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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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IX. Stammesgeschichte der Seele.
kohlen-Periode erschienen, beginnt die charakteristische Körper-
bildung der Vierfüßer (Tetrapoda) und eine entsprechende
Umbildung des Fischgehirns; sie schreitet weiter fort in ihren
permischen Epigonen, den Reptilien, deren älteste Vertreter,
die Stammreptilien (Tocosauria), die gemeinsamen Stammformen
aller Amnioten sind (der Reptilien und Vögel einerseits, der
Säugethiere andererseits). V-VIII. Fünfte bis achte Stufe:
Säugethiere (Mammalia).

Die Bildungsgeschichte unseres Nervensystems und die damit
verknüpfte Stammesgeschichte unserer Seele habe ich in meiner
"Anthropogenie" ausführlich behandelt und durch zahlreiche
Abbildungen erläutert *). Ich muß daher hier darauf verweisen,
sowie auf die Anmerkungen, in denen ich einige der wichtigsten
Thatsachen besonders hervorgehoben habe. Dagegen lasse ich hier
noch einige Bemerkungen über den letzten und interessantesten
Theil derselben folgen, über die Entwickelung der Seele und
ihrer Organe innerhalb der Säugethier-Klasse; ich erinnere
dabei besonders daran, daß der monophyletische Ursprung
dieser Klasse, die Abstammung aller Säugethiere von einer ge-
meinsamen Stammform (der Trias-Periode), jetzt festgestellt ist.

Seelen-Geschichte der Säugethiere. Der wichtigste Folge-
schluß, welcher sich aus dem monophyletischen Ursprung der
Säugethiere ergiebt, ist die nothwendige Ableitung der Men-
schen-Seele
aus einer langen Entwickelungs-Reihe von an-
deren Mammalien-Seelen. Eine gewaltige anatomische und
physiologische Kluft trennt den Gehirnbau und das davon ab-
hängige Seelenleben der höchsten und der niedersten Säugethiere,
und dennoch wird diese tiefe Kluft durch eine lange Reihe von
vermittelnden Zwischen-Stufen vollständig ausgefüllt. Der Zeit-
raum von mindestens vierzehn (nach anderen Berechnungen mehr

*) Anthropogenie. Vierte Auflage 1891, S. 621-688.
Haeckel, Welträthsel. 13

IX. Stammesgeſchichte der Seele.
kohlen-Periode erſchienen, beginnt die charakteriſtiſche Körper-
bildung der Vierfüßer (Tetrapoda) und eine entſprechende
Umbildung des Fiſchgehirns; ſie ſchreitet weiter fort in ihren
permiſchen Epigonen, den Reptilien, deren älteſte Vertreter,
die Stammreptilien (Tocoſauria), die gemeinſamen Stammformen
aller Amnioten ſind (der Reptilien und Vögel einerſeits, der
Säugethiere andererſeits). V-VIII. Fünfte bis achte Stufe:
Säugethiere (Mammalia).

Die Bildungsgeſchichte unſeres Nervenſyſtems und die damit
verknüpfte Stammesgeſchichte unſerer Seele habe ich in meiner
Anthropogenie“ ausführlich behandelt und durch zahlreiche
Abbildungen erläutert *). Ich muß daher hier darauf verweiſen,
ſowie auf die Anmerkungen, in denen ich einige der wichtigſten
Thatſachen beſonders hervorgehoben habe. Dagegen laſſe ich hier
noch einige Bemerkungen über den letzten und intereſſanteſten
Theil derſelben folgen, über die Entwickelung der Seele und
ihrer Organe innerhalb der Säugethier-Klaſſe; ich erinnere
dabei beſonders daran, daß der monophyletiſche Urſprung
dieſer Klaſſe, die Abſtammung aller Säugethiere von einer ge-
meinſamen Stammform (der Trias-Periode), jetzt feſtgeſtellt iſt.

Seelen-Geſchichte der Säugethiere. Der wichtigſte Folge-
ſchluß, welcher ſich aus dem monophyletiſchen Urſprung der
Säugethiere ergiebt, iſt die nothwendige Ableitung der Men-
ſchen-Seele
aus einer langen Entwickelungs-Reihe von an-
deren Mammalien-Seelen. Eine gewaltige anatomiſche und
phyſiologiſche Kluft trennt den Gehirnbau und das davon ab-
hängige Seelenleben der höchſten und der niederſten Säugethiere,
und dennoch wird dieſe tiefe Kluft durch eine lange Reihe von
vermittelnden Zwiſchen-Stufen vollſtändig ausgefüllt. Der Zeit-
raum von mindeſtens vierzehn (nach anderen Berechnungen mehr

*) Anthropogenie. Vierte Auflage 1891, S. 621-688.
Haeckel, Welträthſel. 13
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[193/0209] IX. Stammesgeſchichte der Seele. kohlen-Periode erſchienen, beginnt die charakteriſtiſche Körper- bildung der Vierfüßer (Tetrapoda) und eine entſprechende Umbildung des Fiſchgehirns; ſie ſchreitet weiter fort in ihren permiſchen Epigonen, den Reptilien, deren älteſte Vertreter, die Stammreptilien (Tocoſauria), die gemeinſamen Stammformen aller Amnioten ſind (der Reptilien und Vögel einerſeits, der Säugethiere andererſeits). V-VIII. Fünfte bis achte Stufe: Säugethiere (Mammalia). Die Bildungsgeſchichte unſeres Nervenſyſtems und die damit verknüpfte Stammesgeſchichte unſerer Seele habe ich in meiner „Anthropogenie“ ausführlich behandelt und durch zahlreiche Abbildungen erläutert *). Ich muß daher hier darauf verweiſen, ſowie auf die Anmerkungen, in denen ich einige der wichtigſten Thatſachen beſonders hervorgehoben habe. Dagegen laſſe ich hier noch einige Bemerkungen über den letzten und intereſſanteſten Theil derſelben folgen, über die Entwickelung der Seele und ihrer Organe innerhalb der Säugethier-Klaſſe; ich erinnere dabei beſonders daran, daß der monophyletiſche Urſprung dieſer Klaſſe, die Abſtammung aller Säugethiere von einer ge- meinſamen Stammform (der Trias-Periode), jetzt feſtgeſtellt iſt. Seelen-Geſchichte der Säugethiere. Der wichtigſte Folge- ſchluß, welcher ſich aus dem monophyletiſchen Urſprung der Säugethiere ergiebt, iſt die nothwendige Ableitung der Men- ſchen-Seele aus einer langen Entwickelungs-Reihe von an- deren Mammalien-Seelen. Eine gewaltige anatomiſche und phyſiologiſche Kluft trennt den Gehirnbau und das davon ab- hängige Seelenleben der höchſten und der niederſten Säugethiere, und dennoch wird dieſe tiefe Kluft durch eine lange Reihe von vermittelnden Zwiſchen-Stufen vollſtändig ausgefüllt. Der Zeit- raum von mindeſtens vierzehn (nach anderen Berechnungen mehr *) Anthropogenie. Vierte Auflage 1891, S. 621-688. Haeckel, Welträthſel. 13

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/209>, abgerufen am 28.03.2024.