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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775.

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II. Abschn. Verrichtungen des dünnen.

So hart also das Stroh ist, so wird es doch er-
weicht, und zu einem Brei: Thiere leben von zerschnitt-
nem Stroh, und dennoch wächst davon ein angenehm
schmekkendes Fleisch, und eine zarte Milch wird davon.
Am Pferde siehet man nur schwache Muskelfasern im
Gedärme und Magen, es verdaut sehr schlecht, und
daher besteht sein Koth meist aus unverdauten Spei-
sen(n).

Diejenigen Thiere aber, welche saftige Speisen ge-
niessen, dergleichen die Fleischfräßigen sind, diese haben
ein kürzeres Gedärm, vielleicht weil es die Absicht der
Natur gewesen, daß sich der Hunger, wenn die Spei-
sen geschwinde verdauet werden, früher wieder einstellen
soll, und daß solche Thiere genöthiget werden mögen,
auf neue Beute zu denken, die ihnen der Vater der Na-
tur angewiesen.

Hiermit vereinigt sich einigermaßen die antiperistal-
tische Bewegung.

Man hat auch von Menschen Exempel (o), daß ein
kurzes Gedärm einen beständigen Hunger, mit stinken-
dem flüßigen Kothe, die das kurze Gedärm nur unvoll-
kommen aussaugen können, hervorgebracht habe.

Man findet in dem Seidenschwanz(p) das Ge-
därm, so zwo Spannen lang ist, einfach, und ohne
Windungen. Von demselben leeren sich sogleich die
kaum verdauten Speisen aus.

Die Kürze des Gedärmes ersezzen die Falten (q),
welche den geschwinden Durchgang der Speisen, theils
auf eine mechanische Art, theils wegen der verminderten
Bewegung hemmen, von der sie durchlaufen werden.

Da,
(n) [Spaltenumbruch] BERTIN Mem. de 1746.
p.
29.
(o) Cours d'anat. p. 190. &
ALBIN sam. canin. n. XI.
(p) [Spaltenumbruch] ALDROV. ornithol. L.
XII. p.
799.
(q) L. VI. p. 186. seqq.
L 3
II. Abſchn. Verrichtungen des duͤnnen.

So hart alſo das Stroh iſt, ſo wird es doch er-
weicht, und zu einem Brei: Thiere leben von zerſchnitt-
nem Stroh, und dennoch waͤchſt davon ein angenehm
ſchmekkendes Fleiſch, und eine zarte Milch wird davon.
Am Pferde ſiehet man nur ſchwache Muſkelfaſern im
Gedaͤrme und Magen, es verdaut ſehr ſchlecht, und
daher beſteht ſein Koth meiſt aus unverdauten Spei-
ſen(n).

Diejenigen Thiere aber, welche ſaftige Speiſen ge-
nieſſen, dergleichen die Fleiſchfraͤßigen ſind, dieſe haben
ein kuͤrzeres Gedaͤrm, vielleicht weil es die Abſicht der
Natur geweſen, daß ſich der Hunger, wenn die Spei-
ſen geſchwinde verdauet werden, fruͤher wieder einſtellen
ſoll, und daß ſolche Thiere genoͤthiget werden moͤgen,
auf neue Beute zu denken, die ihnen der Vater der Na-
tur angewieſen.

Hiermit vereinigt ſich einigermaßen die antiperiſtal-
tiſche Bewegung.

Man hat auch von Menſchen Exempel (o), daß ein
kurzes Gedaͤrm einen beſtaͤndigen Hunger, mit ſtinken-
dem fluͤßigen Kothe, die das kurze Gedaͤrm nur unvoll-
kommen ausſaugen koͤnnen, hervorgebracht habe.

Man findet in dem Seidenſchwanz(p) das Ge-
daͤrm, ſo zwo Spannen lang iſt, einfach, und ohne
Windungen. Von demſelben leeren ſich ſogleich die
kaum verdauten Speiſen aus.

Die Kuͤrze des Gedaͤrmes erſezzen die Falten (q),
welche den geſchwinden Durchgang der Speiſen, theils
auf eine mechaniſche Art, theils wegen der verminderten
Bewegung hemmen, von der ſie durchlaufen werden.

Da,
(n) [Spaltenumbruch] BERTIN Mém. de 1746.
p.
29.
(o) Cours d’anat. p. 190. &
ALBIN ſam. canin. n. XI.
(p) [Spaltenumbruch] ALDROV. ornithol. L.
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[165/0201] II. Abſchn. Verrichtungen des duͤnnen. So hart alſo das Stroh iſt, ſo wird es doch er- weicht, und zu einem Brei: Thiere leben von zerſchnitt- nem Stroh, und dennoch waͤchſt davon ein angenehm ſchmekkendes Fleiſch, und eine zarte Milch wird davon. Am Pferde ſiehet man nur ſchwache Muſkelfaſern im Gedaͤrme und Magen, es verdaut ſehr ſchlecht, und daher beſteht ſein Koth meiſt aus unverdauten Spei- ſen (n). Diejenigen Thiere aber, welche ſaftige Speiſen ge- nieſſen, dergleichen die Fleiſchfraͤßigen ſind, dieſe haben ein kuͤrzeres Gedaͤrm, vielleicht weil es die Abſicht der Natur geweſen, daß ſich der Hunger, wenn die Spei- ſen geſchwinde verdauet werden, fruͤher wieder einſtellen ſoll, und daß ſolche Thiere genoͤthiget werden moͤgen, auf neue Beute zu denken, die ihnen der Vater der Na- tur angewieſen. Hiermit vereinigt ſich einigermaßen die antiperiſtal- tiſche Bewegung. Man hat auch von Menſchen Exempel (o), daß ein kurzes Gedaͤrm einen beſtaͤndigen Hunger, mit ſtinken- dem fluͤßigen Kothe, die das kurze Gedaͤrm nur unvoll- kommen ausſaugen koͤnnen, hervorgebracht habe. Man findet in dem Seidenſchwanz (p) das Ge- daͤrm, ſo zwo Spannen lang iſt, einfach, und ohne Windungen. Von demſelben leeren ſich ſogleich die kaum verdauten Speiſen aus. Die Kuͤrze des Gedaͤrmes erſezzen die Falten (q), welche den geſchwinden Durchgang der Speiſen, theils auf eine mechaniſche Art, theils wegen der verminderten Bewegung hemmen, von der ſie durchlaufen werden. Da, (n) BERTIN Mém. de 1746. p. 29. (o) Cours d’anat. p. 190. & ALBIN ſam. canin. n. XI. (p) ALDROV. ornithol. L. XII. p. 799. (q) L. VI. p. 186. ſeqq. L 3

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/201>, abgerufen am 20.04.2024.