Haller, Johannes: Das Papsttum. Bd. 2,1. Stuttgart, 1937.Der Papst bei Pseudoisidor römischen Stuhles, zu lehren und zu befehlen. Päpsten waren die ein-zelnen Bestimmungen, und gerade die einschneidendsten, in den Mund gelegt, auf eine Anweisung des Apostels Petrus selbst, die sein angeblicher Nachfolger angeblich verkündigt habe, sollte die gesamte Verfassung der Kirche zurückgehen. Jhr Haupt ist Rom, die Mutterkirche aller andern, es hat insbesondere alle Bistümer in Gallien, Spanien, Ger- manien und Jtalien gegründet. Dagegen treten die allgemeinen Syno- den als Rechtsquelle sehr zurück. Jhre Kanones hatten bisher in der Hauptsache die Ordnung der Kirche geregelt, die päpstlichen Erlasse ver- halten sich zu ihnen wie die Ausführungsbestimmungen zum Gesetz. Auch dem Umfang nach überwogen in der Sammlung des Dionys die Syno- dalbeschlüsse (Kanones) die päpstlichen Erlasse (Dekretalen) um mehr als das Doppelte. Bei Jsidor ist das Verhältnis umgekehrt, und den Dekretalen wird die höhere Autorität zuerkannt. Damit wandte sich der Fälscher an den Glauben der Zeitgenossen, die im römischen Bischof die maßgebende Stelle sahen und gewohnt waren, sich nach ihm zu richten, während man von allgemeinen Synoden keine eigene Erfahrung besaß. Die, von denen man wußte, hatten vor langer Zeit und in fremden Ländern getagt, teilgenommen hatte man an keiner. Zudem hat der Fälscher durch Änderungen, Fortlassungen und Zusätze, die er am Wort- laut seiner Quellen vornahm, schon den Päpsten der ältesten Zeit eine rechtliche Stellung über der gesamten Kirche zugewiesen, die weder sie selbst noch ihre Nachfolger tatsächlich besessen hatten. Jndem er ihnen dort, wo er sie zur Gesamtkirche reden ließ, die Sprache in den Mund legte, die sie gegenüber den Bischöfen ihres Sprengels geführt hatten, erweckte er die Vorstellung, Rom habe von jeher die ganze Kirche in West und Ost unmittelbar regiert. Jndem er sie behaupten ließ, römi- scher Brauch sei überall verpflichtend, ging er sogar über das hinaus, was in Wirklichkeit bisher in Rom gefordert worden war. Der An- spruch, niemals geirrt zu haben, noch künftig je zu irren, war im Munde römischer Bischöfe nichts Neues; aber etwas Neues war es, daß dieser Satz in das Recht der Kirche aufgenommen wurde. Er wurde dadurch, vollends wenn man ihn schon in den ältesten Zeiten aufgestellt sein ließ, verpflichtend für jedermann, und ein Widerspruch, wie ihn erst vor kurzem die fränkische Kirche gegen den Papst in der Bilderfrage erhoben hatte, war danach nicht mehr erlaubt. Das ist es überhaupt, worin man die Bedeutung dieses künstlichen Machwerks, der "Pseudoisidorischen Der Papſt bei Pſeudoiſidor römiſchen Stuhles, zu lehren und zu befehlen. Päpſten waren die ein-zelnen Beſtimmungen, und gerade die einſchneidendſten, in den Mund gelegt, auf eine Anweiſung des Apoſtels Petrus ſelbſt, die ſein angeblicher Nachfolger angeblich verkündigt habe, ſollte die geſamte Verfaſſung der Kirche zurückgehen. Jhr Haupt iſt Rom, die Mutterkirche aller andern, es hat insbeſondere alle Bistümer in Gallien, Spanien, Ger- manien und Jtalien gegründet. Dagegen treten die allgemeinen Syno- den als Rechtsquelle ſehr zurück. Jhre Kanones hatten bisher in der Hauptſache die Ordnung der Kirche geregelt, die päpſtlichen Erlaſſe ver- halten ſich zu ihnen wie die Ausführungsbeſtimmungen zum Geſetz. Auch dem Umfang nach überwogen in der Sammlung des Dionys die Syno- dalbeſchlüſſe (Kanones) die päpſtlichen Erlaſſe (Dekretalen) um mehr als das Doppelte. Bei Jſidor iſt das Verhältnis umgekehrt, und den Dekretalen wird die höhere Autorität zuerkannt. Damit wandte ſich der Fälſcher an den Glauben der Zeitgenoſſen, die im römiſchen Biſchof die maßgebende Stelle ſahen und gewohnt waren, ſich nach ihm zu richten, während man von allgemeinen Synoden keine eigene Erfahrung beſaß. Die, von denen man wußte, hatten vor langer Zeit und in fremden Ländern getagt, teilgenommen hatte man an keiner. Zudem hat der Fälſcher durch Änderungen, Fortlaſſungen und Zuſätze, die er am Wort- laut ſeiner