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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ I. Konrad II. (1024-1039).
kennung von nahezu ganz Deutschland mühelos genug erreicht
etwas später gaben auch die Lothringer ihren Widerstand auf.

Konrad war damals ein hochgewachsener, stattlicher Mann
von 34 Jahren. Familieneigenschaften, Jugendschicksale und per-
sönliche Anlagen hatten so vollkommen einheitlich in dieselbe
Richtung gewirkt, daß die geschlossenste und willenskräftigste Herrscher-
natur des gesamten deutschen Mittelalters in ihm erstand. Weit
mehr als die Ottonen und der Durchschnitt der Staufer neigte
das salische1) Haus zu schroffer, rücksichtsloser Tat. Konrad selbst
hatte als Waise früh und herb erfahren, wie das Recht des Minder-
jährigen von Verwandtschaft und Kaiser hintangesetzt ward. Bischof
Burchard von Worms, bekannt durch seine Kanonensammlung und
die Aufzeichnung seines Hofrechtes, hatte sich seiner Erziehung
angenommen; aber für seinen Beruf als kleinerer Herr, der nicht
einmal im Besitz von Grafenrechten war, bedurfte er nicht der
literarischen Bildung. Ganz als ein vollsaftiger Laie mit schwert-
kundiger Faust, nüchternem Hellsinn und gesundem Kraftgefühl
war er emporgewachsen und fand sich nun erstaunlich schnell in
den weltumspannenden Aufgaben des deutschen Kaisertums zurecht.

Jene selbstsicheren, pflichterfüllten Worte, die er gleich auf
seinem Krönungszuge zu den Fürsten seiner Umgebung sprach,
als sie ihn abhalten wollten, in diesem Augenblicke auf die Klagen
eines Bauern, einer Witwe und einer Waise zu hören, waren ein
Regierungsprogramm: Gerechtigkeit für jeden, ohne Rücksicht und
Verzug! So ward er zum Pfleger des Friedens, zum Schützer der
Schwachen, zum unbeugsamen Wahrer des Rechts, der an dem
Verkauf von Knechten des Bistums Verden, "als wären sie vernunft-
loses Vieh", Anstoß nahm und den räuberischen Grafen Thassel-
gard anherrschte: "Ist das der Löwe, der die Herde Italiens ver-
schlungen hat? Beim heiligen Kreuz des Herrn, dieser Löwe soll
nicht ferner von meinem Brode zehren" und ihn wie einen ge-
meinen Verbrecher hängen ließ. Scharfgeschliffene, bilderreiche
Aussprüche und beziehungsvolle Symbole, oft nicht ohne einen
grimmigen Humor, wie sie das altdeutsche Recht liebte, waren
ganz dazu angetan, ihn volkstümlich zu machen. Welcher Ein-
druck im Heere, wenn er etwa den Ravennaten befahl, einem
namenlosen Krieger, dem sie bei ihrem Aufstande das Bein abge-
hauen, die Lederstiefel, mit Münzen gefüllt, vor das Bett zu
stellen! Es war wohl die höchste Auszeichnung für einen deutschen
Herrscher, daß man ihn Karl dem Großen verglich und das
Sprichwort prägte: "An Konrads Sattel hangen Karls Bügel".

1) Über den Namen, der im Anfang des 12. Jahrh. vereinzelt, häufiger
erst im 14. Jahrh. vorkommt, vgl. Bresslau II, 519.

§ I. Konrad II. (1024‒1039).
kennung von nahezu ganz Deutschland mühelos genug erreicht
etwas später gaben auch die Lothringer ihren Widerstand auf.

Konrad war damals ein hochgewachsener, stattlicher Mann
von 34 Jahren. Familieneigenschaften, Jugendschicksale und per-
sönliche Anlagen hatten so vollkommen einheitlich in dieselbe
Richtung gewirkt, daß die geschlossenste und willenskräftigste Herrscher-
natur des gesamten deutschen Mittelalters in ihm erstand. Weit
mehr als die Ottonen und der Durchschnitt der Staufer neigte
das salische1) Haus zu schroffer, rücksichtsloser Tat. Konrad selbst
hatte als Waise früh und herb erfahren, wie das Recht des Minder-
jährigen von Verwandtschaft und Kaiser hintangesetzt ward. Bischof
Burchard von Worms, bekannt durch seine Kanonensammlung und
die Aufzeichnung seines Hofrechtes, hatte sich seiner Erziehung
angenommen; aber für seinen Beruf als kleinerer Herr, der nicht
einmal im Besitz von Grafenrechten war, bedurfte er nicht der
literarischen Bildung. Ganz als ein vollsaftiger Laie mit schwert-
kundiger Faust, nüchternem Hellsinn und gesundem Kraftgefühl
war er emporgewachsen und fand sich nun erstaunlich schnell in
den weltumspannenden Aufgaben des deutschen Kaisertums zurecht.

