Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Schlußbetrachtung. XX.
dieses ideale Gespenst den "reinen Metaphysikern" und erfreuen
wir uns statt dessen als "echte Physiker" an den gewaltigen
realen Fortschritten, welche unsere monistische Natur-Philosophie
thatsächlich errungen hat.

Da überragt denn alle andern Fortschritte und Entdeckungen
unsers "großen Jahrhunderts" das gewaltige, allumfassende
Substanz-Gesetz, das "Grundgesetz von der Erhaltung der
Kraft und des Stoffes". Die Thatsache, daß die Substanz
überall einer ewigen Bewegung und Umbildung unterworfen ist,
stempelt dasselbe zugleich zum universalen Entwickelungs-
Gesetz
. Indem dieses höchste Naturgesetz festgestellt und alle
anderen ihm untergeordnet wurden, gelangten wir zur Ueber-
zeugung der universalen Einheit der Natur und der ewigen
Geltung der Naturgesetze. Aus dem dunkeln Substanz-Problem
entwickelte sich das klare Substanz-Gesetz. Der "Monismus
des Kosmos", den wir darauf begründen, lehrt uns die aus-
nahmslose Geltung der "ewigen, ehernen, großen Gesetze" im
ganzen Universum. Damit zertrümmert derselbe aber zugleich
die drei großen Central-Dogmen der bisherigen dualistischen
Philosophie, den persönlichen Gott, die Unsterblichkeit der Seele
und die Freiheit des Willens.

Viele von uns sehen gewiß mit lebhaftem Bedauern oder
selbst mit tiefem Schmerze dem Untergange der Götter zu, welche
unsern theuern Eltern und Voreltern als höchste geistige Güter
galten. Wir trösten uns aber mit dem Worte des Dichters:

"Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit,
Und neues Leben blüht aus den Ruinen!"

Die alte Weltanschauung des Ideal-Dualismus mit
ihren mystischen und anthropistischen Dogmen versinkt in Trümmer;
aber über diesem gewaltigen Trümmerfelde steigt hehr und herrlich
die neue Sonne unsers Real-Monismus auf, welche uns
den wundervollen Tempel der Natur voll erschließt. In dem

Schlußbetrachtung. XX.
dieſes ideale Geſpenſt den „reinen Metaphyſikern“ und erfreuen
wir uns ſtatt deſſen als „echte Phyſiker“ an den gewaltigen
realen Fortſchritten, welche unſere moniſtiſche Natur-Philoſophie
thatſächlich errungen hat.

Da überragt denn alle andern Fortſchritte und Entdeckungen
unſers „großen Jahrhunderts“ das gewaltige, allumfaſſende
Subſtanz-Geſetz, das „Grundgeſetz von der Erhaltung der
Kraft und des Stoffes“. Die Thatſache, daß die Subſtanz
überall einer ewigen Bewegung und Umbildung unterworfen iſt,
ſtempelt dasſelbe zugleich zum univerſalen Entwickelungs-
Geſetz
. Indem dieſes höchſte Naturgeſetz feſtgeſtellt und alle
anderen ihm untergeordnet wurden, gelangten wir zur Ueber-
zeugung der univerſalen Einheit der Natur und der ewigen
Geltung der Naturgeſetze. Aus dem dunkeln Subſtanz-Problem
entwickelte ſich das klare Subſtanz-Geſetz. Der „Monismus
des Kosmos“, den wir darauf begründen, lehrt uns die aus-
nahmsloſe Geltung der „ewigen, ehernen, großen Geſetze“ im
ganzen Univerſum. Damit zertrümmert derſelbe aber zugleich
die drei großen Central-Dogmen der bisherigen dualiſtiſchen
Philoſophie, den perſönlichen Gott, die Unſterblichkeit der Seele
und die Freiheit des Willens.

Viele von uns ſehen gewiß mit lebhaftem Bedauern oder
ſelbſt mit tiefem Schmerze dem Untergange der Götter zu, welche
unſern theuern Eltern und Voreltern als höchſte geiſtige Güter
galten. Wir tröſten uns aber mit dem Worte des Dichters:

„Das Alte ſtürzt, es ändert ſich die Zeit,
Und neues Leben blüht aus den Ruinen!“

