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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Thierische Bewegung. XI. Buch.

Was sonst von der grössern Gewalt dieses Giftes,
der berümte Robert Whytt (l) meldet, als ob das
Opium die reizbare Kraft um desto besser vernichte, wenn
das Nervensistem noch in seinem vollkommnen Zustande
ist, hingegen träger wirke, wenn man dem Thiere den
Kopf abreist und das Nervengebäude zerstört, alles dieses
ist nicht nur ein wenig zu fein ausgedacht, sondern es läst
sich auch durch bessere Versuche wiederlegen. Jch sage,
zu fein ausgedacht, weil dieser berümte Mann dem Thiere
ungeheure Wunden beibringt, den Kopf abschlägt, den
Bauch öffnet (m), solglich läst sich bei einer solchen Mar-
terbank schwerlich urtheilen, was das Opium zu dem
ohnedem tödlichen Wunden, entweder beitrage, oder an
denselben mildere. Ferner so sind es wirkliche Unwarhei-
ten, da man überhaupt gezeigt hat, daß Opium den
Nerven nicht die Kraft Muskeln zu reizen, raube (n),
wenn man es, wie Whytt gethan, von aussen an die
Nerven bringt.

Es stehet ferner die Zusammenziehungskraft, und die
Empfindungskraft nicht in einerlei Verhältnisse gegen ein-
ander (n*), indem sich die erstere nach der Grösse und
Blösse der Nerven richtet, die leztere hingegen sich nach
der Menge der Fasern bequemt (o), welche dem Reize
ausgesezzt werden, und es scheint dieses eben die Ursache
zu sein, warum der elektrische Funke kräftiger, als ein
jedes andre Reizmittel ist, indem derselben über alle andre
Reize durchdringend ist, und sich in das innerste der Fa-

sern
(l) [Spaltenumbruch] Essays and observations phy-
sical and literary T. II. art.
20.
(m) l. c. et Essays O. 210. 211.
(n) FONTANA Exp. 44.
45 - - 54. CALDANI. reflex.
XXXV.
(n*) Dieses gestehet
aus andern Gründen zu angeführter
BARTHES. l. c. pag. 40.
(o) [Spaltenumbruch] Auch die Dauer der Bewe-
gung richtet sich nach der Anzal
der Fasern. Besiehe davon den
HOUSSET. p. 406. Eine
angeborne Kraft nehmen an LOE-
SECKE physiol. p. 258. MAR-
TIN.
neurol. GERHARD.
triga diss.
und SIEGWARD.
dynam. Spec. IV. p.
25.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.

Was ſonſt von der groͤſſern Gewalt dieſes Giftes,
der beruͤmte Robert Whytt (l) meldet, als ob das
Opium die reizbare Kraft um deſto beſſer vernichte, wenn
das Nervenſiſtem noch in ſeinem vollkommnen Zuſtande
iſt, hingegen traͤger wirke, wenn man dem Thiere den
Kopf abreiſt und das Nervengebaͤude zerſtoͤrt, alles dieſes
iſt nicht nur ein wenig zu fein ausgedacht, ſondern es laͤſt
ſich auch durch beſſere Verſuche wiederlegen. Jch ſage,
zu fein ausgedacht, weil dieſer beruͤmte Mann dem Thiere
ungeheure Wunden beibringt, den Kopf abſchlaͤgt, den
Bauch oͤffnet (m), ſolglich laͤſt ſich bei einer ſolchen Mar-
terbank ſchwerlich urtheilen, was das Opium zu dem
ohnedem toͤdlichen Wunden, entweder beitrage, oder an
denſelben mildere. Ferner ſo ſind es wirkliche Unwarhei-
ten, da man uͤberhaupt gezeigt hat, daß Opium den
Nerven nicht die Kraft Muſkeln zu reizen, raube (n),
wenn man es, wie Whytt gethan, von auſſen an die
Nerven bringt.

