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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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I. Praktische Fortschritte der Kultur.
sind, die Herrschaft des Entwickelungs-Gesetzes -- und
zwar der "monistischen Genesis!" -- im Gesammtgebiete
der Natur klar zu erkennen und sie in Verbindung mit dem
Substanz-Gesetze zur einheitlichen Erklärung aller Natur-
erscheinungen zu benutzen, so verdanken wir dies in erster Linie
jenen drei genialen Naturphilosophen; sie leuchten uns deßhalb
als drei Sterne erster Größe unter allen anderen großen Männern
unseres Jahrhunderts*).

Diesen erstaunlichen Fortschritten unserer theoretischen
Natur-Erkenntniß entspricht deren mannichfaltige praktische
Anwendung auf allen Gebieten des menschlichen Kulturlebens.
Wenn wir heute im "Zeitalter des Verkehrs" stehen, wenn der
internationale Handel und das Reisen eine früher nicht geahnte
Bedeutung erlangt haben, wenn wir mittels Telegraph und
Telephon die Schranken von Raum und Zeit überwunden haben,
so verdanken wir das in erster Linie den technischen Fortschritten
der Physik, besonders in der Anwendung der Dampfkraft und
der Elektricität. Wenn wir durch die Photographie mit größter
Leichtigkeit das Sonnenlicht zwingen, uns in einem Augenblick
naturgetreue Bilder von jedem beliebigen Gegenstande zu ver-
schaffen, wenn wir in der Landwirthschaft und in den ver-
schiedensten Gewerben erstaunliche praktische Fortschritte gemacht
haben, wenn wir in der Medicin durch Chloroform und Mor-
phium, durch antiseptische und Serum-Therapie die Leiden der
Menschheit unendlich gemildert haben, so verdanken wir dies
der angewandten Chemie. Wie sehr wir durch diese und andere
Erfindungen der Technik alle früheren Jahrhunderte weit über-
flügelt haben, ist so allbekannt, daß wir es hier nicht weiter
auszuführen brauchen.



*) Vergl. E. Haeckel, Die Naturanschauung von Darwin, Goethe
und Lamarck. (Vortrag in Eisenach.) Jena 1882.

I. Praktiſche Fortſchritte der Kultur.
ſind, die Herrſchaft des Entwickelungs-Geſetzes — und
zwar der „moniſtiſchen Geneſis!“ — im Geſammtgebiete
der Natur klar zu erkennen und ſie in Verbindung mit dem
Subſtanz-Geſetze zur einheitlichen Erklärung aller Natur-
erſcheinungen zu benutzen, ſo verdanken wir dies in erſter Linie
jenen drei genialen Naturphiloſophen; ſie leuchten uns deßhalb
als drei Sterne erſter Größe unter allen anderen großen Männern
unſeres Jahrhunderts*).

Dieſen erſtaunlichen Fortſchritten unſerer theoretiſchen
Natur-Erkenntniß entſpricht deren mannichfaltige praktiſche
Anwendung auf allen Gebieten des menſchlichen Kulturlebens.
Wenn wir heute im „Zeitalter des Verkehrs“ ſtehen, wenn der
internationale Handel und das Reiſen eine früher nicht geahnte
Bedeutung erlangt haben, wenn wir mittels Telegraph und
Telephon die Schranken von Raum und Zeit überwunden haben,
ſo verdanken wir das in erſter Linie den techniſchen Fortſchritten
der Phyſik, beſonders in der Anwendung der Dampfkraft und
der Elektricität. Wenn wir durch die Photographie mit größter
Leichtigkeit das Sonnenlicht zwingen, uns in einem Augenblick
naturgetreue Bilder von jedem beliebigen Gegenſtande zu ver-
ſchaffen, wenn wir in der Landwirthſchaft und in den ver-
ſchiedenſten Gewerben erſtaunliche praktiſche Fortſchritte gemacht
haben, wenn wir in der Medicin durch Chloroform und Mor-
phium, durch antiſeptiſche und Serum-Therapie die Leiden der
Menſchheit unendlich gemildert haben, ſo verdanken wir dies
der angewandten Chemie. Wie ſehr wir durch dieſe und andere
Erfindungen der Technik alle früheren Jahrhunderte weit über-
flügelt haben, iſt ſo allbekannt, daß wir es hier nicht weiter
auszuführen brauchen.



*) Vergl. E. Haeckel, Die Naturanſchauung von Darwin, Goethe
und Lamarck. (Vortrag in Eiſenach.) Jena 1882.
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[7/0023] I. Praktiſche Fortſchritte der Kultur. ſind, die Herrſchaft des Entwickelungs-Geſetzes — und zwar der „moniſtiſchen Geneſis!“ — im Geſammtgebiete der Natur klar zu erkennen und ſie in Verbindung mit dem Subſtanz-Geſetze zur einheitlichen Erklärung aller Natur- erſcheinungen zu benutzen, ſo verdanken wir dies in erſter Linie jenen drei genialen Naturphiloſophen; ſie leuchten uns deßhalb als drei Sterne erſter Größe unter allen anderen großen Männern unſeres Jahrhunderts *). Dieſen erſtaunlichen Fortſchritten unſerer theoretiſchen Natur-Erkenntniß entſpricht deren mannichfaltige praktiſche Anwendung auf allen Gebieten des menſchlichen Kulturlebens. Wenn wir heute im „Zeitalter des Verkehrs“ ſtehen, wenn der internationale Handel und das Reiſen eine früher nicht geahnte Bedeutung erlangt haben, wenn wir mittels Telegraph und Telephon die Schranken von Raum und Zeit überwunden haben, ſo verdanken wir das in erſter Linie den techniſchen Fortſchritten der Phyſik, beſonders in der Anwendung der Dampfkraft und der Elektricität. Wenn wir durch die Photographie mit größter Leichtigkeit das Sonnenlicht zwingen, uns in einem Augenblick naturgetreue Bilder von jedem beliebigen Gegenſtande zu ver- ſchaffen, wenn wir in der Landwirthſchaft und in den ver- ſchiedenſten Gewerben erſtaunliche praktiſche Fortſchritte gemacht haben, wenn wir in der Medicin durch Chloroform und Mor- phium, durch antiſeptiſche und Serum-Therapie die Leiden der Menſchheit unendlich gemildert haben, ſo verdanken wir dies der angewandten Chemie. Wie ſehr wir durch dieſe und andere Erfindungen der Technik alle früheren Jahrhunderte weit über- flügelt haben, iſt ſo allbekannt, daß wir es hier nicht weiter auszuführen brauchen. *) Vergl. E. Haeckel, Die Naturanſchauung von Darwin, Goethe und Lamarck. (Vortrag in Eiſenach.) Jena 1882.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/23>, abgerufen am 28.03.2024.