Die alte Weltanſchauung des Ideal-Dualismus mit
ihren myſtiſchen und anthropiſtiſchen Dogmen verſinkt in Trümmer;
aber über dieſem gewaltigen Trümmerfelde ſteigt hehr und herrlich
die neue Sonne unſers Real-Monismus auf, welche uns
den wundervollen Tempel der Natur voll erſchließt. In dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0454" n="438"/><fw place="top" type="header">Schlußbetrachtung. <hi rendition="#aq">XX.</hi></fw><lb/>
die&#x017F;es ideale Ge&#x017F;pen&#x017F;t den &#x201E;reinen Metaphy&#x017F;ikern&#x201C; und erfreuen<lb/>
wir uns &#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en als &#x201E;echte Phy&#x017F;iker&#x201C; an den gewaltigen<lb/>
realen Fort&#x017F;chritten, welche un&#x017F;ere moni&#x017F;ti&#x017F;che Natur-Philo&#x017F;ophie<lb/>
that&#x017F;ächlich errungen hat.</p><lb/>
          <p>Da überragt denn alle andern Fort&#x017F;chritte und Entdeckungen<lb/>
un&#x017F;ers &#x201E;großen Jahrhunderts&#x201C; das gewaltige, allumfa&#x017F;&#x017F;ende<lb/><hi rendition="#g">Sub&#x017F;tanz-Ge&#x017F;etz,</hi> das &#x201E;Grundge&#x017F;etz von der Erhaltung der<lb/>
Kraft und des Stoffes&#x201C;. Die That&#x017F;ache, daß die Sub&#x017F;tanz<lb/>
überall einer ewigen Bewegung und Umbildung unterworfen i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;tempelt das&#x017F;elbe zugleich zum univer&#x017F;alen <hi rendition="#g">Entwickelungs-<lb/>
Ge&#x017F;etz</hi>. Indem die&#x017F;es höch&#x017F;te Naturge&#x017F;etz fe&#x017F;tge&#x017F;tellt und alle<lb/>
anderen ihm untergeordnet wurden, gelangten wir zur Ueber-<lb/>
zeugung der univer&#x017F;alen <hi rendition="#g">Einheit der Natur</hi> und der ewigen<lb/>
Geltung der Naturge&#x017F;etze. Aus dem dunkeln Sub&#x017F;tanz-<hi rendition="#g">Problem</hi><lb/>
entwickelte &#x017F;ich das klare Sub&#x017F;tanz-<hi rendition="#g">Ge&#x017F;etz</hi>. Der &#x201E;Monismus<lb/>
des Kosmos&#x201C;, den wir darauf begründen, lehrt uns die aus-<lb/>
nahmslo&#x017F;e Geltung der &#x201E;ewigen, ehernen, großen Ge&#x017F;etze&#x201C; im<lb/>
ganzen Univer&#x017F;um. Damit zertrümmert der&#x017F;elbe aber zugleich<lb/>
die drei großen Central-Dogmen der bisherigen duali&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Philo&#x017F;ophie, den per&#x017F;önlichen Gott, die Un&#x017F;terblichkeit der Seele<lb/>
und die Freiheit des Willens.</p><lb/>
          <p>Viele von uns &#x017F;ehen gewiß mit lebhaftem Bedauern oder<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t mit tiefem Schmerze dem Untergange der Götter zu, welche<lb/>
un&#x017F;ern theuern Eltern und Voreltern als höch&#x017F;te gei&#x017F;tige Güter<lb/>
galten. Wir trö&#x017F;ten uns aber mit dem Worte des Dichters:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Das Alte &#x017F;türzt, es ändert &#x017F;ich die Zeit,</l><lb/>
            <l>Und neues Leben blüht aus den Ruinen!&#x201C;</l>
          </lg><lb/>
          <p>Die alte Weltan&#x017F;chauung des <hi rendition="#g">Ideal-Dualismus</hi> mit<lb/>
ihren my&#x017F;ti&#x017F;chen und anthropi&#x017F;ti&#x017F;chen Dogmen ver&#x017F;inkt in Trümmer;<lb/>
aber über die&#x017F;em gewaltigen Trümmerfelde &#x017F;teigt hehr und herrlich<lb/>
die neue Sonne un&#x017F;ers <hi rendition="#g">Real-Monismus</hi> auf, welche uns<lb/>
den wundervollen Tempel der Natur voll er&#x017F;chließt. In dem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[438/0454] Schlußbetrachtung. XX. dieſes ideale Geſpenſt den „reinen Metaphyſikern“ und erfreuen wir uns ſtatt deſſen als „echte Phyſiker“ an den gewaltigen realen Fortſchritten, welche unſere moniſtiſche Natur-Philoſophie thatſächlich errungen hat. Da überragt denn alle andern Fortſchritte und Entdeckungen unſers „großen Jahrhunderts“ das gewaltige, allumfaſſende Subſtanz-Geſetz, das „Grundgeſetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes“. Die Thatſache, daß die Subſtanz überall einer ewigen Bewegung und Umbildung unterworfen iſt, ſtempelt dasſelbe zugleich zum univerſalen Entwickelungs- Geſetz. Indem dieſes höchſte Naturgeſetz feſtgeſtellt und alle anderen ihm untergeordnet wurden, gelangten wir zur Ueber- zeugung der univerſalen Einheit der Natur und der ewigen Geltung der Naturgeſetze. Aus dem dunkeln Subſtanz-Problem entwickelte ſich das klare Subſtanz-Geſetz. Der „Monismus des Kosmos“, den wir darauf begründen, lehrt uns die aus- nahmsloſe Geltung der „ewigen, ehernen, großen Geſetze“ im ganzen Univerſum. Damit zertrümmert derſelbe aber zugleich die drei großen Central-Dogmen der bisherigen dualiſtiſchen Philoſophie, den perſönlichen Gott, die Unſterblichkeit der Seele und die Freiheit des Willens. Viele von uns ſehen gewiß mit lebhaftem Bedauern oder ſelbſt mit tiefem Schmerze dem Untergange der Götter zu, welche unſern theuern Eltern und Voreltern als höchſte geiſtige Güter galten. Wir tröſten uns aber mit dem Worte des Dichters: „Das Alte ſtürzt, es ändert ſich die Zeit, Und neues Leben blüht aus den Ruinen!“ Die alte Weltanſchauung des Ideal-Dualismus mit ihren myſtiſchen und anthropiſtiſchen Dogmen verſinkt in Trümmer; aber über dieſem gewaltigen Trümmerfelde ſteigt hehr und herrlich die neue Sonne unſers Real-Monismus auf, welche uns den wundervollen Tempel der Natur voll erſchließt. In dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/454
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/454>, abgerufen am 20.04.2024.