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Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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am Fenster drüben gehört. Ob auch sie die Töne wieder vernahm:, zitternd auf ihrem Lager, vielleicht die Kissen mit ihren Thränen benetzend? -- Ja, sie vernahm sie gewiß heute Nacht, und morgen wieder, an dem offenen Fenster wie heute sitzend, und blickte gewiß sehnsüchtig nach dem Hügel hinaus, von dem er nicht wieder herniederstieg, und sie sah dasselbe alle Tage, immer in derselben Umgebung, und das Bübchen spielte gewiß noch wochenlang mit der Feldmütze, und der Vater brachte wieder und immer wieder den Posthalterssohn von Piacenza ins Haus.

Das war Alles erschrecklich quälend für ihr Herz; viel besser und angenehmer hatte es der junge Offizier. Als der Tag anbrach, war er in Bologna, dann sah er Florenz, kam nach Rom und Neapel, später nach Paris; aber in allen Zerstreuungen der großen Welt, in der herrlichsten Natur, bei den glänzendsten Festen vergaß er nicht das einsame Posthaus und die arme Teresina.

Die zweite Nacht. 1848.

Die stillen Fluten der Adda, nicht beunruhigt durch Dampfboote oder viele Handelsschiffe, dafür aber der Aufenthalt zahlreicher Fische, dies klare, freundliche Wasser, das bald im tiefen Sand, bald zwischen Felsen,

am Fenster drüben gehört. Ob auch sie die Töne wieder vernahm:, zitternd auf ihrem Lager, vielleicht die Kissen mit ihren Thränen benetzend? — Ja, sie vernahm sie gewiß heute Nacht, und morgen wieder, an dem offenen Fenster wie heute sitzend, und blickte gewiß sehnsüchtig nach dem Hügel hinaus, von dem er nicht wieder herniederstieg, und sie sah dasselbe alle Tage, immer in derselben Umgebung, und das Bübchen spielte gewiß noch wochenlang mit der Feldmütze, und der Vater brachte wieder und immer wieder den Posthalterssohn von Piacenza ins Haus.

Das war Alles erschrecklich quälend für ihr Herz; viel besser und angenehmer hatte es der junge Offizier. Als der Tag anbrach, war er in Bologna, dann sah er Florenz, kam nach Rom und Neapel, später nach Paris; aber in allen Zerstreuungen der großen Welt, in der herrlichsten Natur, bei den glänzendsten Festen vergaß er nicht das einsame Posthaus und die arme Teresina.

Die zweite Nacht. 1848.

Die stillen Fluten der Adda, nicht beunruhigt durch Dampfboote oder viele Handelsschiffe, dafür aber der Aufenthalt zahlreicher Fische, dies klare, freundliche Wasser, das bald im tiefen Sand, bald zwischen Felsen,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:37:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:37:05Z)

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Zitationshilfe: Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/32>, abgerufen am 28.03.2024.