Es ſtehet ferner die Zuſammenziehungskraft, und die
Empfindungskraft nicht in einerlei Verhaͤltniſſe gegen ein-
ander (n*), indem ſich die erſtere nach der Groͤſſe und
Bloͤſſe der Nerven richtet, die leztere hingegen ſich nach
der Menge der Faſern bequemt (o), welche dem Reize
ausgeſezzt werden, und es ſcheint dieſes eben die Urſache
zu ſein, warum der elektriſche Funke kraͤftiger, als ein
jedes andre Reizmittel iſt, indem derſelben uͤber alle andre
Reize durchdringend iſt, und ſich in das innerſte der Fa-

ſern
(l) [Spaltenumbruch] Eſſays and obſervations phy-
ſical and literary T. II. art.
20.
(m) l. c. et Eſſays O. 210. 211.
(n) FONTANA Exp. 44.
45 ‒ ‒ 54. CALDANI. reflex.
XXXV.
(n*) Dieſes geſtehet
aus andern Gruͤnden zu angefuͤhrter
BARTHES. l. c. pag. 40.
(o) [Spaltenumbruch] Auch die Dauer der Bewe-
gung richtet ſich nach der Anzal
der Faſern. Beſiehe davon den
HOUSSET. p. 406. Eine
angeborne Kraft nehmen an LOE-
SECKE phyſiol. p. 258. MAR-
TIN.
neurol. GERHARD.
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und SIEGWARD.
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25.
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[32/0050] Thieriſche Bewegung. XI. Buch. Was ſonſt von der groͤſſern Gewalt dieſes Giftes, der beruͤmte Robert Whytt (l) meldet, als ob das Opium die reizbare Kraft um deſto beſſer vernichte, wenn das Nervenſiſtem noch in ſeinem vollkommnen Zuſtande iſt, hingegen traͤger wirke, wenn man dem Thiere den Kopf abreiſt und das Nervengebaͤude zerſtoͤrt, alles dieſes iſt nicht nur ein wenig zu fein ausgedacht, ſondern es laͤſt ſich auch durch beſſere Verſuche wiederlegen. Jch ſage, zu fein ausgedacht, weil dieſer beruͤmte Mann dem Thiere ungeheure Wunden beibringt, den Kopf abſchlaͤgt, den Bauch oͤffnet (m), ſolglich laͤſt ſich bei einer ſolchen Mar- terbank ſchwerlich urtheilen, was das Opium zu dem ohnedem toͤdlichen Wunden, entweder beitrage, oder an denſelben mildere. Ferner ſo ſind es wirkliche Unwarhei- ten, da man uͤberhaupt gezeigt hat, daß Opium den Nerven nicht die Kraft Muſkeln zu reizen, raube (n), wenn man es, wie Whytt gethan, von auſſen an die Nerven bringt. Es ſtehet ferner die Zuſammenziehungskraft, und die Empfindungskraft nicht in einerlei Verhaͤltniſſe gegen ein- ander (n*), indem ſich die erſtere nach der Groͤſſe und Bloͤſſe der Nerven richtet, die leztere hingegen ſich nach der Menge der Faſern bequemt (o), welche dem Reize ausgeſezzt werden, und es ſcheint dieſes eben die Urſache zu ſein, warum der elektriſche Funke kraͤftiger, als ein jedes andre Reizmittel iſt, indem derſelben uͤber alle andre Reize durchdringend iſt, und ſich in das innerſte der Fa- ſern (l) Eſſays and obſervations phy- ſical and literary T. II. art. 20. (m) l. c. et Eſſays O. 210. 211. (n) FONTANA Exp. 44. 45 ‒ ‒ 54. CALDANI. reflex. XXXV. (n*) Dieſes geſtehet aus andern Gruͤnden zu angefuͤhrter BARTHES. l. c. pag. 40. (o) Auch die Dauer der Bewe- gung richtet ſich nach der Anzal der Faſern. Beſiehe davon den HOUSSET. p. 406. Eine angeborne Kraft nehmen an LOE- SECKE phyſiol. p. 258. MAR- TIN. neurol. GERHARD. triga diſſ. und SIEGWARD. dynam. Spec. IV. p. 25.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/50>, abgerufen am 28.03.2024.