Jene selbstsicheren, pflichterfüllten Worte, die er gleich auf
seinem Krönungszuge zu den Fürsten seiner Umgebung sprach,
als sie ihn abhalten wollten, in diesem Augenblicke auf die Klagen
eines Bauern, einer Witwe und einer Waise zu hören, waren ein
Regierungsprogramm: Gerechtigkeit für jeden, ohne Rücksicht und
Verzug! So ward er zum Pfleger des Friedens, zum Schützer der
Schwachen, zum unbeugsamen Wahrer des Rechts, der an dem
Verkauf von Knechten des Bistums Verden, „als wären sie vernunft-
loses Vieh“, Anstoß nahm und den räuberischen Grafen Thassel-
gard anherrschte: „Ist das der Löwe, der die Herde Italiens ver-
schlungen hat? Beim heiligen Kreuz des Herrn, dieser Löwe soll
nicht ferner von meinem Brode zehren“ und ihn wie einen ge-
meinen Verbrecher hängen ließ. Scharfgeschliffene, bilderreiche
Aussprüche und beziehungsvolle Symbole, oft nicht ohne einen
grimmigen Humor, wie sie das altdeutsche Recht liebte, waren
ganz dazu angetan, ihn volkstümlich zu machen. Welcher Ein-
druck im Heere, wenn er etwa den Ravennaten befahl, einem
namenlosen Krieger, dem sie bei ihrem Aufstande das Bein abge-
hauen, die Lederstiefel, mit Münzen gefüllt, vor das Bett zu
stellen! Es war wohl die höchste Auszeichnung für einen deutschen
Herrscher, daß man ihn Karl dem Großen verglich und das
Sprichwort prägte: „An Konrads Sattel hangen Karls Bügel“.

1) Über den Namen, der im Anfang des 12. Jahrh. vereinzelt, häufiger
erst im 14. Jahrh. vorkommt, vgl. Bresslau II, 519.
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[7/0015] § I. Konrad II. (1024‒1039). kennung von nahezu ganz Deutschland mühelos genug erreicht etwas später gaben auch die Lothringer ihren Widerstand auf. Konrad war damals ein hochgewachsener, stattlicher Mann von 34 Jahren. Familieneigenschaften, Jugendschicksale und per- sönliche Anlagen hatten so vollkommen einheitlich in dieselbe Richtung gewirkt, daß die geschlossenste und willenskräftigste Herrscher- natur des gesamten deutschen Mittelalters in ihm erstand. Weit mehr als die Ottonen und der Durchschnitt der Staufer neigte das salische 1) Haus zu schroffer, rücksichtsloser Tat. Konrad selbst hatte als Waise früh und herb erfahren, wie das Recht des Minder- jährigen von Verwandtschaft und Kaiser hintangesetzt ward. Bischof Burchard von Worms, bekannt durch seine Kanonensammlung und die Aufzeichnung seines Hofrechtes, hatte sich seiner Erziehung angenommen; aber für seinen Beruf als kleinerer Herr, der nicht einmal im Besitz von Grafenrechten war, bedurfte er nicht der literarischen Bildung. Ganz als ein vollsaftiger Laie mit schwert- kundiger Faust, nüchternem Hellsinn und gesundem Kraftgefühl war er emporgewachsen und fand sich nun erstaunlich schnell in den weltumspannenden Aufgaben des deutschen Kaisertums zurecht. Jene selbstsicheren, pflichterfüllten Worte, die er gleich auf seinem Krönungszuge zu den Fürsten seiner Umgebung sprach, als sie ihn abhalten wollten, in diesem Augenblicke auf die Klagen eines Bauern, einer Witwe und einer Waise zu hören, waren ein Regierungsprogramm: Gerechtigkeit für jeden, ohne Rücksicht und Verzug! So ward er zum Pfleger des Friedens, zum Schützer der Schwachen, zum unbeugsamen Wahrer des Rechts, der an dem Verkauf von Knechten des Bistums Verden, „als wären sie vernunft- loses Vieh“, Anstoß nahm und den räuberischen Grafen Thassel- gard anherrschte: „Ist das der Löwe, der die Herde Italiens ver- schlungen hat? Beim heiligen Kreuz des Herrn, dieser Löwe soll nicht ferner von meinem Brode zehren“ und ihn wie einen ge- meinen Verbrecher hängen ließ. Scharfgeschliffene, bilderreiche Aussprüche und beziehungsvolle Symbole, oft nicht ohne einen grimmigen Humor, wie sie das altdeutsche Recht liebte, waren ganz dazu angetan, ihn volkstümlich zu machen. Welcher Ein- druck im Heere, wenn er etwa den Ravennaten befahl, einem namenlosen Krieger, dem sie bei ihrem Aufstande das Bein abge- hauen, die Lederstiefel, mit Münzen gefüllt, vor das Bett zu stellen! Es war wohl die höchste Auszeichnung für einen deutschen Herrscher, daß man ihn Karl dem Großen verglich und das Sprichwort prägte: „An Konrads Sattel hangen Karls Bügel“. 1) Über den Namen, der im Anfang des 12. Jahrh. vereinzelt, häufiger erst im 14. Jahrh. vorkommt, vgl. Bresslau II, 519.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/15>, abgerufen am 19.04.2024.