerung führte freilich zunächst nicht zum Ziel und ward in Rücksicht auf die beginnende Sommerhitze abgebrochen. Aber tags zuvor erließ der Kaiser jene bedeutsame Verfügung 2), welche die Erblichkeit aller, auch der kleineren Lehen im Mannesstamme, wie er sie in Deutschland als Recht anerkannte, für Italien in der Form eines schriftlichen Gesetzes verkündete und gegen widerrecht- liche Lehensentziehungen weitere Sicherungen brachte. Die be- geisterte Anhängerschaft sämtlicher Valvassoren war ihm nach diesem Schritte gewiß, während auch die Mehrheit der weltlichen Fürsten auf seiner Seite stand. Die weiteren Maßnahmen des Kaisers zeugten denn auch von dem Bewußtsein seiner unbedingten Überlegenheit. Es war ein schlechthin unerhörter Vorgang, der allen kirchlichen Rechtsvor- stellungen der Zeit ins Gesicht schlug, daß er es wagte, den wider- spänstigen Erzbischof einfach von sich aus ohne alle Mitwirkung von Papst und Synode abzusetzen und ihm einen Nachfolger zu ernennen. Als er dann einer weitverzweigten Verschwörung auf die Spur kam (1038), die, von Aribert ausgehend, ihre Mitwisser in den Kreisen des lombardischen Episkopats fand, aber auch Konrads Gegner, den Grafen Odo von Champagne, ins Einver- nehmen gezogen hatte und auf eine allgemeine Erhebung gegen 1) Es ist eine gewaltsame Betrachtungsweise, wenn Lamprecht in dieser Spaltung den Gegensatz zwischen Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft sehen will. 2) „Constitutio de feudis“ v. 28. Mai 1037, M. G. Const. I 90.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/23>, abgerufen am 23.04.2024.