Quellen vornahm, ſchon den Päpſten der älteſten Zeit eine rechtliche Stellung über der geſamten Kirche zugewieſen, die weder ſie ſelbſt noch ihre Nachfolger tatſächlich beſeſſen hatten. Jndem er ihnen dort, wo er ſie zur Geſamtkirche reden ließ, die Sprache in den Mund legte, die ſie gegenüber den Biſchöfen ihres Sprengels geführt hatten, erweckte er die Vorſtellung, Rom habe von jeher die ganze Kirche in Weſt und Oſt unmittelbar regiert. Jndem er ſie behaupten ließ, römi- ſcher Brauch ſei überall verpflichtend, ging er ſogar über das hinaus, was in Wirklichkeit bisher in Rom gefordert worden war. Der An- ſpruch, niemals geirrt zu haben, noch künftig je zu irren, war im Munde römiſcher Biſchöfe nichts Neues; aber etwas Neues war es, daß dieſer Satz in das Recht der Kirche aufgenommen wurde. Er wurde dadurch, vollends wenn man ihn ſchon in den älteſten Zeiten aufgeſtellt ſein ließ, verpflichtend für jedermann, und ein Widerſpruch, wie ihn erſt vor kurzem die fränkiſche Kirche gegen den Papſt in der Bilderfrage erhoben hatte, war danach nicht mehr erlaubt. Das iſt es überhaupt, worin man die Bedeutung dieſes künſtlichen Machwerks, der „Pſeudoiſidoriſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0063" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Papſt bei Pſeudoiſidor</hi></fw><lb/> römiſchen Stuhles, zu lehren und zu befehlen. 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Der Papſt bei Pſeudoiſidor
römiſchen Stuhles, zu lehren und zu befehlen. Päpſten waren die ein-
zelnen Beſtimmungen, und gerade die einſchneidendſten, in den Mund
gelegt, auf eine Anweiſung des Apoſtels Petrus ſelbſt, die ſein angeblicher
Nachfolger angeblich verkündigt habe, ſollte die geſamte Verfaſſung
der Kirche zurückgehen. Jhr Haupt iſt Rom, die Mutterkirche aller
andern, es hat insbeſondere alle Bistümer in Gallien, Spanien, Ger-
manien und Jtalien gegründet. Dagegen treten die allgemeinen Syno-
den als Rechtsquelle ſehr zurück. Jhre Kanones hatten bisher in der
Hauptſache die Ordnung der Kirche geregelt, die päpſtlichen Erlaſſe ver-
halten ſich zu ihnen wie die Ausführungsbeſtimmungen zum Geſetz. Auch
dem Umfang nach überwogen in der Sammlung des Dionys die Syno-
dalbeſchlüſſe (Kanones) die päpſtlichen Erlaſſe (Dekretalen) um mehr
als das Doppelte. Bei Jſidor iſt das Verhältnis umgekehrt, und den
Dekretalen wird die höhere Autorität zuerkannt. Damit wandte ſich der
Fälſcher an den Glauben der Zeitgenoſſen, die im römiſchen Biſchof die
maßgebende Stelle ſahen und gewohnt waren, ſich nach ihm zu richten,
während man von allgemeinen Synoden keine eigene Erfahrung beſaß.
Die, von denen man wußte, hatten vor langer Zeit und in fremden
Ländern getagt, teilgenommen hatte man an keiner. Zudem hat der
Fälſcher durch Änderungen, Fortlaſſungen und Zuſätze, die er am Wort-
laut ſeiner Quellen vornahm, ſchon den Päpſten der älteſten Zeit eine
rechtliche Stellung über der geſamten Kirche zugewieſen, die weder ſie
ſelbſt noch ihre Nachfolger tatſächlich beſeſſen hatten. Jndem er ihnen
dort, wo er ſie zur Geſamtkirche reden ließ, die Sprache in den Mund
legte, die ſie gegenüber den Biſchöfen ihres Sprengels geführt hatten,
erweckte er die Vorſtellung, Rom habe von jeher die ganze Kirche in
Weſt und Oſt unmittelbar regiert. Jndem er ſie behaupten ließ, römi-
ſcher Brauch ſei überall verpflichtend, ging er ſogar über das hinaus,
was in Wirklichkeit bisher in Rom gefordert worden war. Der An-
ſpruch, niemals geirrt zu haben, noch künftig je zu irren, war im Munde
römiſcher Biſchöfe nichts Neues; aber etwas Neues war es, daß dieſer
Satz in das Recht der Kirche aufgenommen wurde. Er wurde dadurch,
vollends wenn man ihn ſchon in den älteſten Zeiten aufgeſtellt ſein ließ,
verpflichtend für jedermann, und ein Widerſpruch, wie ihn erſt vor
kurzem die fränkiſche Kirche gegen den Papſt in der Bilderfrage erhoben
hatte, war danach nicht mehr erlaubt. Das iſt es überhaupt, worin man
die Bedeutung dieſes künſtlichen Machwerks, der „Pſeudoiſidoriſchen
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