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Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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durchschnitten, die Straße mit Wasser eingefaßt, über welches sich frisches Gesträuch wiegt, ist der Lieblingsaufenthalt dieser kleinen gefiederten Sänger.

Der Graf lehnte in seiner Wagenecke, und sein offenes, empfängliches Gemüth erfaßte all das Schöne, was er sah und hörte. Ein solches Nachtigallen-Concert wie heute Abend, hatte auch er nie vernommen; dazu flog der Wagen auf der geraden, flachen Chaussee im wahren Sinn des Wortes. Der Postillion von Lodi hatte ein paar kräftige Schimmel eingespannt und meinte lachend, als er sich in den Sattel schwang, er müsse schon für die nächste Station sein Übriges thun'; dort, fuhr er fort, in Casal Pusterlengo, gibt es gewöhnlich einen längeren Aufenthalt, und wenn zufällig vor uns schon eine Extrapost da war, so muß der Herr lange warten, der Posthalter dort hat wenig Pferde. Obgleich die Aussicht, auf einer einsamen Station mitten in der Nacht längere Zeit warten zu müssen, gerade nicht sehr angenehm war, so hielt der Graf diese ausgesprochene Befürchtung für leeres Geschwätz des Postillions, und ermahnte ihn, seine Schuldigkeit zu thun, das Übrige werde sich finden. Diese seine Schuldigkeit that denn auch der Postillon von Lodi auf eine wirklich überraschende Art, und obgleich der Graf S., der die Trinkgelder nie zu sparen pflegte, auf allen Stationen außerordentlich gut geführt wurde, so hatte er doch ein solches Dahinrasen noch nicht erlebt. Kaum saß der Postillion im Sattel, so trieb er die Pferde mit lautem Hurrah! und Peitschen-

durchschnitten, die Straße mit Wasser eingefaßt, über welches sich frisches Gesträuch wiegt, ist der Lieblingsaufenthalt dieser kleinen gefiederten Sänger.

Der Graf lehnte in seiner Wagenecke, und sein offenes, empfängliches Gemüth erfaßte all das Schöne, was er sah und hörte. Ein solches Nachtigallen-Concert wie heute Abend, hatte auch er nie vernommen; dazu flog der Wagen auf der geraden, flachen Chaussee im wahren Sinn des Wortes. Der Postillion von Lodi hatte ein paar kräftige Schimmel eingespannt und meinte lachend, als er sich in den Sattel schwang, er müsse schon für die nächste Station sein Übriges thun'; dort, fuhr er fort, in Casal Pusterlengo, gibt es gewöhnlich einen längeren Aufenthalt, und wenn zufällig vor uns schon eine Extrapost da war, so muß der Herr lange warten, der Posthalter dort hat wenig Pferde. Obgleich die Aussicht, auf einer einsamen Station mitten in der Nacht längere Zeit warten zu müssen, gerade nicht sehr angenehm war, so hielt der Graf diese ausgesprochene Befürchtung für leeres Geschwätz des Postillions, und ermahnte ihn, seine Schuldigkeit zu thun, das Übrige werde sich finden. Diese seine Schuldigkeit that denn auch der Postillon von Lodi auf eine wirklich überraschende Art, und obgleich der Graf S., der die Trinkgelder nie zu sparen pflegte, auf allen Stationen außerordentlich gut geführt wurde, so hatte er doch ein solches Dahinrasen noch nicht erlebt. Kaum saß der Postillion im Sattel, so trieb er die Pferde mit lautem Hurrah! und Peitschen-

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[0017] durchschnitten, die Straße mit Wasser eingefaßt, über welches sich frisches Gesträuch wiegt, ist der Lieblingsaufenthalt dieser kleinen gefiederten Sänger. Der Graf lehnte in seiner Wagenecke, und sein offenes, empfängliches Gemüth erfaßte all das Schöne, was er sah und hörte. Ein solches Nachtigallen-Concert wie heute Abend, hatte auch er nie vernommen; dazu flog der Wagen auf der geraden, flachen Chaussee im wahren Sinn des Wortes. Der Postillion von Lodi hatte ein paar kräftige Schimmel eingespannt und meinte lachend, als er sich in den Sattel schwang, er müsse schon für die nächste Station sein Übriges thun'; dort, fuhr er fort, in Casal Pusterlengo, gibt es gewöhnlich einen längeren Aufenthalt, und wenn zufällig vor uns schon eine Extrapost da war, so muß der Herr lange warten, der Posthalter dort hat wenig Pferde. Obgleich die Aussicht, auf einer einsamen Station mitten in der Nacht längere Zeit warten zu müssen, gerade nicht sehr angenehm war, so hielt der Graf diese ausgesprochene Befürchtung für leeres Geschwätz des Postillions, und ermahnte ihn, seine Schuldigkeit zu thun, das Übrige werde sich finden. Diese seine Schuldigkeit that denn auch der Postillon von Lodi auf eine wirklich überraschende Art, und obgleich der Graf S., der die Trinkgelder nie zu sparen pflegte, auf allen Stationen außerordentlich gut geführt wurde, so hatte er doch ein solches Dahinrasen noch nicht erlebt. Kaum saß der Postillion im Sattel, so trieb er die Pferde mit lautem Hurrah! und Peitschen-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:37:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:37:05Z)

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Zitationshilfe: Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/17>, abgerufen am 19.04.2024.